home

zurück

 
 

SDS-Website

 
 

 Militanz, Gewalt, Widerstand und Guerilla in der Diskussion des SDS, in der "Bewegung 2. Juni" und der RAF

37 Jahre nach Auflösung des SDS, 37 Jahre nach Gründung erster bewaffneter Gruppen in Berlin ("Tupamaros Westberlin" - TW, RAF), 30 Jahre nach dem sogenannten "Deutschen Herbst", 10 Jahre nach Auflösung des letzen bewaffneten Haufens der RAF wendet sich die deutsche Öffentlichkeit mit großem Interesse diesem Thema zu. 68 wird erneut zum Prügelknaben verschiedenster Interessen gemacht. Die antiautoritäre Revolte sei schuld an der späteren Gewaltpraxis einiger (kleiner Guerilla-)Gruppen, sei schuld am allgemeinen moralischen Verfall der Gesellschaft usw. Nicht nur in Deutschland. In Frankreich machte der neue Präsident (Sarkozy) Wahlkampf mit einem außergewöhnlich starken 68er-Bashing. Alle Übel der Gegenwart seien dem negativen Einfluß der 68er geschuldet...

Wer hätte das gedacht. Nicht nur die den 68ern folgende Generation der Sandwicher, sondern inzwischen die hohe Politik will sich von 68 emanzipieren. Uns Hinterbliebenen kann's nur Recht sein. Wir können selbst mit kritischem Blick auf unsere Geschichte schauen und uns über so viel Anteilnahme freuen. Totgesagte leben bekanntlich länger...

  • Der Handlungsreisende des Terrors: „Carlos - Der Schakal

    In der dreistündigen Kinofassung von Regisseur Olivier Assayas spielt der venezuelanische Schauspieler Édgar Ramírez den meistgesuchten Terroristen der siebziger und achtziger Jahre: Illich Ramirez Sánchez, besser bekannt unter seinem Decknamen „Carlos“.

    Von Michael Althen (FAZ, 5.11.10)

  • ACHTUNDSECHZIG: BOMBEN. Ein Spitzel lieferte Molotow-Cocktails. Thomas Schmid, Berl.Zeitung, 7.4.08: Die "Feuerbomben", wie die Molotow-Cocktails in Springers Blättern genannt wurden, lieferte ein Spitzel des Westberliner Verfassungsschutzes. Peter Urbach hatte etwa ein Dutzend zündfertiger Brandsätze unter den Studenten verteilt. Auch zeigte er ihnen, wie man Autos so kippt, dass das Benzin aus dem Tank läuft...Der Geheimdienst besorgte ihm eine neue Identität und entsorgte ihn vermutlich in Amerika. Bis heute ist Urbachs Aufenthaltsort unbekannt.

    Peter Urbach (im Vordergrund mit Hütchen)
     
  • Günter Langer:
    “Kommando Peter Urbach” – ein Nachruf auf S-Bahn-Peter

  • Günter Langer:
    Der Berliner »Blues« - Tupamaros und umherschweifende Haschrebellen

    zwischen Wahnsinn und Verstand


  • Gewalt und Antisemitismus - Dutschke, SDS, RAF und Tupamaros 

  • Klaus Meschkat antwortet Kraushaar: Rudi Dutschke und die Gewalt

    Rudi der "Terrorist": Reemtsma und Kraushaar gefällt die ganze Richtung nicht: 
    Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF lautet der Titel ihres schmalen Bandes (Hamburger Edition, Hamburg 2005, 143 Seiten, 12 Euro), Dazu: THOMAS MEDICUS in der FR vom 28.1.05: Machterfahrung Gewalt

    Rudi Dutschke stand für Gewalt behauptet auch Gerd Langguth (tgsp.26.1.05)

  • Bernd Rabehl: Linke Gewalt. Der kurze Weg zur RAF. Edition Antaios 2007.
    Rezension von Martin Jander:
    Woher kamen also die Rote Armee Fraktion (RAF), die Bewegung 2. Juni und die Revolutionären Zellen (RZ)? Darauf gibt Rabehl, der mehrere Gründer terroristischer Gruppen gut kannte, eine falsche Antwort. Er schreibt dazu: „Die RAF kam zwar aus der Radikalität der APO, sie war jedoch deutlich getrennt von der Organisationsfrage, wie sie in der antiautoritären Linken diskutiert worden war. Sie folgte auf keinen Fall den Überlegungen von Dutschke, in denen die illegale Gewalt nur eine beschränkte Bedeutung besaß und Bestandteil einer Massenbewegung und alternativen ‚Szene’ sein musste.“ (S. 66f.) Falsch ist diese Formulierung insofern, als Dutschke der erste war, der die Theorien der Guerilla in die Organisationsdebatte des SDS einbrachte – Theorien, die später von den Gründern der linksterroristischen Gruppen rezipiert und in veränderter Form angewandt wurden. Dutschke hat für das Nachdenken über eine Guerilla-Bewegung in der Bundesrepublik bereits im September 1967 in dem „Organisationsreferat“ plädiert, das er zusammen mit Hans-Jürgen Krahl auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt hielt.
    [Den Text dieses lange als verschollen geltenden Referates findet man im Internet unter <www.glasnost.de/hist/apo/67dutschke.html> (22.1.2008). ] Dutschke und Krahl formulierten: „Die ‚Propaganda der Schüsse’ (Che) in der ‚Dritten Welt’ muß durch die ‚Propaganda der Tat’ in den Metropolen vervollständigt werden, welche eine Urbanisierung ruraler Guerilla-Tätigkeit geschichtlich möglich macht. Der städtische Guerillero ist der Organisator schlechthinniger Irregularität als Destruktion des Systems der repressiven Institutionen.“

