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Gewalt
und Antisemitismus
Dutschke, SDS, RAF und Tupamaros
Kaum haben wir geglaubt, niemand
würde sich mehr für die Geschichte von 68 interessieren, erscheinen
plötzlich diverse Bücher und das Thema wird erneut in den Medien
präsentiert. Die stärkste Resonanz muss dabei Wolfgang Kraushaar
zugebilligt werden. Nachdem für Wolfgang Kraushaar die
Beschäftigung mit Frankfurt/M erschöpft scheint, wendet er sich nun
vermehrt den 68er Ereignissen in Berlin zu und er hat Erfolg. Die
Medien greifen zu, denn er weiß, wie man Aufsehen erregen kann. Seit
dem 11. September 2001 ist die Welt besonders sensibilisiert, wenn es
um Terror und Antisemitismus geht. Um mit 68 weiter reüssieren zu
können, benötigt der Historiker heute die prickelnde Beigabe der
Gewalt und des Judenhasses. Als es um die RAF-Ausstellung
im Frühjahr 2005 in Berlin ging, meldet sich
Kraushaar zu Wort, denn er hat erkannt, dass "der
Terrorismus seine wohl stärksten semantischen Aufladungen durch die
Anschläge des 11. September 2001 und die von der US-Regierung als 'Krieg
gegen den internationalen Terrorismus' angekündigten Reaktionen
erhalten hat". Flugs verkündet er, es gäbe "weiße Flecken in
der Geschichte des bundesdeutschen Terrorismus" und woher, so
fragt er sich, "rührt eigentlich die posthume Popularität von
Terroristen?" Er entdeckt "die schier unermüdliche Gier,
auch noch die Embleme von Terror und Tod popkulturell zu adaptieren
und auf exhibitionistische Weise zur Schau stellen zu wollen" und
zitiert dazu den Kunsthistoriker Martin Warnke: "Wie kommt es,
dass historische Episoden, die eine ganze Generation geschockt haben,
für eine spätere Generation schon Spielmaterial werden können?“
Zwei Aspekte harren seiner Meinung nach der besonderen Aufmerksamkeit:
Das subkulturelle Milieu und die Rolle der Palästinenser. Folgerichtig
verlangt er von der RAF-Ausstellung "das bislang Unsichtbare
sichtbarer zu machen - wozu die gesamte Inkubationszeit der RAF mit
ihren subkulturellen und teilweise selbst schon popkulturell
vermittelten Verflechtungen gehören würde - und die massenmedial
konditionierten Zeichen aus dem Vordergrund zu drängen". Ob er
mit dem Ergebnis der Ausstellung in dieser Beziehung zufrieden war,
bleibt offen, nicht zufrieden wird er sein im Hinblick auf sein
zweites Anliegen: "Die Rolle der Palästinenser bei der Gründung
der RAF" und bei der "starken Ausrichtung auf israelische
bzw. jüdische Angriffsziele, die die ersten Jahre vom misslungenen
Anschlag der Tupamaros West-Berlin auf die dortige Jüdische Gemeinde
bis zur nachträglichen Billigung des Olympia-Massakers durch
Ulrike Meinhof durchzieht". (Alle
Zitate aus: Wolfgang Kraushaar, Zwischen
Popkultur, Politik und Zeitgeschichte. Von der Schwierigkeit, die
RAF zu historisieren..) Bevor sich Kraushaar
jedoch intensiver mit diesen beiden Aspekten beschäftigt, verfolgt er
eine für ihn noch grundlegendere Frage: Wie kam überhaupt die Gewalt
in die linke Debatte? Seine Antwort: Rudi Dutschke war's ( In:
Kraushaar, Reemtsma, Wieland, Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF,
Hamburger Edition, Hamburg 2005,
143 Seiten, 12 Euro). Dazu: THOMAS MEDICUS in der FR vom
28.1.05: Machterfahrung
Gewalt.
Das gleiche behauptet auch Gerd Langguth:
Rudi
Dutschke stand für Gewalt (tgsp.26.1.05).
Kritik an Langguth von Stefan
Reinicke in der taz vom 24.12.04: Kein
Dämon, kein Heiliger : "Dutschke hatte, wie alle
Zeitgenossen bestätigen, kein Talent zum Hassen. Schon das lässt
ihn als geheimen Spiritus Rector der RAF untauglich erscheinen."
Besprechungen zu Gerd Langguth:
"Mythos
`68.
Die Gewaltphilosophie von
Rudi Dutschke - Ursachen und Folgen der
Studentenbewegung"
von Peter Mosler (2002)
und
von Bernd
Rabehl: Maskerade
und Wirklichkeit. Rabehls Kernsatz: "Langguth
kann belegen, daß Dutschke die Gewalt als Gegengewalt zur staatlichen
Ordnung ausdrücklich akzeptierte." Er
wollte aber persönlich kein
Commandante werden, wollte in die USA
auswandern und empfahl als Strategie den "langen Marsch durch
die Institutionen": "Die Studenten als Bürger
sollten ihr Studium abschließen und ihren Beruf aufnehmen, dort
jedoch im Sinne der demokratischen Umwälzung tätig werden und
verbunden bleiben mit dem großen Werk der Demokratisierung
Deutschlands. Das war der wirkliche Gehalt des "langen Marsches
durch die Institutionen", ein Prozeß der Veränderung, der bewußt
nicht mit "Bürgerkrieg" gleichgesetzt wurde."
(Zu Aktivitäten Bernd
Rabehls nach 2000 und seit 2003). Wichtig:
Subjektiver
Faktor - Zur Offensivtheorie von Rudi
Dutschke, Vortrag von Bernd Rabehl in Bad Boll, 6. 2. 1998
Wolfgang Kraushaar
fasst 2008 nochmals zusammen:
Achtundsechzig
und die Anfänge des westdeutschen Terrorismus
(in: Einsichten und Perspektiven 01/2008 (Bayrische Landeszentrale für
politische Bildung.)
