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Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich habe mich während der Fragestunde, ihres
frühzeitigen Abbruchs und des Übergangs in die Aktuelle Stunde
gefragt, um was es Ihnen eigentlich geht. (Jörg Tauss [SPD]: Heuchelei! - Weiterer Zuruf von der
SPD: Neid!) Wenn Sie die Antworten des Außenministers in den letzten
zwei Wochen in den Printmedien, im Fernsehen, gestern im Zeugenstand
und heute hier nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann kann ich nur
feststellen: Es geht Ihnen offen sichtlich nur noch darum, ein
verlorenes Feindbild neu aufleben zu lassen, weil Sie keines mehr
haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Es geht nicht nur um den Außenminister Fischer, sondern
es geht darum, (Zuruf von der CDU/CSU: Wahrheit!) dass Sie einer ganzen politischen Generation den Prozess
machen und sie auf die Anklagebank setzen wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der
PDS) Es handelt sich um eine Generation, die den Staat in
seiner damaligen Verfasstheit zugegebenermaßen mit Gewalt bekämpfen
wollte. Man sprach damals von der formalen Demokratie. Es ist richtig:
Gewaltanwendung war weit verbreitet, nicht nur unmittelbare
Gewaltanwendung. Gewalt ist tausendfach von vielen von uns auch öffentlich
gerechtfertigt worden. Das war so und das war falsch. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS - SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie sind auf dem gleichen
Niveau!) Die Gewalt ist uns aber nicht in die Wiege gelegt worden
und uns nicht in unseren Elternhäusern anerzogen worden und ist nicht
in der Schule gelehrt worden. An diesem Punkt blenden Sie einen
gesamten Part der Geschichte vollständig aus. Sie tun so, Herr
Gerhardt, als ob wir schon damals ein liberales, ein weltoffenes, ein
tolerantes Land gewesen seien. Das war mitnichten so. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der SPD und der PDS - Widerspruch bei der CDU/CSU - Dr.
Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das waren die Bundeskanzler Willy Brandt
und Helmut Schmidt!) - War es liberal, war es tolerant, wenn ein Senatsrat
Prill gesagt hat: "Die Demonstranten sollen nur kommen, dann
kriegen sie eins mit dem Knüppel auf den Kopf; das ist ein gutes Übungsfeld
für unsere Polizeibeamten."? An diesem Punkt verstehe ich die Debatte nicht. Wir reden
hier gemeinsam über eine demokratische Erfolgsgeschichte, über die
Geschichte des Erfolges unserer Demokratie, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der
CDU/CSU und bei der F.D.P. - Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Der Gewalt!) an dem Sie Ihren Anteil hatten, an dem aber auch wir
unseren Anteil hatten. Damals war von keinem Polizeipräsidenten bei
einer Demonstration der Begriff der Deeskalation angewendet worden.
Sie wird heute im Vorfeld jeder Demonstration angewendet. Lesen Sie
die Ausführungen des damaligen Frankfurter Polizeipräsidenten nach,
der gesagt hat: Auch das, was wir zum Teil gemacht haben, auf am Boden
liegende Demonstranten einzuprügeln, war nicht richtig. - Das müssen
Sie doch einmal gegeneinander halten. Wir haben die Möglichkeit, über die Anteile an der
Erfolgsgeschichte der deutschen Demokratie zu diskutieren, und das
sollten wir auch tun. Sie haben einen Anteil und wir haben einen
Anteil. Meine Damen und Herren Kollegen, Sie haben dabei wiederum zwei
Möglichkeiten. Sie können sich Ihren Anteil offensiv aneignen. Dann
gehen wir wieder in die politische Diskussion zurück und dann führen
Sie die Opposition. Sie haben aber auch die Möglichkeit, Ihren Anteil
sozusagen zu verleugnen und virtuell in die Zeit vor 1968 zurückzukehren
nach dem Motto: Wer hat denn Recht gehabt? Wir werden die vergangenen
Schlachten mit Ihnen jedenfalls nicht schlagen. Wir sind unseren Weg
gegangen. Wir haben uns in diesem Land demokratisch engagiert, zum
Wohle dieses Landes. Das werden wir fort setzen. Sie haben die Möglichkeit,
sich daran zu beteiligen oder in eine Uropposition von vor 1968 zurückzufallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD -
Siegfried Hornung [CDU/ CSU]: Es ist bloß noch die Heiligsprechung
notwendig! - Walter Hirche [F.D.P.]: Jetzt fehlt nur noch, dass sich
alle, die damals nicht zur Gewalt gegriffen haben, entschuldigen
sollen!) |