     
  • HORST-EBERHARD RICHTER (taz 27.10.04): Die RAF war Teil eines deutschen Familienromans, in dem die Kinder unbewusst Aufträge der Eltern ausführten.
    Jan Philipp Reemtsma (taz 16.10.04): "Selbst zum Projektil werden". Diese RAF-Formulierung wäre auch in der Gruppe um den 11.-9.-Attentäter Mohammed Atta möglich gewesen.
    Literatur zum Komplex (taz 16.10.04), z.B. Wolfgang Kraushaar: "Die RAF und die Herausforderung der Demokratie (1970-1998)".
  • Kategorisch ist Dellwo bei Fragen nach den Tätern der Morde an Herrhausen, Karry und Rohwedder. Es könne nur die RAF gewesen sein. Zum einen habe man sich gekannt, und für die Taten sei sonst niemand in Betracht gekommen. Zum anderen präsentiert er eine verblüffende bis bizarre Erklärung: "Wären es andere Täter, würde sich bestätigen, dass "nur die Herrschenden handeln könnten". Aber genau diese Catch 22-Situation war ja eingetreten. Entweder aufgeben oder bewaffnet weitermachen, und ebenfalls aufgeben, nämlich denen ähnlicher werden, die man bekämpfte mit der Begründung, das System gehe über Leichen. Eine Einschätzung der RAF, die der "Spiegel" in der Ausgabe 10 dieses Jahres bestätigte: "Bislang geheime Unterlagen aus der Zeit der Schleyer-Entführung zeigen, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt 1977 von Politikern gedrängt wurde, RAF-Häftlinge erschießen zu lassen." (TP, 23.6.08).
  • Christof Wackernagel: "Das war richtig scheiße". Der Schauspieler und Ex-Terrorist über die Irrtümer der RAF, sein Faible für deutsche Gründlichkeit und was er in Mali von den Afrikanern gelernt hat. (FR, 30.6.08) "Der Anspruch der RAF war aber auch größenwahnsinnig. "
    Die zweite Filmkarriere des Ex-Terroristen. Christoph Wackernagel war Schauspieler, ging in den siebziger Jahren mit der RAF in den Untergrund. Der Ex-Terrorist lebt mittlerweile in Afrika. Der Film "Der Weiße mit dem Schwarzbrot" porträtiert ihn als guten Menschen. Für WELT ONLINE hat sich der Regisseur Michael Verhoeven das Werk angesehen. (Welt, 13.6.08).
  • Carolin Emcke über die RAF und Alfred Herrhausen (faz, 1.7.08)

     
  • RAF in Japan, religiöse Revolutionäre - Das Internationale Forum des Jungen Films zeigt Wakamatsu Koji neues Werk, "United Red Army":

    Dass 1968 nicht nur in Berlin, Prag, Berkeley und Paris Studenten und Jugendliche gegen das System rebellierten, vergisst man im Westen nur allzu oft. Auch in Japan, dem asiatischen Hauptverbündeten im Vietnamkrieg, rebellierten nicht nur die Studenten gegen den Staat, der entschlossen reagierte: Ein Student starb 1967 bei den Auseinandersetzungen. 8.500 Polizisten wurden allein aufgeboten, um im Januar 1969 die Aufrührer an der besetzten Universität in Tokio unschädlich zu machen. Im Juni 1970 demonstrieren 770.000 Menschen vergeblich gegen die Verlängerung des Beistandspakts zwischen den USA und Japan.
    Die Revolte endete ähnlich wie etwa in Deutschland mit der Entstehung unterschiedlicher linksterroristischer Gruppen. Man überfällt Banken, Postämter, Polizeistationen und Waffengeschäfte und entführt Flugzeuge, um Genossen freizupressen. Zwei dieser Gruppen, die RLF und die RAF, schließen sich im Sommer 1971 zur United Red Army zusammen. In einem beeindruckenden Selbstreinigungs-, also -zerfleischungsprozess auf der Flucht vor der Polizei bringen sich deren Mitglieder größtenteils selber um. 14 von 26 Mitgliedern fallen den eigenen Leuten zum Opfer; werden hingerichtet in stalinistischen Selbstbezichtigungsprozessen, bevor es Anfang 1972 zum Showdown in einer Skihütte in der Nähe eines Ferienorts kommt, in die sich die überlebenden Revolutionäre mit einer Geisel verschanzt haben. Die zehntägige Belagerung durch die Polizei endet mit der Erstürmung und ist ein Medienereignis von bis dahin ungeahntem Ausmaß. (Detlef Kuhlbrodt, taz 9.2.08).

  • Berndhard Schlink fragt in seinem neuem Roman "Das Wochenende" nach der Wahrheit der RAF-Sympathisanten. Hauptsache, die Politik bleibt draußen. Von Burkhard Müller (SZ, 27.2.08).

     
  • Nicolas Sarkozy stilisierte den "Geist von 68" zum Hauptfeind - auch eine Art Antikapitalismus für Idioten (Robert Misik, in taz 9.5.07): Wegen 68 gäbe es "keinen Unterschied mehr zwischen gut und schlecht", trommelte der Kandidat, 68 habe "den Zynismus in die Gesellschaft und die Politik" gebracht. An allen Übeln der Welt, so Sarkozy, sei 68 schuld, an der Verächtlichmachung von Staat und Familie, aber auch am Turbokapitalismus und an der Börsenspekulation - denn das "Anything Goes", das die Revolte durchgesetzt habe, würde nun von gierigen Kapitalisten ausgenützt. Sein Ziel als Präsident sei nichts weniger, als den Geist von 1968 zu "liquidieren"... Weil sie den Konsumkapitalismus nicht angreifen wollen, hauen die Neocons auf die 68er ein...

    So auch Kai Dieckmann von der BILD: "ich bin’s nicht, die 68er sind’s gewesen" übersetzt Alan Posener (Die Welt) dessen Haltung (LizasWelt).
  • Auch das gibt's wieder: Alternatives 68er-Bashing. Taz-Autor und Medienwissenschaftler Klaus Kreimeier behauptet, in der Folge von 68 hätten "6 gegen 60 Millionen einen veritablen Krieg entfesselt" (taz, 9.5.07). "Für die 68er Linke gilt: Nur wenige haben die RAF politisch, theoretisch, aber auch in ihrer eigenen Biografie und psychisch konsequent aufgearbeitet, die Problematik des linken Terrors als eines inhärenten Teils der Story von 68 wirklich durchdrungen." Er fordert "eine Abrechnung mit dem linken Terror auf dem Anspruchsniveau linker Theorie. Von der massentauglichen Verwertung eines Eichinger/Aust-Films über die RAF dagegen erwartet" er nichts. 

  • Haben rechte Gewalt und linker Terror etwas gemeinsam?

    Andres Veiel: Wer sich mit Täter-Biografien beschäftigt, begreift – bei aller Unvergleichbarkeit der Phänomene – den traumatisierenden Einfluss der deutschen Geschichte. Wer massiv Gewalt ausgeübt hat, etwa in der NS-Zeit, hat eine entwertete Biografie. Diese Beschädigung wurde über Generationen weitergegeben, teils bewusst, teils indem geschwiegen wurde. Mit dieser Beschädigung müssen wir uns auseinandersetzen, sowohl bei rechter Gewalt, als auch bei der Geschichte der RAF. Die zweite Parallele ist die Gewaltspirale. Gewalttaten geschehen nicht selten in Gruppen, in denen der eine dem anderen beweisen will, dass er noch härter zuschlagen kann. Es gibt eine Art Wettbewerb, das Opfer nicht mehr als Mensch zu sehen, sondern auf seine Funktion zu reduzieren, einen Männlichkeitskult, den auch Frauen gerne übernehmen. (Tagesspiegel, 10.5.07).