Bis vor ein paar Jahren herrschte jedenfalls die Überzeugung vor, dass
die westdeutsche Adaption einer Form der Stadtguerilla ein Produkt der
auseinanderfallenden Studentenbewegung gewesen sei. Inzwischen hat sich
jedoch die Einschätzung durchzusetzen begonnen, dass dieser Schritt
weitaus früher anzusetzen ist und bis in die Vorzeit der
Studentenbewegung reicht....
Im Frühjahr 1970 gab es zwischen den beiden rivalisierenden Strömungen
um Horst Mahler und Dieter Kunzelmann
regelrechte Kooptierungsversuche: ‚Wer schluckt wen? Die
Tupamaros West-Berlin die sich formierende
Rote Armee Fraktion oder umgekehrt?’
Während die RAF nicht nur in ihrer Gründerzeit eine
relativ festgefügte, hierarchisch gegliederte Organisationsstruktur
aufwies, war die Bewegung 2. Juni eher eine
Sammelbezeichnung für unterschiedliche Konglomerationen und sich
untereinander verschiebender Aggregatzustände, die mal als „Wieland-Kommune”,
mal als „Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen”
und mal als „Berliner Blues” bezeichnet wurden. (Kommentar
des Webmasters:
Kraushaar
kann oder will nicht verstehen, dass "Bewegung
2. Juni" erst zwei Jahre
nach dem Ableben des "Zentralrats"
gegründet wurde und keineswegs personell identisch war, und die
Wielandkommune
überhaupt keine kohärente Gruppe war, da ihre Mitglieder fast monatlich
wechselten. "Berliner Blues"
war eine Bezeichnung für die undogmatisch-militante Bewegung um 1969/70.)...
Mit einer Adaption von Che Guevaras Focus-Theorie, die Rudi
Dutschke im Anschluss an die illegale Plakataktion „Amis raus
aus Vietnam” propagierte, zielte er, wie seine im Nachlass aufgefundenen
Notizen belegen, bereits im Februar 1966 auf den Aufbau einer
spezifischen Form einer städtischen Guerilla.... Auch wenn diese
Adaption der Guerilla-Idee nicht mit der späteren RAF in eins gesetzt
werden darf, so ist ihre Propagierung der vermutlich wichtigste Hinweis
darauf, dass sie aus dem Zentrum der 68er-Bewegung, der antiautoritären
Fraktion im SDS, stammte, der in den siebziger Jahren eine praktizierte
Form der Stadtguerilla folgen sollte.... Deutlicher wird der
Zusammenhang zwischen der 68er-Bewegung und dem Projekt „Stadtguerilla“,
wenn man sich der ersten Gruppierung zuwendet, die im Herbst 1969 in den
Untergrund gegangen ist,... die aus der Bewegung der „Haschrebellen“
hervorgegangenen Tupamaros, genauer die Tupamaros
West-Berlin (TW) und die
Tupamaros München (TM).... Die Köpfe
dieser beiden ersten terroristischen Organisationen waren mit
Dieter Kunzelmann und Fritz Teufel zwei der
drei führenden Angehörigen der Kommune I....
Die mit Abstand wichtigste Person für die Gründung der RAF war
Horst Mahler.... Im September 1969 flog er nach
London, um dort Rudi Dutschke dazu zu überreden, eine
bewaffnete Organisation mit aufzubauen. Dieser lehnte jedoch ab. Ab
November hielt er engsten Kontakt mit den bereits im Untergrund
befindlichen Tupamaros um Dieter
Kunzelmann und Georg von Rauch.... Die
Wurzel des bundesdeutschen Terrorismus lag, woran es inzwischen kaum
noch einen Zweifel geben kann, in einer kleinen avantgardistischen
Gruppierung - der aus München-Schwabing stammenden
Subversiven Aktion ((Zwei ihrer Mitglieder: Rudi
Dutschke und Dieter Kunzelmann)). Bei deren
berühmten Treffen am bayerischen Kochelsee im Juni 1966 war es um zwei
Seiten gegangen: Nach innen sollte die bürgerliche Familie destruiert
werden, um die erneute Herausbildung eines autoritären
Gesellschaftssystems zu verhindern, und an deren Stelle eine neue
Sozialform zu etablieren – die Kommune. Nach außen sollte der
Imperialismus zerstört werden, um an dessen Stelle ein sozialistisches
System zu etablieren - durch die Guerilla.... Auch der
Bonner Prof Gerd Langguth legt nochmal nach:
Propaganda der Tat. (FAZ, 14.11.2006).
Wer war Rudi Dutschke? Er wollte Revolution....
Dutschkes gewaltbereite revolutionäre Strategie war nicht
identisch mit der Theorie der späteren RAF. Diese mußte
vielmehr nach seiner Ansicht scheitern, weil sie den militärischen Kampf
mit den „Herrschenden“ suchte und eben nicht die
Stadtguerrilla-Strategie eingeschlagen hatte.... Als Revolutionär
„wollte er Gewalt als Mittel der Systemveränderung nicht ausschließen,
sondern mußte sich letztendlich ein für die jeweilige Situation
angemessenes positives Verhältnis zur Gewalt bewahren“ (so
die Dutschke-Biografin Michaela Karl).
Rudi Dutschke am 13. Februar 1966: „Der Kampf der
Vietcong oder der MIR in Peru sind unsere
Kämpfe, müssen bei uns tatsächlich über rationale Diskussion und
prinzipiell illegale Demonstrationen und Aktionen in bewußte Einsicht
umfunktionalisiert werden - eine riesige, fast unlösbare Aufgabe.“
Dutschke plädierte an diesem Tag unter dem Titel
„Fokustheorie in der dritten Welt und ihre Neubestimmung in den
Metropolen“ für die Übertragung von Che Guevaras
Guerrilla-Theorie auf die Verhältnisse in Deutschland, vor allem in
West-Berlin. Als „das schwächste Glied“, von dem aus mit dem „langen
Marsch durch die Institutionen“ begonnen werden sollte, machte er die
Universität aus. Sie bildete für ihn einen „Fokus“, von dem aus
„kleinste homogene Guerrilla-Einheiten“ ihren Ausgang nähmen, die in
einem langen Prozeß die „Aufstandsphase der Revolution“ einleiteten.
