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Außenminister Fischer: Herr Kollege Pflüger, wenn ich in Kommentaren seriöser
Blätter lese, dass 1968 und der Frankfurter Häuserkampf, bei
dem es um den Erhalt des Westends ging, mit der Noltedebatte oder gar
mit dem Nationalsozialismus vergleichbar seien, muss ich Ihnen
allerdings sagen: Hier scheinen die Proportionen völlig verloren
gegangen zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bei allem, was wir falsch gemacht haben, bei allem, wofür
wir Verantwortung zu übernehmen haben, wofür wir uns zu
entschuldigen haben und wovon wir uns zu trennen hatten, war es doch
letztendlich eine Freiheitsrevolte mit Elementen totalitärer
Gewalt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD -
Widerspruch bei der CDU/ CSU) An diesem Punkt, Herr Kollege Pflüger, bin ich dann
anderer Meinung. Es hatte totalitäre Elemente, es hatte gewalttätige
Elemente, zu denen ich persönlich auch zu stehen habe; aber 1968
und das Folgende hat zu mehr Freiheit und nicht zu weniger Freiheit in
diesem Lande geführt. Das ist meine Haltung bis heute. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD
sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS]) ... Ich will Ihnen auch an dieser Stelle noch einmal sagen:
Das, was Linke in den 70er-Jahren getan haben, nämlich Menschen zu
Schweinen zu erklären und zu meinen, sie ermorden zu dürfen, und
dieses als revolutionäre Tat zu feiern, ist das Schlimmste, was sich
die Linke, die damals zur Gewalt gegriffen hat, die terroristische
Linke, vorzuwerfen hat. Ich verabscheue dies. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Aber genauso sollten wir das auch für rechts gelten
lassen. (Beifall bei der SPD) Wenn ich eine Konsequenz zu ziehen habe, dann ist es
folgende - ich sage das nochmals -: Ich werde in bestimmten
Situationen - nicht in rechtsstaatlichen Situationen, aber dort, wo
Menschen unterdrückt werden und wo sie keine andere Alternative
haben, als sich spontan zu wehren - immer auf der Seite der Unterdrückten
stehen, die sich wehren. Ich habe dies schon gemeinsam mit CDU- und
CSU-Abgeordneten erlebt: Als damals der Putsch in Moskau war, waren
wir im Landtag gemeinsam froh, als die Putschisten gewaltsam
niedergeschlagen wurden und Jelzin auf dem Panzer schließlich gesiegt
hat. Aber jenseits der Fälle, in denen Gewalt als letztes
Mittel für Freiheit und Leben eingesetzt wird, ist sie kein
Mittel der Politik. Ich bitte Sie, dabei nicht wieder zwischen links
und rechts zu unterscheiden; vielmehr muss die Konsequenz sein, dass
dies ausgeschlossen ist (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS - SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) und dass diejenigen, die die Mehrheit haben - ob es die
Linken oder die Rech ten sind -, nie wieder so die Ohren verschließen
sollten, wie das unter anderem Ende der 60er-Jahre historisch
bedingt gegenüber der jüngeren Generation der Fall war. Auch das
sollte man nicht tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) |