    Manifesto of  Oliver Kamm's "The Civilized Left": Fascism and the Left.

    Silke Maier-Witt (Ex-RAF): "
    Mein Vater war in der SS. Ich habe nicht herausbekommen, was er gemacht hat. Aber ich habe die Unterlagen bekommen, dass er sich mit 19 Jahren freiwillig gemeldet hat. Ich denke, auch er hat das getan, weil er zu einer Gruppe gehören wollte - um jemand zu sein, etwas darzustellen. Letztlich war das auch bei mir so. Ich wollte auch dazugehören - auch wenn man dafür das Gehirn ausschalten musste. Auch die SS hat Terror verbreitet. Und da sehe ich eine Parallele" (FAZ, 29.4.07). Horst Mahler, der Gründer der RAF, hat diese Parallele schon vor ein paar Jahren gezogen in seiner Kanonischen Erklärung zur Bewegung von 1968.

    Claus Peymann hat laut
    Reinhard Mohr (Spiegel, 27.4.07) die damaligen politischen Verhältnisse und die ganze Generation der 68er (samt der 78er) fürs kollektive Morden verantwortlich macht nach dem Motto: Wir alle waren ein bisschen RAF.

    Andreas Zielcke bringt in der SZ den Zug zur Eskalation bei der RAF mit dem deutschen Geist zusammen. "Ein alter deutscher Hang zur systematischen Konsequenz verband sich mit der ebenso urdeutschen Faszination für die lutherische und romantische Alleinstellung gegen die verdorbene Welt. Darum konnte der intellektuelle Separatismus hier besonders giftige Blüten treiben: die moralistische Selbstberauschung durch Weltrettungsphantasien. Der Mord zur Schaffung einer freien Welt, das war nur das böse Extrem eines Modells, von dem auch viele andere träumten - sich selbst und die Welt wie eine tabula rasa von allen bürgerlichen Zwängen und Schweinereien zu befreien ". Er diagnostiziert  eine "klammheimliche Sympathie, die sich in der damaligen Studentengeneration, in weiten Teilen der Medien und der literarischen Welt um den bewaffneten "Freiheitskampf" herum ausgebreitet hatte".

    Ein RAFler, Stefan Wisniewski, kann immerhin für sich in Anspruch nehmen, Opfer des Deutschtums zu sein: Sein Vater, der ehemalige Zwangsarbeiter
    Stanislaw Wisniewski aus Polen trug im Konzentrationslager Dachau die Nummer 12 2962. Der von ihm entführte Hanns-Martin Schleyer trug als SS-Offizier (Mitgliedsnummer 22 7014) seine Blutgruppe am Arm eintätowiert (Willi Winkler, SZ, 26.4.07).

    Ein wenig anders gelagert ist der Fall bei
    Gudrun Ensslin und Birgit Hogefeld: Horst-Eberhard Richter resümiert "eine leicht durchschaubare heimliche Vater-Tochter-Komplizenschaft gegen den Staat. Gudrun wie Birgit können sich insgeheim als Vollstrecker des gewollten, doch letztlich vermiedenen väterlichen Widerstandes (gegen die Nazis) phantasieren. Vater Ensslin bewundert ganz offen Gudruns Rebellion als "ganz heilige Selbstverwirklichung". Ebenso wenig verbirgt Vater Hogefeld seinen Stolz auf die geächtete und landesweit gejagte Tochter. Beide Frauen verfangen sich exakt in der Rolle als Ich-Ideal der Väter".

  • Peter Schneider im Interview zu Christian Klar, Claus Peymann und das Erbe von 68. (Welt, 21.3.07). Und was treiben die Ex-Rafler heute? (Spiegel, 26.3.07). Rainer Langhans: "Brigitte, komm in meinen Harem". Mohnhaupt habe dieselbe Gesellschaft angestrebt wie er - aber "mit völlig falschen Mitteln". Dennoch gehöre sie weiter zur "Familie der Sucher" (Spiegel, 27.3.07). Reinhard Mohr: "Brigitte Mohnhaupt die Margot Honecker der umherschweifenden Haschrebellen" (Spiegel, 28.3.07).
    Wolfgang Kraushaar (im Stern-Interview): "Die RAF ist ohne die 68er-Bewegung nicht denkbar."(21.3.07).
  • Claus Peymann: "Ich stand Anfang der siebziger Jahre auch an diesem Scheideweg, an dem Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin oder auch Christian Klar standen." "Diese Terroristen haben getötet, weil sie glaubten, mit ihren Morden etwas gegen die Ermordung von hunderttausenden von Kindern und Frauen in Vietnam tun zu können, weil sie glaubten, etwas gegen das Elend in der Dritten Welt tun zu müssen. Wie Brecht seine Johanna der Schlachthöfe sagen lässt: "Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht..."".(Spiegel, 13.3.07).
  • Martin Altmeyer: "Der Vorwurf der "Altersvergesslichkeit" an prominente Alt-Achtundsechziger ist verfehlt. Denn diese haben sich längst ihrer Geschichte gestellt." (taz 26.2.07).
  • Die „schiere Lust am großen Knall“ und der Waffenfetischismus seien in der Debatte um die RAF-Terroristen bisher übersehen worden, sagte der Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma. Gegen diese Sicht stellte sich „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust, Autor des Sachbuchs „Der Baader-Meinhof-Komplex“ (1985). So habe es 23 Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur angesichts des Vietnam-Kriegs und großer Ungerechtigkeiten weltweit ähnliche Gruppen gegeben, wie die Roten Brigaden in Italien, zudem die Befreiungsbewegungen der Dritten Welt und die Studentenbewegungen.

  • Peter Rühmkorf: Ich habe damals oft gesagt: Wenn die Rechte aufmarschiert, müssen wir besser schießen können! Jaa, das war Geist der Zeit. (SZ, 24.4.07).

  • Stefan Aust (Spiegel-Chef) meint,  "offenbar habe das Thema RAF Narben in der deutschen Psyche hinterlassen: "Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Herbst '77 für die Deutschen ein ähnlich bleibendes Ereignis geworden ist, wie der 11. September für die Amerikaner."