Dafür sollte ein „urbaner militärischer Apparat“ aufgebaut werden,
bestehend aus Parallelorganisationen der „Selbstverteidigung“ und
sogenannten „T.u.Son.-Gruppen“. Mit ihnen sollte irgendwann zur
„Konteroffensive“ übergegangen werden. Was sich hinter den Buchstaben „T.u.Son.“
verbirgt, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Dutschkes ehemaliger
Weggefährte Bernd Rabehl fragt sich heute allerdings,
ob die Abkürzungen „T.“ und „Son.“ nicht für „Terror“ oder „Technik“ und
für „Sondergruppen“ oder „Sondierungsgruppen“ standen. Im September des
folgenden Jahres warfen Dutschke und
Hans-Jürgen Krahl auf der Bundesdelegiertenkonferenz des
SDS in Frankfurt die sogenannte „Organisationsfrage“
auf.... Dutschke und Krahl riefen die
SDS-Mitglieder dazu auf, sich als „Sabotage- und
Verweigerungsguerrilla“ zu formieren: "Die ,Propaganda der Schüsse' (Che)
in der ,dritten Welt' muß durch die ,Propaganda der Tat' in den
Metropolen vervollständigt werden, welche eine Urbanisierung ruraler
Guerrilla-Tätigkeit geschichtlich möglich macht. Der städtische
Guerrillero ist der Organisator schlechthinniger Irregularität als
Destruktion des Systems der repressiven Institutionen.“ Noch vor dem „Vietnam-Kongreß“
vom 17./18. Februar 1968 propagierte Dutschke einen
„europäischen Cong“. In den Niederlanden hatte er von
einem bewaffneten Kampf gegen die „schreckliche Kriegsmaschine“ der
Vereinigten Staaten und von „Angriffen gegen Nato-Schiffe“ gesprochen.
Dutschke dachte an Kleingruppen von jeweils vier bis
sechs Stadtguerrilleros, die eine Doppelexistenz führen sollten - wie
später die sogenannten „Feierabend-Terroristen“, darunter die „Revolutionären
Zellen“. Nach Rabehls Darstellung „näherte“
sich Dutschke damals Überlegungen, den bewaffneten
Kampf gegen den Militärapparat der Vereinigten Staaten aufzunehmen....
Im Frühjahr 1968 bildete sich eine Gruppe um Dutschke,
zu der auch der spätere Terrorist Georg von Rauch
gehörte und die innerhalb des SDS nicht offen auftrat.... Die Ehefrau
Dutschkes, Gretchen Dutschke, gab in
ihrer 1996 erschienenen Biographie weitere interessante Details über das
Verhältnis ihres Mannes zur Gewalt preis: So habe Anfang des Jahres 1968
Rudi Dutschke auch daran gedacht, „in verschiedenen
europäischen Städten Arbeitergruppen zu unterstützen, die sogenannte
,Sabotage-Akte' durchführen sollten, sofern dies möglich und sinnvoll
erschien“. Aus den Notizen aus dem Nachlaß von Dutschke
ist zu ersehen, daß im Zusammenhang mit dem „Vietnam-Kongreß“ im Jahr
1968 die „Sabotage-Akte, von denen Rudi sprach“, sich
„gegen Transport, Telekommunikation, Hafen und Eisenbahn richten
sollten“. Aus dem SDS und aus den mit ihm
sympathisierenden Gruppen sollte eine 80 Mann starke Gruppe rekrutiert
werden, die den illegalen Teil der Organisation bilden sollte.... In
diesem Zusammenhang interessant ist Dutschkes Beziehung
zu dem linksradikalen italienischen Verleger und Millionär
Giangiacomo Feltrinelli. Mit dem Geld, das dieser zur Verfügung
stellte, wurde 1967/68 unter anderem das „Internationale
Nachrichten- und Forschungsinstitut (Infi)“ aufgebaut. In den
Augen der vermeintlichen Revolutionäre war das Institut eine Zentrale
für die Kombination legaler und illegaler Arbeit und sollte die
Illegalität kleiner Gruppen ermöglichen. Dutschke
wollte mit Feltrinelli mit Dynamit ein Schiff mit
Kriegsmaterial für den Vietnamkrieg in die Luft sprengen. Das Vorhaben
wurde aber wieder aufgegeben, weil das Risiko zu groß war, daß Personen
bei dem Anschlag zu Schaden kämen.... Anfang 1968, kurz vor dem
Attentat, dessen Folgen er elf Jahre später erlag, antwortete
Dutschke auf die Frage, ob er sich von Gewalt distanziere:
„Nein, aber die Höhe unserer gegenwärtigen Gewalt bestimmt sich durch
das Maß der repressiven Gewalt der Herrschenden. Wir sagen ja zu den
Aktionen der Antiautoritären, weil sie einen permanenten Lernprozeß der
an der Aktion Beteiligten darstellen.“
Kommentar des Webmasters: Langguth
fasst im Prinzip nur zusammen, das Kraushaar bereits
akribisch eruiert hatte. Im einzelnen irrt er, so z.B. ist die
Behauptung falsch, Georg von Rauch hätte Anfang 1968
zum Kreis um Dutschke gehört, die illegale Aktionen
geplant habe. Auch die Bestimmung des INFI verkennt er.
