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Barbara Agnoli antwortet auf Wolfgang
Kraushaars Vortrag in der Villa Vigoni. Zum Artikel „Seitenwechsel und Veränderung" von Rainer Blasius (F.A.Z. vom 12. Dezember) über die Tagung in der Villa Vigoni: „Krisenzeiten von 1968 bis 1973" im deutsch-italienischen Vergleich. Hier wurde besonders der Vortrag des „Achtundsechziger-Veteranen Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung" berücksichtigt. Der Vortragende hatte Johannes Agnoli und seine Parlamentarismus-Kritik zum Thema erkoren: Die Kritik sollte abgeschmettert und überdies Agnoli die Integrität abgesprochen werden. In dem Bericht werden zwei Behauptungen Kraushaars über Agnolis faschistisches Vorleben wiedergegeben: dass er erstens „Anführer eines faschistischen Jugendverbandes" gewesen sei und sich zweitens 1943 freiwillig „zur" Waffen-SS gemeldet habe. Agnoli war zwar ein engagiertes Mitglied des faschistischen Jugendverbandes – die Mitgliedschaft als solche war obligatorisch: Die Jungen wurden mit der Einschulung „per forza", also qua (Gesetzes-)Kraft, Mitglied und Provinzialführer der Oberschuljugend, aber mitnichten "Anführer". Zu einem Anführer gehört bekanntlich eine Gefolgschaft, und da die cadorinische und bellunesische Bevölkerung seit dem Ende des Ersten Weltkriegs die Deutschen ablehnte, wenn nicht gar hasste, stand Giovanni Agnoli mit seiner Begeisterung für Deutschland allein auf weiter Flur. (Der Hass ist auf die Hungersnot zurückzuführen, die das Kriegsgeschehen mit sich brachte und die dazu führte, dass insbesondere Kleinkinder und Säuglinge elendig verhungerten.) Keiner seiner Mitschüler oder Klettergefährten hatte das geringste Verständnis für Agnolis Deutschland-Schwärmerei. Zugleich wurden seine den philosophischen und literarischen Bereich betreffenden Kenntnisse allgemein anerkannt, so dass er in der „Kommission für Kultur" sich betätigen und dabei sein Steckenpferd, deutsche Philosophie und Literatur, nach Herzenslust verhimmeln konnte. Das machte ihn für die Partisanen zu einem Risikofaktor. Die Behauptung, Agnoli habe sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, ist falsch. Agnoli hat sich 1943 bei der Waffen-SS zur deutschen Wehrmacht gemeldet. Der „Umweg" war vorgeschrieben. In der „biographischen Skizze" über meinen 2003 verstorbenen Mann (erschienen Hamburg 2004, Seite 30) habe ich dies erwähnt, weil die deutsche Wehrmacht eigentlich keine ausländischen Kriegsfreiwilligen in ihre Reihen aufnehmen durfte. Ausländer, die Deutschland kriegerisch unterstützen wollten, konnten diesen Wunsch nur in den Reihen der Waffen-SS realisieren. Von dieser Regelung wurde in einer Sondervereinbarung zwischen den Gebirgsjägern und der SS abgewichen, so dass bei den Gebirgsjägern auch Ausländer mitkämpfen konnten (wobei die Waffen-SS weiter zuständig war, um deren Antrag auf Aufnahme in die Wehrmacht entgegenzunehmen). Die Hervorhebung und fehlerhafte Darstellung von Agnolis faschistischer Vergangenheit ist als Mittel zu verstehen, mit dem Kraushaar Agnolis Parlamentarismus-Kritik verteufeln will, indem er diese Kritik auf Italiens präfaschistische Ara bezieht, auf das politische Wirken des Vilfredo Pareto. Dieser italienische Soziologe war es, der 1922 Mussolini den Rat gab, auch unter einer faschistischen Herrschaft die parlamentarische Fassade aufrechtzuerhalten, um dem Volk die Illusion einer Teilhabe an der Staatsgewalt zu geben. Kraushaar selber hatte schon 1985 auf einem Berliner Veteranenkongress Pareto als die Quelle der agnolischen Parlamentarismus-Kritik genannt. In einer „Kotnmemorativabhandlung" stellte Agnoli dazu im März 1986 fest, die Behauptung und Deutung, er schlösse sich „der Parlamentarismus-Kritik des (notorisch faschistenfreundlichen) Pareto an", sei ein ziemlich grober Fehler: „Kraushaars Hinweis entbehrt nicht der Komik, denn ich ziehe Pareto, teilweise gewaltsam, herbei, nicht, um mich seiner Kritik am bürgerlichen Verfassungsstaat anzuschließen, sondern um zu zeigen, dass der Verfassungsstaat eher seinen Vorstellungen entspricht und deshalb zu kritisieren sei. Ich vermute hinter Kraushaars Einfall nicht Verfälschung oder Mangel an Offenheit, sondern schlicht Ignoranz." Barbara Görres Agnoli, Berlin Leserbrief in FAZ vom 17.1.2007 (?) |