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Christoph Luxenberg
Der Koran zum “islamischen Kopftuch” Zu Sure 24:31 Im Vorfeld seiner nächsten Buchpublikation hat sich Christoph Luxenberg bereit erklärt, seine syro-aramäische Neulesung einer koranischen Schlüsselpassage zum sog. ”islamischen Kopftuch” darzulegen. Dieses Thema, über das seit einiger Zeit öffentlich kontrovers debattiert wird und durch die Medien – und zwar nicht nur in Deutschland – inzwischen zu einem Politikum geworden ist, könnte durch das neue philologisch begründete Textverständnis zur Versachlichung der Debatte beitragen. Der Anspruch mancher Muslimen, das als ”islamisch” bezeichnete ”Kopftuch” auch in öffentlichen Ämtern tragen zu dürfen, wird mit der religiösen Pflicht begründet, die durch gewisse koranische Vorschriften bedingt sei. Diese Referenz auf den koranischen Text rechtfertigt die Hinterfragung des eigentlichen Sinngehalts der bisher von der Koranexegese angenommenen Aussagen. Hierzu soll die in der Studie ”Die syro-aramäische Lesart des Koran”[1] angewendete Methode verhelfen. Eine Schlüsselstellung für die Verfechter des
Kopftuches nimmt eine in Sure 24 Vers 31 vorkommende Passage ein. Dort
heißt es (arabisch): ”wa-l-yadrib-na bi-khumuri-hinna ‘alâ
djuyûbi-hinna ”, wörtlich: ”sie sollen ihre chumur über ihre
Taschen schlagen”. Von Rudi Paret wird dieser dunkle Versteil so
paraphrasiert (die verdächtigen Wörter sind unterstrichen): Das arabisch unverständliche Schlüsselwort ”chumur”
(im Plural) wird von dem berühmtesten Koranexeget (gest. 923) In seinem Gefolge geht Siegmund Fraenkel bei der
Besprechung der aus dem Aramäischen entlehnten Wurzel ”chamr” Das Standardlexikon des klassischen Arabisch Lisân al-‘arab (Sprache der Araber) bringt unter dieser Wurzel, neben der eigentlichen Bedeutung ”gären”, eine ganze Reihe Redewendungen, deren verlesenes Verb ”chamar” tatsächlich mit der Bedeutung ”decken, zudecken” erklärt wird. So soll der Prophet u.a. gesagt haben: ”chammirû âniyata-kum”, was von Abû ‘Amr als ”decket eure Gefäße zu” gedeutet worden sei. Alles, was zugedeckt ist, sei demnach ”muchammar”[5]. Dieses Verständnis mochte um so mehr eingeleuchtet haben, als man das Gefäß, in dem der Teig zubereitet wurde, mit einem solchen chimâr zudeckte, um den Gärungsprozess des Teiges zu beschleunigen. War nun dieses chimâr in der Regel ein Stück Stoff, so lag es nahe, die Bezeichnung chimâr auch auf das Kopftuch der Frau zu übertragen, zumal dieses ja eine zudeckende Funktion hat. Bei der Deutung von Sure 2:219 (Weinverbot) führt auch Tabari die Bedeutung von ”chamr” (Gegorenes = Wein) folgerichtig auf den Umstand zurück, daß das Weingefäß ”zugedeckt” werde, woraus resultiere, daß der Wein den Verstand des Weintrinkers in gleicher Weise ”verdecke, zudecke”. Davon sei auch das Frauen - chimâr abgeleitet, weil die Frau sich damit den Kopf ”zudecke”[6]. Auf Grund dieser volksetymologischen Erklärung rechtfertigte man also die koranische Fehllesung, indem man auf die Idee verfiel, dem unverstandenen und falsch gelesenen Wort chimâr die erdachte Bedeutung ”Kopftuch” zuzuweisen. Im Vertrauen auf die Autorität der arabischen Korankommentatoren und des Hauptlexikons der arabischen Sprache konnte der für seine verdienstlichen etymologischen Erkenntnisse besonders anerkannte S. Fraenkel, Schüler von Theodor Nöldeke, indessen nicht ahnen, dass bereits die arabischen Koranleser den dem Phonem ch ent-sprechenden und mit einem Oberpunkt bezeichneten arabischen Buchstaben (??) verlesen hatten. Mit einem Unterpunkt versehen (??), ergibt nämlich der gleiche arabische Schriftzug das aramäische Phonem g. Dies führt dazu, die koranische Fehllesung ”chumuri-hinna” als ”gamari-hinna ” (im Singular) bzw. ”gimâri-hinna ” (im Plural) richtigzustellen. Das syro-aramäische Lexikon[7]
, das sich auf eine überlieferte syrische Literatur bezieht, die ihre
Blüte zwischen dem 4. Und 7. Jh. n.Chr. erfahren hat, belegt die
Verbalwurzel ”qmar ” (deren Phonem q mit dem Allophon
g alterniert – wie dies heute noch in zahlreichen arabischen
Dialekten, insbesondere des beduinischen Typus bezeugt ist) mit der
