SDS-Website | |
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als nächste
Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Angela Merkel von der
CDU/CSU-Fraktion. Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Je länger
diese Debatte dauert, umso mehr verstärkt sich mein Eindruck, dass
wir wieder einmal die Grundzüge unserer Demokratie miteinander
besprechen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN - Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben
wir selber gemacht!) In unserem Lande ist das Gewaltmonopol des Staates
- und das seit Existenz des Grundgesetzes - aus gutem Grunde ein fest
verankertes Prinzip. Das ist gut so! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Rezzo Schlauch
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Phantomdiskussion! - Zuruf von der SPD: Wer
zweifelt das denn an?) Der Herr Bundesaußenminister hat in einem Interview im
"Stern" den Journalisten gefragt: "Sind Sie sicher,
dass Sie noch nie einen Stein geworfen haben?" Dieser antwortete:
"Ja." Daraufhin stellte der Bundesaußenminister fest: Dann
fragen Sie einmal im Deutschen Bundestag und in Ihrer Redaktion herum.
- Auf diese Art und Weise macht der Bundesaußenminister sein
Verhalten zu einem ganz normalen Vor gang. Ich sage Ihnen: Die
Mehrheit dieses Landes hat weder 1949 noch 1959, noch 1969, noch 1979
mit Steinen geworfen. Das ist die Realität. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Schlauch, es geht doch nicht darum, einer ganzen
politischen Generation den Garaus zu machen, sondern es geht um die
Frage, ob die damalige Republik, die von Bundeskanzler Willy Brandt
regiert wurde, ein liberales Land war oder ob sie eine Diktatur war.
Ich sage: Sie war ein liberales Land, obwohl wir nicht regiert haben.
Für die Regierungszeit von Helmut Schmidt gilt das Gleiche. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Jörg Tauss
[SPD]: Obwohl!) Wenn ich es recht verstanden habe, dann waren der Herr
Bundesaußenminister und der Herr Bundeskanzler unglaublich stolz
darauf, dass vor wenigen Wochen ein Platz in Warschau nach Willy
Brandt benannt wurde. Denn Willy Brandt stand für Aussöhnung und hat
damals gesagt: Deutsche, ihr könnt stolz auf euer Land sein. - Das
ist die Wahrheit und zu der haben wir alle miteinander heute zu
stehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Uwe Hiksch
[PDS]: Die CDU war gegen die Aussöhnung!) Ich bin aber nicht bereit - und darum geht es -, zu
konzedieren, dass diejenigen, die Steine geworfen haben, und
diejenigen, die zu den RAF-Terroristen gehörten, einen Beitrag zur
Freiheit in der Bundesrepublik Deutschland geleistet haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Vizekanzler, ich erwarte von Ihnen nicht nur, dass
Sie sich für das Werfen von Steinen auf einen konkreten Menschen
entschuldigen. Ich erwarte von Ihnen viel mehr auch, dass Sie sagen:
Ich hatte in der damaligen Zeit eine total verquere Sicht von der
Bundesrepublik Deutschland. (Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das hat er doch schon gesagt!) Ich habe mich geirrt. Ich habe eine falsche Sicht gehabt.
Dies war nicht die richtige Sicht und ich habe deshalb Buße zu tun
und das anzuerkennen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Anke Fuchs [Köln]
[SPD]: Das hat er doch schon getan!) - Nein. Er hat sich nur für das Steinewerfen
entschuldigt und ist der Meinung, die 68er hätten einen Beitrag
zur Befreiung geleistet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Darin hat er sich selbst gleich mit eingeschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Bundeskanzler, dass Ihr Vizekanzler das nicht tut,
ist deshalb so schlimm - nicht, weil er eine verquere Geschichtssicht
hat; das könnte uns allen egal sein -, (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank,
dass bei euch alles so stromlinienförmig ist!) weil wir es heute wieder mit Gewalt von Jugendlichen zu
tun haben, mit politisch und nicht politisch motivierter Gewalt. Wenn
wir glaubwürdig gegen diese Gewalt vorgehen wollen - das wollen und
das müssen wir gemeinsam tun -, müssen wir sagen: Gewalt war zu
keiner Zeit gerechtfertigt und unsere Sicht auf die Geschichte war
falsch; (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Anke Fuchs [Köln]
[SPD]: Das hat er doch dreimal gesagt!) es gab zu keiner Zeit in der Bundesrepublik Deutschland
die Notwendigkeit, den Staat so zu verändern, dass man Gewalt
gebrauchen musste. (Zurufe von der SPD: Das hat er doch gesagt!) Nur so lässt sich das legitimieren. Deshalb ist das nicht richtig, was Ihre zukünftige
Parteivorsitzende sagt: "Der Staat hat damals den Fehler
gemacht..." Nicht der Staat hat den Fehler gemacht, sondern
diejenigen, die Gewalt angewendet haben, haben den Fehler gemacht! Das
ist der Unterschied. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Rezzo Schlauch
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der, der Benno Ohnesorg erschossen
hat!) Wenn Fehler im Rechtsstaat gemacht werden - das gilt für
Polizisten heute und das galt für Polizisten damals -, hat sich der
Rechtsstaat mit diesen Fehlern auseinander zu setzen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
hat er aber nicht gemacht!) Aber generell zu sagen, der Staat habe Fehler gemacht und Ulrike
Meinhof wäre Familienministerin, wenn der Staat nicht Fehler
gemacht hätte, zeigt eine falsche Sicht. (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nicht
die Claudia Roth, das hat Herr Herold gesagt! Prüfen Sie Ihre
Zitate!) - Das hat Claudia Roth in N-TV gesagt. Und jetzt
lassen Sie mich zum Schluss kommen und schreien Sie nicht so! (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Herr
Herold gesagt, falls der Ihnen ein Begriff ist!) Meine Damen und Herren, wir haben vor zehn Jahren eine Veränderung
in Deutschland erlebt. Damals sind die Menschen in einer Diktatur
friedlich auf die Straße gegangen. Damals haben wir mit Kerzen
friedlich demonstriert und haben es geschafft, eine Diktatur zum
Einsturz zu bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn Brüche im Leben von Menschen dazu beitragen sollen,
dass sie Vorbilder für Jugendliche werden, möchte ich, dass dies
Menschen betrifft, die eine Veränderung friedlich herbeigeführt
haben. Auf diese Teile der deutschen Geschichte können wir stolz
sein. Alle anderen müssen kritisiert werden. Unser Staat, die
Bundesrepublik Deutschland, ist seit 1949 ununterbrochen eine
freiheitliche, solidarische, weltoffene Republik, auf die wir stolz
sein können. Mit dieser Sicht können wir gemeinsam weiter arbeiten,
aber nicht mit Ihrem Geschichtsbild. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Rezzo Schlauch
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben im Tal der Ahnungslosen gelebt!) |