  • Ulrike Baureithel im Freitag: "Der unverhüllte Busen der Uschi Obermaier und die aufgestellte MP im Emblem der RAF: Zusammen stehen sie für den Gesamtorgasmus der Achtundsechziger".

  • Im Jahr 2005 feierte Bernd Cailloux einen schönen Erfolg mit "Das Geschäftsjahr 1968/69". In dem Roman erzählt er von dem ominösen Jahr 1968, indem er die Verbreitung des Stroboskoplichts in den Diskotheken dieser Republik in den Mittelpunkt stellt. Bewusstseinserweiterung durch Lichtgeflacker - und auch eine Geschichte darüber, wie hehre Ideale allmählich in ein reines Geschäftsgebaren münden (taz, 5.3.07).

  • Barbara Agnoli antwortet auf Wolfgang Kraushaars Vortrag in der Villa Vigoni.
    Johannes Agnoli war als Jugendlicher begeisterter Hitlerfan, später aber entschiedener Kritiker des Mussolini-Vordenkers Vilfredo Pareto
    Dazu:
    clemens nachtmann über Wolfgang Kraushaars Kritik an Johannes Agnoli

  • Post scriptum zum Nachruf auf Bodo Saggel: Haschrebell gegen Antisemitismus.  Bodo Saggel intervenierte bei der Polizei gegen die Bombenleger vom Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße.
    Linker Antisemitismus: Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus.
    Rezension von Karl Pfeifer (hagalil, 10.10.05).
    Für den linken Republikanischen Club kam nur ein Geistesgestörter oder ein Faschist als Täter in Frage, jedenfalls kein Linker. Beate Klarsfeld, die ein Jahr zuvor den ehemaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem CDU-Parteitag wegen dessen NS-Vergangenheit geohrfeigt hatte, schrieb an die Jüdische Gemeinde: "Das auf die Jüdische Gemeinde Berlin geplante Attentat ist so widerwärtig, daß es die Täter auf die gleiche Stufe stellt wie die SA und SS. Ich und meine Freunde der APO, die wir überzeugt sind, daß es eine gerechte Lösung im Nahen Osten nur geben kann, wenn die Araber die Existenz des Staates Israel anerkennen, erklären uns mit ihnen solidarisch." Offenbar wusste sie nicht, dass die mit der SA und SS auf eine Stufe gestellten unter den Reihen ihrer Freunde von der APO zu finden waren und zwar unter den von Kunzelmann angeführten "Haschrebellen", die sich später zu den Tupamaros von West-Berlin mauserten.
    Kommentar der Redaktion: Karl Pfeifers Rezension ist in der Grundtendenz völlig richtig, aber leider falsch im Detail. So behauptet er schlicht, die Haschrebellen wären von Dieter Kunzelmann angeführt worden, obwohl er keinerlei Einfluss auf die Initiation dieses Haufens hatte. Zur Verwirrung im Hinblick auf die Rolle Kunzelmanns trug leider auch Ralf Reinders (Mitglied der Bewegung 2. Juni) bei, der in seinem Buch ähnliches wie Pfeifer unterstellt. Ralf Reinders breitet seine Vermutung aus, der Name „Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen“ stamme eben von Dieter Kunzelmann. Richtig ist vielmehr, dass Kunzelmann bei der Namensgebung weder dabei war, noch irgend einen Einfluss darauf hatte.
    (Zur Geschichte der Haschrebellen siehe den Bericht von Günter Langer, Der Berliner »Blues« Tupamaros und umherschweifende Haschrebellen zwischen Wahnsinn und Verstand).

  • Deutsche Geschichte(n): Rudi Dutschke -  Propaganda der Tat 
    Von Professor Dr. Gerd Langguth, (FAZ, 14.11.06).

  • Horst Mahler geht in den Knast: Der RAF-Gründer und frühere NPD-Anwalt Horst Mahler muss für neun Monate ins Gefängnis. Er werde seine Haftstrafe übernächste Woche in Cottbus antreten, teilte der Extremist gestern in einem Rundbrief mit. Das Berliner Landgericht hatte Mahler bereits im Januar 2005 wegen Volksverhetzung zu der Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt. Nach Überzeugung der Richter hatte Mahler 2002 bei einer Pressekonferenz gegen das NPD-Verbotsverfahren einen Schriftsatz verteilen lassen, in dem der Hass auf Juden als "untrügliches Zeichen eines intakten spirituellen Immunsystems" bezeichnet wurde. (taz 3.11.06).

  • RAF - 30 Jahre danach


    "Horst Mahler - die bizarrste Figur der gesamten RAF - hatte, wie bislang unbekannte Quittungen zeigen, noch ein halbes Jahr zuvor, im Sommer 1969, der NPD drei Spenden zukommen lassen." In Michael Sontheimer, RAF - Wie alles anfing: High sein - frei sein, Spiegel 37/2007.

    Karl-Heinz Dellwo: "Kritik war in der RAF nicht denkbar" (FR, 19.10.07).
    Karl-Heinz Dellwo: „Das Projektil sind wir“. Nautilus-Verlag, 222 Seiten, 13,90 Euro
    Karl-Heinz Dellwo im SZ-Interview: Haben islamistische Terroristen und die RAF etwas gemein? (27.12.07). Was sich hier als bewaffneter Islamismus vermittelt, hat dagegen (im Gegensatz zur RAF) keinen sozialen Bezug, sondern einen nationalen oder geografischen. Die Islamisten suchen keinerlei Kommunikation mehr, sie stempeln die Metropolen pauschal zum Feind. Sie wollen den Bruch mit den westlichen Gesellschaften.  
    Hans-Joachim Klein
    und Alexander Oey: „Mein Leben als Terrorist“, DVD (Indigo)
    Besprechung in FAZ, 20.10.07.

    Christian Klar zum Interview mit Köhler. Eine Entschuldigung wollte der seit 25 Jahren inhaftierte Klar den Angehörigen der RAF-Opfer erneut nicht aussprechen.(Spiegel, 19.12.07).

    30 Jahre "Deutscher Herbst": eine Satire mit den Terroristen Raspe, Ensslin und Baader und dem einen oder anderen Überraschungsgast. Von Willi Winkler

    68, Gewalt und Antisemitismus -
    Dutschke, SDS,
    Guerilla, Tupamaros,  Bewegung 2. Juni, RAF
    - Teil 1: Die Kraushaardebatte
    (2005). 
    - Teil 2: Die Köhlerdebatte (2007). 


    DIEDRICH DIEDERICHSEN: Was haben Charles Manson und die RAF gemeinsam? (taz, 7.2.07).