Es ist zwar wahr, wie Gerd Koenen andern Orts erwähnt,
dass das Institut zunächst als Che Guevara Institut
firmieren sollte, aber als INFI sollte es dazu dienen,
Befreiungsorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika, sowie
Widerstandsgruppen in faschistischen europäischen Staaten (Griechenland,
Spanien, Portugal) zu unterstützen. Es war keinesfalls für die
Durchführung oder Planung von Guerilla-Aktionen in Deutschland gedacht.
Bei
riolyrics.de
(Autor: Lutz, in CEE IEH, Nr.131, April 2006) findet sich noch
eine Rezension des Kraushaar-Bombenbuchs. Darin heißt
es u.a.: Georg von Rauch an seine Frau:
„Ich krieg meine Identität nur, wenn alles identisch ist, mit Menschen
und an Menschen, nicht an Problemen. Sie müßte ich meine Identität
finden können, so, wo alles drin ist, was ich mal theoretisch gemacht
hab und was ich für ne praktische Geschichte hab (...) und was ich
machen werde, ‚politisch‘ arbeiten mit identischen Leuten, mit Leuten,
mit denen ich identisch bin.“ (136-138, Fn.207) Was dieses „Loblied
auf die Identität“ letztlich gefährlich macht – und darin
gelangen die Äußerungen Kunzelmanns mit denen
von Rauchs zu ihrer inneren Einheit – ist die Konstitution und
Bewährung der eigenen Identität durch den Kampf gegen den politischen
Feind, den beide in Israel und den Juden überhaupt ausgemacht hatten. So
scheint es denn wie eine Ergänzung von Rauchs, wenn
Kunzelmann in seinem "Brief aus Amman" von der
Notwendigkeit spricht „den Feind wieder sichtbar zu machen.“ (69) In
diesem Wechselspiel, bestehend aus der Suche nach
der eigenen revolutionären Identität einerseits und der Notwendigkeit
der Feindbestimmung andererseits, bestand letztlich das
antisemitische Weltbild der Tupamaros West-Berlin um
Kunzelmann und von Rauch. Schließlich
war die Bekämpfung des Feindes als Endkampf gedacht und dieser zugleich
in Israel und den Juden identifiziert.... Bereits einige Monate vor dem
Anschlag vom 9. November 1969 reisten deren Mitglieder mit einem
Kleinbus des AStA der Technischen Universität Berlin quer durch Europa
um letztlich Jordanien zu erreichen, wo sie sich in Trainingscamps der
Al Fatah militärisch ausbilden ließen. Aus einem
undatierten Brief aus der Feder von Rauchs geht dann
auch das ganze Anliegen der Reise hervor: „Wir sind bisher nur durch die
Richtung in den Zeitungen informiert, wo stand, dass Studenten bei der
El Fatah 1. für den Kampf dort 2. die Terrorakte im
Ausland + 3. in Organisationsfragen ausgebildet werden. Für mich selbst
ist der 2. Punkt einer der wichtigsten. Anschläge wurden geplant (und
z.T. durchgeführt), die sich neben juristischen und kommerziellen erneut
gegen jüdische Institutionen wenden sollten. So wurde das Büro der
israelischen Fluglinie El Al ebenso Ziel eines
Anschlags (152), wie Kunzelmann außerdem plante, ein
Denkmal für die ermordeten Juden mit PLO-Parolen zu beschmieren. (250)
Und Georg von Rauch schließlich berichtete seinen
Genossen schon im Sommer 1970 davon, dass während der
Olympischen Spiele 1972 in München etwas passieren werde“ Hier
weitere Texte zur Debatte:
1. Klaus Meschkat gibt auf
Kraushaar eine passende Antwort: Rudi Dutschke und
die Gewalt.
(Hier ungekürzte Fassung vom 5.3.05). Zum selben Thema in "Sozialismus" Nr.
4/05:
Zu
einer weiteren Variante der Entsorgung von '68 Und in der taz vom 1.3.05: Fantasievolle
Überraschungen, sowie im Deutschlandfunk
vom 14.3.05: Rudi Dutschke als geistiger Brandstifter der RAF?
Weitere Autoren nehmen dazu in der taz Stellung:
2. Dirk Knipphals: Nach
den Projektionen (23.2.05)
3. Wolfgang Kraushaar: Der
Eskalationsstratege. Antwort auf Meschkat. (8.3.05)
4. Robert Misik: Lob
der Guerilla-Mentalität (15.3.05)
5. Arno Widmann: Auf
dem Trip namens Revolution (22.3.05)
6. Stephan Schlak: Der
Nicht-Anschlussfähige (30.3.05)
7. Christoph Bautz: Überholter
Zündstoff (5.4.05)
8. Isolde Charim: Kampf
um Sehnsüchte (13.4.05)
9. Jürgen Busche: Der
schwankende Hintergrund (26.4.05)
10. Claus Leggewie: Entmystifiziert
euch! ((3.5.05)
11. Gretchen Dutschke: Überdachte
Positionen. Erkundungen
für die Präzisierung der Gefühle rund um einen Aufstand (Nachtrag):
Rudi Dutschke dachte kurz über illegale Gewalt nach. Das basierte,
wie er aber selbst bald einsah, auf einem Irrtum. (8.8.05) Unbeirrt
von Kritik legt Kraushaar nach: In seinem im Sommer 2005 vorgelegten
Band, "Die
Bombe im Jüdischen Gemeindehaus", bringt er die seiner
Meinung nach bislang zu wenig beachteten Aspekte zusammen. Eine
subkulturell geprägte Gruppe fährt zu Arafats El Fatah, läßt sich
ausbilden und legt hinterher im Berliner Jüdischen Gemeindehaus eine
Bombe. Hauptakteur: Dieter Kunzelmann, ein alter Kumpel Rudi Dutschkes
aus der, horribile dictu, situationistischen "Subversiven Aktion"
und der "Anschlag-Gruppe". Der Kreis ist geschlossen.
Dutschke macht die Gewalt und den Terrorismus in Deutschland hoffähig
und Kunzelmann fügt das deutsche Erbe, den Antisemitismus hinzu.
