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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Friedbert Pflüger von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt kommt der Oberpharisäer!)

Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Vollmer, es geht nicht um selbstgerechtes Feiern später Triumphe und Siege.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Es geht darum, eine Klärung herbeizuführen.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gesellschaft hat es schon geklärt! Dazu brauchen wir euch nicht mehr!)

Es geht darum, eine Klärung über die politische Vergangenheit und über die Art und Weise, wie heute mit dieser Vergangenheit umgegangen wird, herbeizuführen.

Es gibt einen Außenminister, der Steine geworfen hat und der erklärt - so zumindest die "Welt" -, das sei ihm aber nicht unangenehm. Ich kann nur sagen: Wer sich so distanziert, wer sagt, er stehe zu dem, was er gemacht habe und es sei ihm nicht unangenehm, das gehöre zur Biografie des Joschka Fischer, muss sich wirklich fragen, ob er an dem Platz, an den er gesetzt ist, für unser Land richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. - Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Demokratie freue sich über jeden, der in ihren Schoß zurückkehre. Es ist klar, dass wir darum werben. Es ist auch richtig, was in der Bibel steht: Über einen, der Sünder ist und umkehrt, freut sich der Himmel mehr als über 99 Gerechte. Aber es steht nicht in der Bibel, dass derjenige auch gleich Vizekanzler eines Landes werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei der SPD - Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er ist es!)

Sie sollten daran denken, was einer der Weggefährten von Joschka Fischer, Thomas Schmid, gesagt hat:

Trotz seiner Entschuldigung spricht Fischer über seine militante Vergangenheit in einer Mischung aus nachdenklicher Zerknirschtheit und geheimem Stolz.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Haben Sie das Buch auch gekauft?)

Genau diesen geheimen Stolz, den Sie, Herr Bundesminister, eben auch in der Regierungsbefragung wieder gezeigt haben, nehme ich Ihnen übel. Sie haben zwar zugegeben: "Die Gewalt war falsch.", aber letztlich diente sie der Erreichung eines heroischen Zieles, nämlich des Zieles, diese Republik endlich liberal zu machen. Wenn Ihre Haltung zu den damaligen Geschehnissen so aussieht, dass es 1969 und danach notwendig war, Steine zu werfen, um diese Republik zu reformieren, dass diese Einstellung zumindest verständlich ist, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie in der Tat nichts von dem, was damals vorgegangen ist, verarbeitet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch nicht!)

Sie machen Folgendes: Einerseits entschuldigen Sie sich. Sie wissen, dass Sie das machen müssen, um in Ihrer jetzigen Position bleiben zu können und Anerkennung zu bekommen.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie können offenbar ins Innere schauen!)

Andererseits tun Sie alles, um Ihren früheren Weggefährten zu signalisieren: Ich stehe zu meiner Biografie. Damals schlug man zurück. So war das. Ich sage Ihnen - auch Sie dürften die ersten Kommentare in den internationalen Medien zur Kenntnis genommen haben -: Wenn Sie in einem so wichtigen Amt wie dem des Außenministers bleiben wollen, dann kommen Sie mit dieser Wischiwaschiposition nicht durch. Sie müssen entweder sagen: Ich stehe zu den Sachen, oder: Ich bereue diese Sachen. Beides zusammen geht nicht, Herr Kollege Fischer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

1973 bin ich in den RCDS eingetreten,

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Glückwunsch! Eine Erfolgsstory! - Jörg Tauss [SPD]: Oh!)

also zu der Zeit, als Fischer mit seiner Putzgruppe begann, radikal und gewalttätig zu werden. Wir sind damals ausgegrenzt, isoliert und manchmal sogar verprügelt worden.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: RCDS ausgegrenzt?)

Wir haben unter der manifesten Gewalt von Teilen der Studentenbewegung bzw. der Ausläufer der Studentenbewegung gelitten.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Pflüger, das Opfer!)

Damals ist abgestimmt worden, Herr Kollege Schlauch, ob wir vom RCDS überhaupt reden dürfen. Ich bin aus der Universität Bremen mit der Begründung herausgetragen worden, Faschisten hätten hier nichts zu suchen. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Schlauch, sagen: In dieser Zeit haben wir vom RCDS erkannt, dass Faschismus nicht nur von rechts, sondern auch von links kommen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie uns jetzt Herrn Fischer als einen Gewinn für die Republik präsentieren - es sei doch schön, wenn jemand Brüche in seiner Biografie habe; denn das zeige, dass er sich weiterentwickelt habe, dass er sich nach einem langen selbstquälerischen Prozess zur Demokratie bekannt habe -, dann sage ich Ihnen: Ich freue mich und bin stolz darauf, dass ich auf meinem Weg in den Bundestag und in die politische Verantwortung keine Polizisten verprügelt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -

Dr. Peter Struck [SPD]: Es ist ja schon peinlich, was Sie hier sagen!)

Natürlich gab es damals den "Muff unter den Talaren". Natürlich gab es Strukturen, die verändert und modernisiert werden mussten. Wer wollte das bestreiten? Natürlich hat auch die Studentenbewegung viel in diesem Land bewirkt. Die Frage ist nur, ob es in den 70er-Jahren notwendig war, Gewalt anzuwenden, nachdem es schon einen Regierungswechsel in der Bundesrepublik gegeben hatte und Willy Brandt am Warschauer Mahnmal niedergekniet war. Fraglich ist auch, ob dies in den 60er-Jahren notwendig war. Sicher, die Studentenbewegung hat auch manches in diesem Lande bewirkt, aber nicht die Gewalttäter. Ich muss den SDS und große Teile der Studentenbewegung vor dieser Art der nachträglichen Gewaltrechtfertigung in Schutz nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zurufe von der SPD: Oh!)

Präsident Wolfgang Thierse: Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Joschka Fischer selbst ist es, der hohe moralische Messlatten an alle anlegt, der immer wieder großartig Rücktritte gefordert hat, der sich aufgrund seiner angeblichen Tugendhaftigkeit immer wieder das Recht herausnimmt, andere zu zensieren, und der sich immer wieder in einer entsprechenden Pose präsentiert. Das fällt jetzt auf Sie, Herr Kollege Fischer, ein bisschen zurück. Auch wenn Sie in Ihrem Amt bleiben sollten,

(Dr. Peter Struck [SPD]: Bleibt er! Davon müssen Sie ausgehen!)

sollten Sie in Zukunft ein bisschen demütiger im Umgang mit dem politischen Gegner werden und nicht mehr diese unerträgliche Arroganz an den Tag legen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)