    Peter-Jürgen Boock, der "Karl May der RAF", hat ein Theaterstück geschrieben: "Die Nacht von Stammheim" (Welt, 22.11.07).

    Andreas Baader verstand die Kunst der Inszenierung wie kein zweites RAF-Mitglied. Am deutlichsten wurde Baaders Narzissmus in seiner Hassliebe zu Autos. Klaus Stern porträtiert den Terrorist am Steuer. (Spiegel).

    RAF-Serie (III): Wie alles anfing. "High sein, frei sein". Der erste Schuss fiel am 2. Juni 1967 in West-Berlin. In der Konfrontation mit der Staatsgewalt radikalisierte sich die Studentenbewegung. Die Befreiung Andreas Baaders im Mai 1970 markierte die Geburtsstunde der RAF. Von Michael Sontheimer. Horst Mahler - die bizarrste Figur der gesamten RAF - hatte, wie bislang unbekannte Quittungen zeigen, noch ein halbes Jahr zuvor, im Sommer 1969, der NPD drei Spenden zukommen lassen. Jetzt trieb er den Aufbau einer kommunistischen Guerilla-Gruppe voran.(DER SPIEGEL 39/2007 vom 24.09.2007, Seite 98).

    Mahler - Meinhof - Mielke. Jochen Staadt beschreibt die Zusammenarbeit der drei in FAZ vom 23.11.07.

    Reinhard Mohr: Ulrike Meinhof ist ein Kultobjekt der deutschen Intelligenz. Auch die Grünen-Gründerin Jutta Ditfurth vernarrte sich in die deutsche Terroristin und schrieb eine Biografie. Ein gewagtes Werk: Meinhof wird zur Revolutionärin geadelt. (Spiegel, 20.11.07).
    Miriam Hollstein: Ditfurth als Ulrike Meinhofs Seelenverwandte (Welt, 20.11.07).

     

    Der Verleger Klaus Wagenbach spricht über seine Erfahrungen mit der RAF, ihre Sympathisanten und die deutsche Hysterie. (tagesspiegel, 18.10.07)

    RAF. Diese ganze Kriegsscheiße. Wie war das noch mit dem Establishment in der alten BRD? Die Auseinandersetzung um die RAF und den Deutschen Herbst hat mehr als eine kriminalistische Debatte verdient. VON ANDREAS FANIZADEH (taz, 12.10.07).

    Wolfgang Kraushaar rezensiert: Willi Winkler: "Die Geschichte der RAF" ist bei Rowohlt erschienen, 527 Seiten, 22,90 Euro.(Die Welt, 30.9.07).
    30 Jahre nach dem "Deutschen Herbst" bestimmt die RAF wieder die Schlagzeilen. Ein Gespräch mit Willi Winkler, dessen "Geschichte der RAF" am 21. September erschienen ist (TP, 18.9.07).
    Der Autor Willi Winkler im taz-Interview über die Medieninszenierung, die Motivation und den Antisemitismus der Roten Armee Fraktion - und darüber, wie sie rückblickend gerne falsch interpretiert wird  (taz, 18.10.07).

    Terror als Frauenpower. Das Private ist immer politisch, so Ulrike Meinhof. Das wollten die RAF-Frauen in die Tat umsetzen VON KATRIN HENTSCHEL (taz 31.8.07). KATRIN HENTSCHEL, Theaterregisseurin, wurde 1967 in Berlin/Hauptstadt der DDR geboren. Im Mai 2007 brachte sie das Stück "TERRORISTINNEN - BAGDAD 77" am Theater Freiburg auf die Bühne

    Gewalt als Kult. High sein, frei sein, Terror muss dabei sein. VON ARNO WIDMANN (FR, 4.9.07): Die damalige Begeisterung über die Django-Filme ist heute kaum noch nachzuvollziehen. Man muss sich klarmachen, wie sehr junge Männer und - deutlich weniger - junge Frauen in Westeuropa sich danach sehnten, mit einem Revolver, ein paar Bomben dem Bösen den Garaus zu machen. Wie schnell sie dabei selbst zu den Bösen wurden, das sahen sie nicht. Auch die Zeile "High sein, frei sein, Terror muss dabei sein" begann ihre Karriere als frecher Spruch, der vor allem ironisch gemeint war, bis er umschlug in buchstabengetreuen, wahnhaften, blutigen Ernst.


    Tage des Schreckens. Es war eine Zeit, die unruhig war und seltsam. Eine Zeit, die merkwürdige Worte gebar, die man bis dahin kaum gehört hatte: der Herbst 1977. Ein Polizist und ein Ex-Terrorist blicken zurück. Von Stefan Klein (SZ, 2.9.07). Klaus Jünschke: "Wir waren in einem Milieu, wo die weltrevolutionäre Gesinnung blind gemacht hat für die realen Verhältnisse."
    Ferdinand Schmitt, Polizeibeamter aus Erftstadt, 20 km westlich von Köln, fand das Schleyer-"Volksgefängnis" im Ortsteil Liblar. Adresse Zum Renngraben 8, 16 Stockwerke, in jedem Stockwerk acht Wohnungen, im dritten Stock, links vom Aufzug, in der Drei-Zimmer-Wohnung mit der Nummer 104. Die war ein paar Wochen zuvor von einer Frau namens Annerose Lottmann-Bücklers gemietet worden. Sie hatte die Kaution gleich bar bezahlen wollen und war dabei durch ein dickes Geldbündel in der Handtasche aufgefallen. Es hätte Schleyers Leben retten können. Wäre der Name Annerose Lottmann-Bücklers in einen von Herolds Computern eingespeist worden, es hätten sich eine ganze Reihe von Verknüpfungspunkten mit der RAF ergeben. Doch das Fernschreiben mit dem entscheidenden Tipp für die Schleyer-Sonderkommission ging im Chaos des Fahndungswirbels verloren. Man muss sich das vorstellen: Schmitt und Kollegen standen gewissermaßen vor dem Versteck von Deutschlands meistgesuchtem Mann, aber niemand wollte es wissen. Einmal, sagt Schmitt, sei er als Zeitschriftenwerber verkleidet in den dritten Stock gefahren und hätte an der Wohnung 104 geklingelt. Man weiß aus dem Buch von Stefan Aust zum "Baader-Meinhof-Komplex", was danach hinter der Tür passierte: Der Terrorist Peter-Jürgen Boock "griff zur Maschinenpistole und spannte sie, um Schleyer deutlich zu machen, dass er sich völlig still zu verhalten habe. Der Entführte begriff den Ernst der Lage und rührte sich nicht. Die Schritte draußen entfernten sich wieder."
    Isolationshaft ist kein Mythos. Von Christiane Ensslin und Klaus Jünschke (Neue Rheinische Zeitung, 10.9.07).
    Anders als Jean-Paul Sartre und andere Intellektuelle wollte er sich nicht vor den Karren der RAF spannen lassen: Der Psychoanalytiker Erich Fromm. VON JAN FEDDERSEN (taz, 9.9.07).