Letzteres fällt auf fruchtbaren Boden, da der SDS da schon gute
Vorarbeit geleistet hat, indem er antizionistische Positionen vertrat.
Durchsetzbar wäre das ganze natürlich nicht gewesen ohne den Sumpf
der Subkultur, der Kommunen und Haschrebellen, mit der ihr immanenten
Zersetzung der Familie und des Drogenkonsums. Eine
Ahnung, dass seine Beschreibung eklektisch ist und das Ziel seiner
Arbeit schon vorab feststand (Die Bombe sei "Produkt
einer linksradikalen Subkultur", WK in faz) und die
LeserInnen ihm deshalb nicht unbedingt folgen würden, beschlich ihn
wohl selbst. Im Vorwort gibt er der Befürchtung Ausdruck, der "rote
Faden" könnte den LeserInnen verloren gehen. Obwohl ihm das
Verdienst nicht abzusprechen ist, viele bislang wenig beachtete oder
gar neue Fakten präsentiert zu haben, bleibt der "rote Faden"
künstlich. Die damalige Begeisterung in vielen linken Kreisen für El
Fatah und ähnliche Gruppen, die falsche Interpretation des Zionismus
als imperialistisches Subsystem statt als spezifische nationale
Befreiungsbewegung, die zu schwache Kritik an antisemitischen Aktionen
wie des Attentats auf das Jüdische Gemeindehaus oder später bei der
Olympiade in München, ist nicht abzuleugnen. Da Kraushaar zur
Zeit der antizionistischen SDS-Verlautbarungen selbst Mitglied in
diesem Verband war, wäre natürlich interessant zu erfahren, wie er
sich damals zu diesen Problemen gestellt hatte. Haben wir es bei seinen
jetzigen Äußerungen mit einer
überzogenen und versteckten Selbstkritik zu tun? Für
den Herbst 2005 hat sich Kraushaar eine weitere Publikation
vorgenommen, um diese Verschwörung noch tiefer auszuleuchten: Der
Berliner Blues, die Haschrebellen und die Tupamaros Westberlin.
Anschließend ist für 2006 eine mehrbändige Geschichte der RAF
geplant. Wolfgang bleibt also am Ball. Eine Kurzfassung
seines Buches veröffentlichte er in der faz am 28.6.05:
Dies ist keine Bombe. Eine
weitere Version: Die
ultimative Provokation
WOLFGANG KRAUSHAAR, taz 12.11.05 Dieser
Artikel wurde dann in der Presse diskutiert:
Karin Beindorff:
Kraushaars Methode ist primitiven Formen positivistischer
Gesellschaftsforschung entlehnt. Er isoliert die verschiedenen,
zeitlich, sachlich und logisch zusammengehörigen Faktoren des
Ereignisses, um sie dann im Sinne seiner vorgefassten Interpretation
neu zusammenzusetzen. Dabei entsteht eine Art Wolpertinger
aus ein wenig Terror, ein wenig Antisemitismus, ein wenig totalitär
links, ein wenig totalitär faschistisch. (DR, 29.8.05)
Bombe
im Bewusstsein. Kraushaars neues Buch über
linken Antisemitismus. VON HARRY NUTT. FR Erscheinungsdatum
30.06.2005.
brennpunkt 2: "Es
gab Antisemitismus bei militanten Linken". Der
Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar über Israel als Feind
subkultureller Linksradikaler und judenfeindliche Züge in der RAF. Interview
von Stefan Reinicke in taz vom 1.7.05.
Das
abgespaltene Attentat. 1969 wollten West-Berliner Linksradikale
die "Reichskristallnacht" nachinszenieren. Bislang
existierte für diese Tat kein Ort im Gedächtnis der Linken. VON STEFAN
REINECKE. (taz 1.7.05).
Der
Attentäter Albert Fichter 2004. Er war auf dem ersten RAF-Fahndungsplakat
abgebildet und floh 1969 ins Ausland. 1979 kehrte er nach Deutschland
zurück. Heute lebt er in Schweden FOTO: HIS. taz Nr. 7704 vom
1.7.2005, Seite 4, 5 Zeilen (Portrait). WOLFGANG
KRAUSHAAR arbeitet seit 1987 am Hamburger Institut für
Sozialforschung und hat sich als Chronist und Historiker der
bundesdeutschen Protestbewegungen einen Namen gemacht. Die Studie
"Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus" hat 240 Seiten,
kostet 20 Euro und erschien in diesen Tagen in der Hamburger Edition.
taz Nr. 7704 vom 1.7.2005, Seite 4, 8 Zeilen (Portrait).
Theweleit-Interview
von Peter Unfried in taz vom 2.7.05: "Wir alle diskutierten
die Stadtguerilla. Sogar jeder Schüler"
Gerd
Koenen in Berliner Zeitung vom 6.7.05: Rainer,
wenn du wüsstest! / Der Anschlag auf die Jüdische Gemeinde am
9.11.1969 ist nun aufgeklärt - fast. Was war die Rolle des
Staates? "Kraushaar hält den Blick auf den Oberprovokateur
und Gottseibeiuns Kunzelmann fixiert. Aus dessen umnebelten Tiraden
und den Erklärungen der Gruppe auf einen "primären Judenhass"
zu schließen, der "die ungebrochene Wirksamkeit eines
antisemitischen Latenzzusammenhanges" bis tief in die Neue Linke
demonstriere, erscheint mir fraglich, auch angesichts der Befunde des
Buches... Man verfehlt aber den ganz eigenen, mörderischen Drive
dieses linken Antizionismus, wenn man ihn in die altvertraute Figur
eines reinen Judenhasses auflöst. Er war Teil eines latent totalitären
Weltbildes, in dem es von "Schweinen" jeder Art -
Kapitalistenschweinen, Nazischweinen, Amischweinen, Zionistenschweinen
- wimmelte. Der Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus sollte als
ultimative Provokation auch der eigenen Szene dienen, um deren
angeblichen (philosemitischen) "Judenkomplex" und "hilflosen
Antifaschismus" zu überwinden. So das erklärte Kalkül der
Initiatoren des Anschlags."