Grundbedeutung ”binden”. Letztere Bedeutung (Lenden) müsste logischerweise auch das dritte koranische Wort ”djuyûbi-hinna” (angeblich ”ihre Taschen”) haben. Der vorzitierten, offensichtlich improvisierten Erklärung Tabaris, wonach die Frauen sich mit ihrem angeblichen Kopftuch ”Haar, Hals und Ohrgehänge ” zudecken sollen, trauen die westlichen Koranübersetzer nicht so recht. So vermutet Paret, dass mit dem Ausdruck ”Taschen” eher der vordere Schlitz des Kleides gemeint sein müsste und paraphrasiert dementsprechend: ”ihren Schal sich über den (vom Halsausschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen”. Um dieser Verlegenheitslösung beizukommen, genügt es aber im arabischen Schriftzug, die beiden nachträglich falsch gesetzten Unterpunkte ( ?? = y) durch einen Oberpunkt (?? = n) zu ersetzen, um auf die zu erwartende Lesung ”djunûbi-hinna” = ”ihre Seiten = Lenden” zu kommen. Dieser arabisch missverstandene Satz erweist sich demnach als die Lehnübersetzung einer wohlbekannten idiomatischen syro-aramäischen Redewendung mit der Bedeutung ”sich einen Gürtel um die Taille binden ”. Philologisch so geklärt, heißt die so bedeutsame koranische Vorschrift demnach nicht mehr: ”Sie sollen ihren Schal sich über den (vom Halsauschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen”, sondern nach syro-aramäischem Verständnis: ”Sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden binden!” So verstanden, löst sich die um das ”islamische Kopftuch” entfachte Polemik wie von selbst auf. Was aber die Symbolik angeht, die dem Gürtel- (und nicht mehr dem Kopftuch-)tragen zugrunde liegt, so bleibt deren nähere Erklärung dem Sitten- und Religionshistoriker überlassen. Ist nämlich der Gürtel, nicht nur nach koranischer Vorstellung, ein Zeichen der Sittsamkeit für Frauen, so hat er eine asketische Bedeutung für Einsiedler und Mönche. Die islamische Tradition hat uns übrigens einige Hadithe (Aussprüche des Propheten) bewahrt, die gerade das Gürteltragen betreffen. Unter dem Stichwort ”hizâm” (Gürtel) zitiert der Lisân[11] ein Hadith, wonach den Männern untersagt wird, das Gebet ohne Gürtel zu verrichten bzw. ihnen geboten wird, sich vor dem Gebet einen Gürtel umzubinden[12] ; und unter dem synonymen ”nitâq” ein weiteres Hadith, wonach über Aischa, die jüngste Frau des Propheten, berichtet wird, die Frauen der Anhänger des Propheten in Medina hätten eilends ihre Stoffgürtel aufgelöst, um sie zu zerschneiden und daraus ”chumur” (angeblich) Kopftücher zu machen, sobald der entsprechende Vers offenbart worden sei[13] . Unter dem rätselhaften Wort ”chumur” haben die arabischen Kommentatoren wohl ”Kopftücher ” verstanden. In Wirklichkeit bezeichnete dieses Wort gerade die Stoffgürtel, die diese Frauen bereits um die Hüften trugen. Dieses Hadith widerspiegelt die Verlegenheit der späteren islamischen Exegeten, sich dieses Wort zu erklären, dessen Fehllesung konsequenterweise zu einer Fehldeutung führen musste. Es enthält aber dennoch einen historischen Wahrheitskern, sofern es davon zeugt, dass für die Frauen zu Lebzeiten des Propheten der Gürtel – und nicht das Kopftuch – Sitte war. Im Lichte der philologischen Analyse dieses Verses hat also der Koran den Frauen keineswegs geboten, aus ihren Gürteln Kopftücher zu machen – ganz im Gegenteil. Muslimische Frauen wären demnach berechtigt, die Authenzitität des koranischen Wortlauts wiederherzustellen und aus den Kopftüchern, die man ihnen seit Jahrhunderten zu Unrecht aufgezwungen hat, wieder Gürtel zu machen. Fazit: Das ”islamische Kopftuch” ist ursprünglich sicherlich eine soziale Konvention gewesen, wie sie heute auch noch in gewissen Teilen Europas fortbesteht. Dessen Islamisierung ist vielleicht einem Prozess der islamischen Sittengeschichte zuzuschreiben. Eine diesbezügliche religiöse Vorschrift lässt sich aber durch den koranischen Text in keiner Weise begründen. Was aber die sonstigen Koranpassagen angeht, auf die man sich insoweit beruft, so sind sie noch weniger aussagekräftig. Ihre Erörterung wird einer weiteren philologischen Analyse vorbehalten.
[1]Christoph Luxenberg, Die syro-aramäische Lesart des Koran. Ein
Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache, Berlin 2000.
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