    Giovanni di Lorenzo im Gespräch mit Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt über die RAF: Ich habe den Verdacht, dass sich alle Terrorismen, egal, ob die deutsche RAF, die italienischen Brigate Rosse, die Franzosen, Iren, Spanier oder Araber, in ihrer Menschenverachtung wenig nehmen. Sie werden übertroffen von bestimmten Formen von Staatsterrorismus. (Zeit, 30.8.07).

    Wir haben überreagiert. Gerhart-Rudolf Baum, Ex-Innenminister und linker Liberaler, über seinen Kampf gegen die RAF und die schwierige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Interview mit Damir Fras und Holger Schmale. (Berliner Zeitung, Magazin, 1.9.07). Für Baum ist "die 68er-Bewegung... die wichtigste Reformphase der Republik".
    "Es ist schon merkwürdig. Man hätte sich einen Terrorismus in der Zeit einer konservativen Regierung eher vorstellen können. Die sozialliberale Regierung hat seit 1969 durchgreifende Reformen an Staat und Gesellschaft nach Willy Brandts Motto "Mehr Demokratie wagen" durchgeführt. Die RAF war die Schattenseite des Lichts der damaligen Aufbruchstimmung, oder ein Zerfallsprodukt der Protestbewegung. Das ist klar...Die RAF hat der Reformbewegung geschadet. Sie hat sie diskreditiert. Sie hat den Staat hässlich gemacht. Ich habe damals immer gesagt: Die RAF bringt es fertig, den Staat so hässlich zu machen, wie er nie sein wollte. Die Realität näherte sich dem Feindbild der RAF an, weil der Staat so überreagiert hat. Die RAF bekämpfte, ohne zu differenzieren, das verhasste System."

    Am 5. September 1977 begann der "Deutsche Herbst". Aus der RAF-Auseinandersetzung könnten Lehren gezogen werden, doch Rachsucht sei stärker, so die Grüne Antje Vollmer. (taz, 31.8.07): "Bei den konservativen Zeitgenossen von damals geht es um mehr. Sie hatten sich gegenüber der Linken damals so in der Defensive gefühlt, dass sie immer noch fordern: Die sollen nun endlich mal im Staube ihre Sünden bekennen. Sie sollen in der RAF-Debatte die Reue zeigen, die sie umgekehrt von der NS-Tätergeneration erwartet haben!".
    Was ist zwischen dem alten (linken) und dem neuen (islamischen) Terrorismus ähnlich?
    "Die Söhne nobler Familien, hochintelligent und gut ausgebildet, reagieren auf die Bigotterie ihrer jeweiligen Führungsschicht. Auf ganz ähnliche Weise wie die RAF reklamieren sie die heiligste Mission für sich und kreieren auf diese Weise ihren Mythos. Deshalb kommt es vor allem darauf an, den Mythos zu demontieren, der die Sympathisanten mobilisiert. Diese Auseinandersetzung kann aber wirksam nur aus der eigenen Gesellschaft kommen, von den eigenen Intellektuellen, von den Frauen etc. Einfach nur den Außendruck und dazu rein militärisch zu erhöhen, macht eine innergesellschaftliche Auseinandersetzung unmöglich."

    Pascal Beucker: Immer gut zu verkaufen: Baader, Ensslin und die RAF überhaupt. (taz, 15.9.07). Geschäfte mit dem Terror - In Köln versuchten Wolfgang Kraushaar, Gerhart Baum und Jan Philipp Reemtsma eine "Revision des linken Terrorismus". Hätte spannend sein können - wurde eine Verkaufsveranstaltung. Im Laufe des Abends konnte man das Gefühl bekommen, sich auf einer Verkaufsveranstaltung für das von Kraushaar herausgegebene zweibändige 1.415-Seiten-Epos "Die RAF und der linke Terrorismus" (78 Euro) zu befinden.

    Rüdiger Safranski: 68 war für mich ganz stark eine romantische Bewegung. Bis hin zur RAF. Die beschrieb in ihren internen Zirkularen im Anschluss an Melvilles Roman ihren Kampf als den gegen den weißen Wal. Diese Art, das politische Geschehen zu überblenden mit literarischen Bildern und so dem politischen Geschäft eine tiefere Bedeutung zu geben, die hat Novalis so beschrieben: "Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es." (FR, 17.9.0).
    Micha Hilgers: RAF, Nazis, Al Kaida -
    Die Radikalisierung des Gewissens. Die RAF trat in Sprache, interner Kommunikation und Handlung die unbewusste Nachfolge von Eltern und Großeltern an....Die Auflösung der Person im Kollektiv ist ein totalitärer Gedanke an sich: Weil individuelle Existenz keinerlei Wert an sich hat, muss sich das Individuum dem Kollektiv, dessen unselbstständiger (Körper-)Teil es ist, unterwerfen. Deshalb kann das Kollektiv konsequenterweise auch über seine Mitglieder absolut verfügen - um so mehr jedoch über Leben und Tod seiner vermeintlichen Feinde. (FR, 18.9.07).
    "Buongiorno, notte - Der Fall Aldo Moro"
    . Regie: Marco Bellocchio. Mit Maya Sansa, Luigi Lo Cascio u. a. Italien 2003, 106 Min. (taz 14.6.07).
    Die Dreharbeiten zur neuen Bernd Eichinger-Produktion "Der Baader Meinhof Komplex" haben begonnen. Der Film behandelt den den Terrorismus in Deutschland von 1967 bis 1977.(FR, 9.8.07).
    Moritz Bleibtreu spielt Andreas Baader und Martina Gedeck Ulrike Meinhof, Nina Hoss Gudrun Ensslin. In Berlin wird «Der Baader Meinhof Komplex» verfilmt. Dabei kommt es zu Tumulten vor der Deutschen Oper. (Netzeitung, 12.8.07).
    Peter-Jürgen Boock schreibt Drehbuch für RAF-Film. In dem Streifen „Schattenwelt“ geht es um einen RAFler, der nach mehr als 20 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird und auf eine Angehörige eines seiner Opfer trifft. (focus, 10.9.07).
    Mitschnitte des RAF-Prozesses in Stammheim aufgetaucht. (Spiegel, 30.7.07).
    Gerd Koenen dazu: Was beim Anhören der unerwartet aufgefundenen Stammheim-Bänder am stärksten frappiert, ist die bei allen Angeklagten ziemlich gleich temperierte Tonlage. (Spiegel, 1.8.07). 
    Die FAZ vom 1.8.07 erkennt aus den Bändern, dass Ulrike Meinhof sich ins RAF-Abseits begeben hatte:  Die schlichte Wahrheit indes ist, dass in der RAF kein Platz mehr für Ulrike Meinhof war.
    Elfriede Jelinek:
    "Ulrike Maria Stuart" aufgeführt im Hamburger Thalia-Theater. Die Angst vor dem Ende des Aufstands. Kampf der Frauen um Macht und Männer. (taz, 31.10.06). "Wir haben uns noch eingebildet, etwas hätte einen Sinn." Heiterer Abgesang auf die radikale Linke. (spiegel, 29.10.06). Ulrike Meinhof/Maria Stuart und Gudrun Ensslin/Elisabeth fechten einen Zweikampf aus. Jelinek schaffe aus der Sprache Schillers, zeitgeschichtlichen Anspielungen und Zitaten aus der Zeit des „Deutschen Herbstes“ ein sprachlich dichtes Geflecht, in dem sich Erotik und Politik durchdringen, teilte das Theater mit. Auf erschreckende Weise, aber auch komisch bis ins Groteske, ringen die Rivalinnen um die Macht und den Geliebten Andreas Baader/Leicester, bis sie, wie Elfriede Jelinek schreibt, „mit sich selber den Boden aufwischen, auf dem sie nicht stehen können, denn sogar der ist ja schief, sie krallen sich an, fallen aber doch immer wieder runter und werden im Lauf der Handlung nicht reiner, sondern dreckiger.“ (Focus, 27.10.06).
    Nachtrag zur RAF-Debatte: 