Antisemitische
Obsessionen.
Wolfgang Kraushaars Buch "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus":
ein einziger Bösewicht und viele Verführte? Kritische
Nachbemerkungen zu einem Buch, das eines der letzten Geheimnisse aus
der Frühzeit des linksradikalen Terrrorismus enthüllt. 231
Zeilen, MARTIN KLOKE (TAZ-Bericht).
KLOKE/KRAUSHAAR. Martin
Kloke ist Autor des Buches "Israel und die deutsche Linke. Zur
Geschichte eines schwierigen Verhältnisses" (1990), das 1994
erweitert und aktualisiert wurde. Kloke versucht in seinem
nebenstehenden Text zu widerlegen, das der versuchte Anschlag auf das
Jüdische Gemeindehaus vom 9. 11. 1969 nur von den Rändern der
linken Bewegung seinen Ausgang nahm und es Antisemitismus allein bei
militanten Linken gab - so wie es der Politologe Wolfgang Kraushaar in
seinem vor kurzem veröffentlichten Buch über den Anschlag
herausgearbeitet und auch in einem taz-Interview (siehe taz, 1. 7.)
bekräftigt hat. Für Kloke war der Antizionismus "in Teilen der
progressiven Linken eine hermetisch abgeriegelte Weltanschauung, weit
über die von Kraushaar ins Visier genommenen gewaltbereiten Milieus
hinaus". taz
Nr. 7718 vom 18.7.2005, Seite 16, 28 Zeilen (TAZ-Bericht)
Spätes
Geständnis eines Bombenlegers. Nach 35 Jahren geklärt:
Ehemaliges Mitglied der Stadtguerilla bekennt sich zum gescheiterten
Anschlag auf Jüdische Gemeinde 1969. Von Bernd Matthies, tagesspiegel
vom 29.6.05
Am
30.06.05 gab es in der Süddt.Z eine Besprechung von Volker
Breidecker "Weckruf
für die Achtundsechziger". Wichtig ist, dass er
Kraushaar aufnimmt:
nicht der Generationskonflikt, sondern die Übernahme
des elterlichen
Erbes habe für die 68er angestanden. "Fast alle namhaften
Faschismustheortiker der Neuen Linken (waren) bei Ernst Nolte
in die Schule gegangen.
Dradio.de (KULTURPRESSESCHAU, 02.07.2005,
Von Matthias Sträßner): Mit großem Interesse wurde auch
die Vorstellung des neuen Buches von Wolfgang Kraushaar verfolgt.
Kraushaars Studie widmet sich einem Anschlag auf das Jüdische
Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße vom 9. November 1969. Am
Jahrestag der Pogromnacht wurde damals eine Bombe deponiert, die
jedoch nicht explodierte und entschärft werden konnte. Bei seiner
Recherche über die terroristischen Aktionsgruppen, kommt Kraushaar zu
Erkenntnissen über einen "linken Antisemitismus", den er
auch schon in seinem Band "Rudi Dutschke, Andreas Baader und
RAF" aufgewiesen hatte. Dieser linke Antisemitismus passt nicht
so einfach in das Bild einer 68er
Generation, die sich gegen die Elterngeneration auflehnt. Deswegen
zeigt sich Volker
Breidecker in der !!SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG! (30.6.) etwas verblüfft:
"Vielleicht
muss die Kultur- und Mentalitätengeschichte der alten BRD nun ganz
neu geschrieben werden: Von wegen Generationenkonflikt! Als Verdrängungspakt
gegenüber den Besonderheiten des Nationalsozialismus und seiner
Verbrechen hatte sich das Generationenbündnis als haltbarer und
dauerhafter als jede Auflehnung erwiesen und überdauerte alle großen
wie kleinen Rebellionen. Unter dem gemeinsamen Dach eines als
Antizionismus und Antiamerikanismus camouflierten Antisemitismus war
man sich weiterhin einig, wie noch die Solidaritätswelle der Eltern
von RAF-Angehörigern gegenüber ihren Kindern zeigt. Und als Überbau
reklamierte man einen Faschismusbegriff, der sich nach Gusto auf
wechselnde Feindbilder übertragen ließ - also auch auf Israel und
die Juden."
Intime
Verklammerung.Wolfgang Kraushaars Buch
über "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus":
Nachbetrachtungen zum dem Anschlag in Westberlin am 9. November 1969. VON GERD KOENEN,
Die
Ouvertüre. "Die Bombe im Jüdischen
Gemeindehaus": Wolfgang Kraushaars Studie über den Anschlag in
Westberlin am 9. 11. 1969 erhebt den Vorwurf des "linken
Antisemitismus". VON MICHA BRUMLIK, FR
Explodierender
Haß. Die deutschen Achtundsechziger waren ihren Eltern
schrecklich ähnlich - vor allem im Antisemitismus. Das zeigt Wolfgang
Kraushaar in einer Aufsehen erregenden Studie. von Götz Aly. Die Welt, 16.7.05
Eine Zusammenfassung des Buches bringt
Ulrich Gutmair in der netzeitung "Die
Bombe vom 9. November" (19.7.05)
Ebenso Rudolf Walter: Das
Phantom von 1968. Die Debatte um das Kraushaar-Buch: Fahrlässige
Vereinfachungen und ideologische Schwarzweißmalerei liefern noch
lange keine ausreichende Hinweise für einen obsessiven Antisemitismus
der Linken in den späten Sechzigerjahren.
Von RUDOLF WALTHER. taz Nr. 7724 vom 25.7.2005,
Seite 17.
