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Vizepräsident
Dr. Hermann Otto Solms: Als nächster Redner hat der Kollege Gernot
Erler von der SPD-Fraktion das Wort. Gernot
Erler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Außenpolitik
ist ein Erfolgsthema der rot-grünen Regierung. Der Mann Joschka
Fischer und seine Politik haben in der Öffentlichkeit Popularitätswerte,
von denen Sie nur träumen können, und das wird auch so bleiben. (Beifall
bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE
GRÜNEN - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist
ja das Problem!) Jetzt
wird eine Geschichte ausgegraben - keine neue, sondern eine, mit der
sich Joseph Fischer längst intensiv und schmerzlich auseinander
gesetzt hat -, die Sie überhaupt nicht interessiert. Sie interessiert
weder die Frage von Gewalt in den 70er-Jahren noch das Wechselverhältnis
von Provokation und Eskalation. Selbst die Opfer interessieren Sie
nicht, die es übrigens auf beiden Seiten, bei den Polizisten, aber
auch bei den Demonstranten und bei unbeteiligten Passanten, gegeben
hat. Das alles interessiert Sie überhaupt nicht. (Beifall
des Abg. Detlev von Larcher [SPD]) Sie
interessiert nur, wie Sie bestimmte Bilder, die Sie mit bestimmten
falschen Konnotationen in die Öffentlichkeit bringen, politisch
ausnutzen und instrumentalisieren können. (Beifall
bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE
GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Einen Wehrlosen auf den Rücken
geschlagen!) Sie
sind auf Beute aus. Auf der rechten Seite des Hauses sitzt eine
ehrenwerte Jagdgesellschaft. Sie haben vergessen, die Jagdhörner
mitzubringen; aber hier drinnen und auch draußen kann man ihren Klang
hören. (Siegfried
Hornung [CDU/CSU]: Sie können die Wahrheit nicht vertragen!) Dabei
werden Sie keinen Erfolg haben, denn Sie machen das alles zu offen
sichtlich. Ihre Treibjagd ist durchschaut; das Publikum ist nicht so
blöd, wie Sie denken. (Beifall
bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE
GRÜNEN) Ihre
Methode ist, gegen die real existierende Biografie des Außenministers
eine hypothetische Biografie zu setzen. (Lachen
bei Abgeordneten der CDU/CSU) -
Das ist die Logik. - Sie argumentieren: Was ist das eigentlich für
ein etablierter Politiker, der in seinem Leben einen Abschnitt hat, in
dem er sich eingemischt hat, in dem er sich aufgeregt hat, in dem er
auf die Straße gegangen ist, in dem er polemisch geworden ist, in dem
er radikal geworden ist, in dem er sich geirrt hat, in dem er sich
geprügelt hat, in dem er sich dann mit den eigenen Leuten angelegt
hat und schließlich aus dem eigenen Ausstieg ausgestiegen ist? Sie
fragen sich: Was ist das überhaupt für ein Leben? Wo bleibt da die
Übersicht? Warum ist er nicht in die Jugendorganisation einer
etablierten Partei, in die Junge Union oder wenigstens bei den
Jungsozialisten, eingetreten? (Heiterkeit
bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hat
er überhaupt gedient? Warum hat er nicht irgendwann einmal einen Dr.
jur. oder Dr. rer. pol. gemacht, damit er etwas in seinem Briefkopf
hat? Wann hat er überhaupt seinen ersten Briefkopf gehabt? Das
alles fragen Sie hier und setzen damit die scheinbare Normalität
eines Politikerlebens gegen diese real existierende Biografie. Sie
merken aber nicht, dass die Öffentlichkeit dabei gar nicht Beifall
klatscht. (Beifall
bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE
GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Es
haben noch viel mehr Menschen eine eigene Lebenserfahrung, eine andere
als Sie. Ich
möchte Ihnen einmal eine Situation schildern, bei der ich selber
beteiligt war. 1975 wurde am Kaiserstuhl der Bauplatz für ein
Atomkraftwerk besetzt. (Zuruf
von der F.D.P.: Sie waren dabei?) - Ich war dabei, jawohl. - Da waren Bauern, Winzer, ganz
normale Bürger, die es als Gewalt empfunden haben, dass vor ihre
Nase, in ihre Lebenswelt ein Kernkraftwerk gesetzt werden sollte.
Wissen Sie, was die Landesregierung gemacht hat? - Sie hat von weit
her Polizisten geholt und gesagt, den Bauplatz hätten Spontis
besetzt. Dann haben die Polizisten auf die Bauern und auf die
Winzer draufgehauen. (Siegfried
Hornung [CDU/CSU]: Mit Geld sind sie angekarrt worden!) -
Sie sind von weit her angekarrt worden, damit sie nicht wissen, was da
los ist. Das
sind Erfahrungen, die wir gemacht haben. Was meinen Sie, welche
Diskussion es da gegeben hat! Die Bauern und Winzer waren auf der
Kippe, selber Gewalt anzuwenden. Das hätte anders ausgesehen, als
wenn ein Sponti einen Stein wirft. Sie hätten ihre schweren Geräte
eingesetzt. Diese Diskussionen sind geführt worden, und zwar nicht
nur dort, sondern an vielen Orten dieser Republik. Wer davon nichts
weiß, der sollte hier über diese Jahre nichts sagen, der hat keine
Ahnung. (Beifall
bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Deswegen
sage ich Ihnen voraus: Ihre Treibjagd ist so durchschaubar, dass sie
keinen Erfolg haben wird. Denn die deutsche Gesellschaft des Jahres
2001 ist eine mündige Gesellschaft. Die Gesellschaft durchschaut Ihre
Taktik,
Ihre Nichtbetroffenheit und Ihr artifizielles Kesseltreiben. Unser
bester Verbündeter in dieser Auseinandersetzung ist der mündige Bürger,
die mündige Gesellschaft, die eine eigene reiche Lebenserfahrung hat,
die sie nicht nachträglich aufregender machen muss, als sie ist. Vielen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall
bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) |