    Nach einem Vierteljahrhundert hinter Gittern sind die ersten Schritte "draußen" gar nicht so einfach. Schon gar nicht für Brigitte Mohnhaupt (vormals RAF). Damit die ehemalige Top-Terroristin nicht gleich wieder in alte Verhaltensmuster verfällt und etwa den erstbesten Arbeitgeberpräsidenten wegbratzt, der ihr über den Weg läuft, stellt ihr Vater Staat zwei geschulte Resozialarbeiter an die Seite: Die Rückkehr der Brigitte M. (Teil I, Teil II, Teil III).
    KLAUS WALTER: Gewalt liegt in der Luft. 30 Jahre nach den Kugeln auf Siegfried Buback: Rekonstruktion, Erinnerung, Re-Lektüre. Was ist aus dem Cultural Gap geworden, der die damalige Revolte ermöglichte? Vor welchem Erfahrungshorizont wird heute über die RAF gesprochen? (taz, 7.4.07).
    Christian Schneider:
    Wie wurde aus dem Traum der Befreiung der Alptraum des Terrorismus? Was bewegt Peymann? (taz, 31.3.07).
    Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, hat dem Ex-RAF-Terroristen Christian Klar einen Praktikumsplatz angeboten. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt er, warum er die RAF-Terroristen nicht mit "gewöhnlichen Mördern" gleichstellt. (Spiegel, 13.3.07).
    Rainer Langhans
    : Mohnhaupt in die Talkshow... Wir haben den Nationalsozialismus weiß Gott nicht bewältigt. Deswegen kommt auch immer wieder der rechtsradikale Kram hoch... Die Kommune hat gewonnen. Die Politischen, zu denen auch die RAF gehörte, obwohl sie aus der Kommune hervorkam, haben verloren – auf der ganzen Linie. (netzeitung, 30.3.07).
    Wolfgang Kaushaar:
    Die RAF ist ohne die 68er-Bewegung nicht denkbar. Sie ist zweifelsohne ihr Kind, aber für die meisten ihrer Eltern ein ungewolltes, ein Unfall sozusagen. Andererseits waren es ja nicht zentrale Figuren der 68er-Bewegung, die die RAF begründet haben. Das Gründerquartett setzte sich zusammen aus dem APO-Anwalt Horst Mahler, der Konkret-Kolumnistin Ulrike Meinhof, der Randfigur Andreas Baader, der ein Satellit der Kommune 1 war, und Gudrun Ensslin, die zunächst nur eine Mitläuferin war. Anders war das bei der ersten Gruppe, die in den Untergrund ging, den "Tupamaros West-Berlin": Diese Gruppe ist - ein halbes Jahr vor der RAF - aus zwei Restkommunen der 68er-Bewegung hervor gegangen. Daran sieht man die Entwicklung: Eine bestimmte Strömung hat versucht, sich im Zerfallsprozess der 68er neu zu formieren. Diesmal in Gestalt einer militanten Gruppe. (stern, 21.3.07).
    Stern-Doku zur RAF.
    Pfarrer Siegfried Fleiner: Eine Ideologie kann man im Gefängnis nicht bereuen (taz, 23.3.07).
    Der Ex-RAFler Werner Lotze lehnte es ab, sich mit den Angehörigen des Polizisten in Verbindung zu setzen, den er erschossen hat. Begründung: Der Tote steht dadurch ja nicht wieder auf. (SZ, 26.3.07).
    In der Süddeutschen Zeitung hat Gefängnisdirektor Wolfgang Deuschl Mohnhaupt als "ruhigen, selbstbewussten und hilfsbereiten Menschen" charakterisiert. Sie vertrete "schon längst nicht mehr ihre früheren Überzeugungen" und sei "keinesfalls eine Hardlinerin". (SZ, 26.3.07).
    Therapiegruppe für RAF-Terroristen. Karl-Heinz Dellwo erklärt, es habe in der RAF keine Freundschaften gegeben. Im Leben nach der RAF erst recht nicht. (SZ, 10.3.07). Dieser Tage nun erscheint ein Buch, in dem die Teilnehmer dieser Wochenenden die sieben Jahre in Erinnerungstexten reflektieren, ein Buch, das einen beim Lesen überrascht, ja überrumpelt ("Nach dem bewaffneten Kampf ", Psychosozial-Verlag Gießen, 224 Seiten, 29,90 Euro).
    Daniel Bax (taz, 10.3.07): Haben Altachtundsechziger und Exlinke wirklich aus ihren Fehlern gelernt?  Das Versagen, auf den Islamismus und den "Krieg gegen den Terror" keine angemessene Antwort zu finden, zeigt sich nicht nur auf der Ebene der Politik. Noch auffälliger ist das Schweigen führender Intellektueller aus der 68er-Generation zu diesem Thema. Welcher Schriftsteller wird in Zukunft wohl einmal den Roman über die Verführbarkeit junger Männer durch Terror und islamistische Gewaltideologien schreiben?
    Christian Schneider (taz, 21.2.07): Solange die RAFler sich dahinter verschanzen, die Mordtat sei konsensuell geschehen, insofern auch gleichgültig, wer sie ausgeführt habe, verbleiben sie in der falschen Welt des Gruppenzwangs im Namen moralischer Überlegenheit. Sie degradieren sich damit zugleich zu Exekutoren, ausführenden Organen. Nur wer "Ich" sagt, ist in der Lage, Schuld anzuerkennen.
    Hinter den Anschlägen und Morden der RAF steht nichts „außer Größenwahn und Lust an der Gewalttat“, meint Jan Philipp Reemtsma. (focus, 20.2.07).