Avantgardistisches
Cross-Over. Der Politologe Wolfgang Kraushaar hält mit seinem Buch über die
"Bombe im Jüdischen Gemeindehaus" viele Fäden in der Hand.
Jetzt muss man sie entwirren. VON
ARIBERT REIMANN, FR Erscheinungsdatum 28.07.2005.
Der PDS-nahe Freitag kommentiert mit Joachim
Feldmann am 22.7.05:
Die Steigerung
der Gewalt Js kommentiert in ak Nr. 497 /
19.8.2005: Die
Stadtguerilla und der Antisemitismus Tjark
Kunstreich in der August-konkret sieht in der "Befreiung
vom Judenknax" einen "Beleg für die antisemitische
Tradition des Antiimperialismus" Hier eine Quelle,
die identisch bei Kraushaar auch auftaucht. Wer hat hier bei wem
abgeschrieben, ohne den wahren Autor zu nennen? Werner Olles in
Die junge Freiheit vom 19.4.2002, Fasziniert
von Banden und Sekten. Nahost-Konflikt: Israel und die deutsche
Linke - ein bis heute ungeklärtes Verhältnis. Es geht um die
Kampagne gegen den israelischen Botschafter Asher Ben-Nathan Werner
Olles, ehemaliger 883-Schreiber, reflektiert in der jf vom 15.7.05: Von
der Enttäuschung zum Haß. Die Linke und der Antisemitismus:
Wolfgang Kraushaar lüftet das Geheimnis um einen Attentäter
Bernd Rabehl
meint in einem Leserbrief an die FAZ am 27.7.05: "Die Begründer
des "linken Terrorismus" waren in erster Linie nicht die
"Haschrebellen" oder die Tupamaros von West-Berlin",
sondern sie hatten ihre Ideengeber und Provokateure im Verfassungsschutz
und den westlichen und östlichen Geheimdiensten."
Die
von Kraushaar kritisierte Begeisterung für El Fatah war offenbar weit
verbreitet: Selbst der heutige Kommentarchef der
Welt am Sonntag Alan
Posener rannte als
Student mit der PLO-Fahne durch die Gegend. (WamS, 14.11.04) Klaus
Bittermann machte schon in seinem Buch "Geisterfahrer der
Einheit" 1996 auf folgende Episode aufmerksam: "Jürgen
Reents von den Grünen brachte das raunende Vorurteil schließlich auf
die griffige Formel von den »Opfern der Opfer« (also die
Palästinenser als Opfer der Juden), die dann zum Gegenstand einer
ergreifenden Rede
Dieter Kunzelmanns im Berliner Abgeordnetenhaus wurden, zu
der ihm parteiübergreifend Landowski von der CDU gratulierte."
Kommentar des Webmasters: In der Kunzelmannbiografie
des Aribert Reimann liest sich das völlig anders.
Kunzelmann fordert in dieser Rede eine uneingeschränkte
Asylgewährung für alle Palästinenser, weil diese eben Opfer der Opfer
Deutschlands seien und provoziert gleichzeitig die CDU, die er in die
Nähe der Nazis rückt. Die CDU-Abgeordneten reagieren empört. (Reimann,
Dieter Kunzelmann - Avantgardist, Protestler, Radikaler, Göttingen 2009,
S. 216 f.).
Schon im letzten Jahr (2004) gab's den Auftakt zur
jetzigen Debatte:
Der Kulturkampf
um "die 68er" ist auch ein Streit um das emotionale
Erbe des Nationalsozialismus
Ute Scheub (taz 13.12.04) zu Rüdiger Stuckart und
anderen
HORST-EBERHARD RICHTER (taz 27.10.04): Die
RAF war Teil eines deutschen Familienromans, in dem die Kinder
unbewusst Aufträge der Eltern ausführten.
Jan Philipp Reemtsma (taz 16.10.04): "Selbst
zum Projektil werden". Diese RAF-Formulierung wäre auch
in der Gruppe um den 11.-9.-Attentäter Mohammed Atta möglich gewesen.
Literatur
zum Komplex (taz 16.10.04), z.B. Wolfgang Kraushaar: : "Die
RAF und die Herausforderung der Demokratie (1970-1998)".
Neue Forschung - alte
Vorwürfe? (2005)
"Nieder mit dem chauvinistischen und
rassistischen Staatsgebilde Israel." (Erklärung
des SDS-Frankfurt 1970 anlässlich des Besuchs von Abba Eban,
israelische Außenminister. Zitiert nach Martin Kloke, "Zwischen
Ressentiment und Heldenmythos. Das Bild der Palästinenser
in der deutschen Linkspresse". Welche Rolle spielte dabei Wolfgang
Kraushaar, der zwanzig- bis zweiundzwanzigjährig von 1968 bis zur
Auflösung 1970 SDS-Mitglied war? Von 1972 bis 1976 war er Mitglied in
der Sozialistischen Hochschulinitiative -SHI- und 1974/75 war er
AStA-Vorsitzender in der Frankfurter Uni. Wo hat er damals seinen
flammenden Protest gegen die seinerzeit in der Linken vertretende
antiisraelische Politik zur Geltung gebracht oder hat er etwa doch mit-
und sich des Antisemitismus schuldig gemacht?)
Werner Olles
berichtet (Junge Freiheit, 19.4.2002) unter dem Titel "Fasziniert
von Banden und Sekten" vom Auftritt des israelischen
Botschafter Asher Ben-Nathan am 9. JUni 1969 in der Uni in
Frankfurt/M und den Störmanövern der Antizionisten: "Als in
dieser aufgeheizten Atmosphäre SDS-Mitglieder, die Frankfurter
Fatah-Gruppe und Angehörige des Nationaldemokratischen
Hochschulbundes (NHB) das Podium zu stürmen versuchten, verließ der
Botschafter den Hörsaal." SDS, Fatah und NPD Hand
in Hand.... (War Kraushaar dabei?)
Taz-Gespräch
am 25.10.05 mit Tilman Fichter, SDS-Kader und
Bruder des Abi Fichter, Attentäter gegen das Jüdische
Gemeindehaus in Berlin 1969:
"Wir
haben das nicht ernst genommen"
In
Kunzelmanns Tagebuch, das jetzt das Reemtsma-Institut hat, steht -
darüber wird er sich ärgern, weil es wegen seiner eigenen Eitelkeit
dorthin gelangte - drin: Er sei tief verzweifelt, weil die deutsche
Linke nicht bereit sei, seine Kampagne zusammen mit der PLO gegen
die Juden zu unterstützen. Kunzelmann hat nie unterschieden zwischen
den Juden in der Diaspora und dem Staat Israel. Damit war er
auch bei den Linksradikalen völlig isoliert. Tilman Fichter: WAS
IST ANTISEMITISMUS?
AGIT 883,
Nr. 37, 23. Oktober 1969 S. 4
»Der
Feind ist deutlich« (payview)
Wie Dr. Wolfgang Kraushaar lernte, die Bombe zu lieben (free
link)
von Markus
Mohr / Hartmut Rübner
Im
Text von Mohr/Rübner wird auf die Aussage Bodo Saggels
hingewiesen, der nach der Bombenlegung im Jüdischen Gemeindehaus
freiwillig zur Polizei ging und zur Aufklärung beitragen wollte. Er
hatte einen begründeten Verdacht. Siehe dazu: Post
scriptum zum Nachruf
auf Bodo Saggel
- Haschrebell gegen Antisemitismus
Mohr und Rübner haben
sich auch die Rezensionen zum Kraushaarbuch angeschaut:
Baron von Kraushaars willige Helfer.
Wie die Skandalwissenschaft den Medienbetrieb auf Touren bringt.
Kurioses aus dem Hause Reemtsma: Archivnutzungs- und Hausverbot gegen
Markus Mohr im Reemtsma- Institut.
(Inzwischen, Sommer 2006, wieder aufgehoben.)
Wiglaf
Droste bezeichnet Dieter Kunzelmann als längst erledigten
Fall, dessen Geschwätz vom "Judenknax der Linken" hinlänglich
in die Irrenecke wegsortiert sei. taz,
28.10.05
Walter
Kuhl im Radio Darmstadt: Rezension
zu Kraushaar - "Antisemitische Bomben". Kuhl beschäftigt
sich hauptsächlich mit Quellenkritik, die aber nicht dazu führt, die
Täter zu entlasten. Unabhängig davon kommt er zusammenfassend zu
folgendem Ergebnis:
Der Geschichtsschreibung über das Ende der Studentenbewegung und
den Beginn der deutschen Stadtguerilla ist jedenfalls nichts
substanziell Neues hinzugefügt worden. Wir wissen jetzt, wer diese
Bombe gelegt hat, wir wissen auch, daß die Bombe für das Jüdische
Gemeindehaus vom Berliner Verfassungsschutz stammte. Warum ist dieser
Skandal, der ein womöglich gar antisemitisches Licht auf diese Hüter
der Verfassung werfen könnte, Kraushaar gerade einmal einige Seiten
wert? Erinnert sei hier an die fast schon unglaublichen
Verbindungslinien zwischen Verfassungsschützern und NPD–Funktionären,
die zum Scheitern des Verbotsantrages gegen die NPD geführt haben.
Das sind Kontinuitäten! Die wirklich spannenden Fragen bleiben somit
ungeklärt.
Rezeption bei Indymedia
und in der Jungen Freiheit,
Entebbe im Juni 1976: Die
beiden Wortführer des Entführungskommandos waren keine
Palästinenser, sondern Angehörige der deutschen „Revolutionären
Zellen“, die sich, ähnlich wie die RAF, den militanten
Kampf gegen den Imperialismus zum Ziel gesetzt hatten. Diese beiden
Deutschen, die man später als Wilfried Böse und
Brigitte Kuhlmann identifizierte, waren
mitverantwortlich für die Entscheidung, allein die jüdischen
Passagiere als Geiseln festzuhalten.... Jan-Carl Raspe,
Ingrid Schubert und Werner Hoppe von der
RAF sowie Fritz Teufel, Ralf Reinders
und Inge Viett von der „Bewegung 2. Juni“
standen auch sechs Deutsche auf der Liste der freizulassenden
Personen.
Für die deutschen Juden markierte Entebbe einen tiefen Einschnitt.
Sie waren schockiert darüber, dass sich hier erstmals seit der
Befreiung von Auschwitz wieder Deutsche anmaßten, jüdische
Zivilisten allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum jüdischen Volk in
ihre Gewalt zu bringen; und ebenso schockiert waren sie darüber,
dass dies seitens der deutschen Öffentlichkeit kaum beanstandet bzw.
von Teilen der außerparlamentarischen Linken mit Verweis auf die
Besatzungspolitik des Staates Israel gar noch gerechtfertigt wurde.
(Annette Vowinkel,
Der kurze Weg nach Entebbe oder die Verlängerung der
deutschen Geschichte in den Nahen Osten).
In einem Interview erklärte der 2001 von einem Frankfurter Gericht
wegen seiner Beteiligung am Überfall auf das OPEC-Treffen 1975 in
Wien zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilte
Hans-Joachim Klein: „Die Revolutionären Zellen werden immer
noch mächtig unterschätzt. Schließlich haben die ja schon beim
Olympia-Massaker von München logistische Hilfe
geleistet. [Wilfried] Böse hat mir selbst erzählt,
dass er die Finger drin hatte bei der Quartiermache für das
Palästinenser-Kommando ‚Schwarzer September‘.“ In:
Der Spiegel, 7.8.1978, S. 79/81. (zit. n.
Kraushaar, Zwischen Popkultur, Politik und Zeitgeschichte. Von
der Schwierigkeit, die RAF zu historisieren).
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