    Klaus Walter (taz, 20.2.07): Vergessen wird, dass die RAF-Täter Teil "unserer" Szene war. Mit uns auf der Straße, in der Kneipe, im Bett. So wenig, wie der Nationalsozialismus das Werk eines einhodigen gescheiterten Künstlers und seiner Jünger war, so wenig war der Terror der RAF das Werk eines vermutlich dreihodigen Alain-Delon-Darstellers und seiner Jüngerinnen. Wie die Kultur-BoBos ihre Schwäche für den Radical Chic der Baader-Meinhof-Gang, so verdrängen viele Exlinke ihre frühere Nähe zu den heute Geächteten. Das gilt auch für Leute wie Gerd Koenen und Wolfgang Kraushaar, die sich als Chronisten des "roten Jahrzehnts" (Koenen) mit dicken Büchern in den Rang neutraler Sachverständiger schreiben. Gerd Koenen kämpft bis in die 80er im Kommunistischen Bund Westdeutschlands - bei dem, im Gegensatz zur RAF, Frauen übrigens keine Rolle spielten - für die Diktatur des Proletariats. Kraushaar ist 1974/75 Vorsitzender des Frankfurter Asta, damals das logistische Zentrum der Spontibewegung. Hier werden RAF-Hungerstreiks unterstützt und nach dem Hungertod von Holger Meins im November 1974 Demonstrationen organisiert. Exlinke, die die RAF verbal pathologisieren, betreiben Geschichtsklitterung. Und sie tun so, als hätte es keine Gründe gegeben, die Höfers, Filbingers und Schleyers zu bekämpfen. Allerdings nicht mit den Mitteln der RAF. Die hat dafür gesorgt, dass Schleyer als Opfer in die Geschichte eingeht. Und nicht als Täter, von dessen Opfern keiner mehr spricht.
    Brigitte Mohnhaupt: Zum Seelsorger statt zur Stadtguerilla. (taz, 14.2.07).
    Andres Veiel: Die RAF-Terroristen waren nicht Hitlers Kinder, sondern die Kinder derer, die nicht den Mut zum Widerstand aufbrachten. (tagesspiegel, 5.9.07).
    Wolfgang Kraushaar (spiegel, 5.9.07): Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts lösten sich wie von einer Geisterhand geführt auch die letzten Überbleibsel des Linksterrorismus auf. Kulturell wirkt die RAF weiter. In Filmen wie Christopher Roths "Baader", in Theaterstücken wie Elfriede Jelineks "Ulrike Marie Stuart" oder in Sequenzen wie Gerhard Richters "Stammheim"-Bilderzyklus entsteigen ihre Zentralfiguren noch einmal der Gruft, um das Publikum ein wenig zu erschrecken. Während sich ein Autor nach dem anderen an den Ikonen Andreas Baader oder Ulrike Meinhof abarbeitet, bleibt (der einzig überlebende RAF-Mitbegründer und heutige Rechtsextremist) Horst Mahler zumeist außen vor. Dabei steht Mahler wie kein anderer für das, was an der RAF möglicherweise so typisch deutsch gewesen ist und was nach wie vor so wenig verstanden wird: ihren als Internationalismus ausgegebenen Antiamerikanismus, ihren als Antifaschismus verbrämten Antizionismus und ihre aus angeblicher Freundschaft mit den Palästinensern begründete Feindschaft gegenüber Israel.
    Heute vor 30 Jahren entführte die RAF Hanns Martin Schleyer. (Spiegel, 5.9.07).
    Renée Zucker (taz, 24.1.07): Und doch hätte jeder, den ich damals kannte, Terrorist werden können. So wie auch jeder depressiv oder schizophren hätte werden können. Wir waren ja alle demonstrativ unverklemmt, besserwisserisch, selbstgefällig, arrogant und egozentrisch.
    Schleyer - die ideale Geisel? Zum einen war Schleyer formell der wichtigste Repräsentant der deutschen Wirtschaft: Zum anderen war er SS-Offizier, und er hatte diese Vergangenheit auch nie abgestritten, keine Reue gezeigt. Im Gegenteil, es gab diese Home-Story im "Stern", unter dem Titel "Boss der Bosse", in der Schleyer sehr nonchalant die Haltung vertrat: Was passiert ist, ist passiert, und ich habe da nichts zu entschuldigen. Diese Geschichte war eigentlich der Katalysator für die Entführung. (Spiegel, 6.9.07). Schleyer-Biograf Lutz Hachmeister: Man kann schon sagen, dass es diese Generation, die Generation Schleyers, versäumt hat, frühzeitig offener mit ihrer eigenen Geschichte umzugehen. Im Grunde kann man sagen, dass der Entspannungspolitik im Äußeren lange Zeit keine Entspannungspolitik im Inneren gefolgt ist.
     Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof haben angeblich am 14. Mai 1970 den Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger um Unterschlupf gebeten. (focus, 26.11.06).

    13 Jahre lebte Magdalena Kopp an der Seite von Iljitsch Ramírez Sánchez alias Carlos, einst der meistgesuchte selbsternannte Guerrillero der Welt. Jetzt ist ihr Buch erschienen: Magdalena Kopp: Die Terrorjahre. Mein Leben an der Seite von Carlos. Deutsche Verlags-Anstalt; 320 Seiten; 19,95 Euro. (Welt, 2.9.07).
    Mariam Lau: Die Mythenreste der Rote Armee Fraktion (Welt, 30.1.07).