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 Barbara Collberg

- ein Nachruf auf meine Schwester

Wer 68 in Berlin die Revolte erlebte und Babsi Herrmann nicht kannte, kann irgendwie nicht richtig dabeigewesen sein. Sie war bekannt wie der sprichwoertliche Bunte Hund. Sie war keine Studentin und fuehrte gewissermassen eine Art Doppelleben: Tagsueber arbeitete sie brav als MTA im Krankenhaus und abends bzw. nachts tauchte sie ein in die Debatten der rebellischen Studenten, vergnuegte sich mit ihnen im legendaeren "Schotten", nahm Teil an den Demos und Aktionen, zeigte den verklemmten Studikern, was sexuelle Revolution heissen kann

Babsi konnte noch mehr. Aus erster Ehe stammte ihr Sohn, Moritz, den sie liebevoll grosszog. Urspruenglich aus Ost-Berlin stammend, ihrer Familie gehoerten die Treptower Mosaikwerke, war sie besonders empfindlich gegenueber Luegen, Heucheleien und Dogmatismus. Als sie merkte, dass der von ihren Genossen gepredigte Antiautoritarismus nicht wirklich ernst gemeint war, loeste sie sich vom studentischen Milieu und schloss sich den Haschrebellen an. Ihre schoene Wohnung in der Schoeneberger Akazienstrasse stand dem Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen jederzeit offen. Bommi Baumann und mich ernannte sie zu ihren Bruedern.

Der Hoehepunkt jener Zeit war fuer sie ein Interview, das sie der Zeitschrift TWEN gab. Damals hoechst umstritten, auch von mir in der 883 kritisiert, jedoch 30 Jahre spaeter ist dieses Interview erhellender ueber den Charakter der APO als viele gelehrte Artikel aus professoraler Feder. Damals glaubten wir, es sei denunziatorisch gegenueber "den Genossen", heute koennen wir herzlich darueber lachen, wissend, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Es gehoert zu den besten feministischen Dokumenten der 68iger.

So wie die Bewegung auseinander driftete, auf so verschiedene Wege fuehrte uns das weitere Leben. Babsi lernte einen Kubaner aus Miami kennen und wurde Frau Romero. Lange hielt sie es jedoch nicht aus in Florida, Machismo war einfach nicht ihr Ding. Zurueck in Europa versuchte sie es auf Ibiza. Dort trat sie fuer die Gruendung einer freien Schule ein: YGAS (Young Genius Art Survival).

1989 fing sich Barbara Collberg, wie sie nun gemaess ihres Geburtsnamens wieder hiess, bei einer Bluttransfusion Hepatitis C ein, die in den letzten Jahren ihren Koerper so schwaechte, dass sie Krebs in Nieren und Leber entwickelte. Es gab keine Heilungsmoeglichkeit. Tapfer versuchte sie, die nicht zu Ende gebrachten Lebensvorhaben noch irgendwie auf die Reihe zu bringen. Sie wollte ihr Erbe geordnet der Nachwelt uebergeben. Sie schrieb noch an ihren Lebenserinnerungen, doch ihre Augen vertrugen den Computerbildschirm immer weniger. Sie versuchte es blind. Leider verblieb ihr nicht mehr genug Zeit. Am 2. Januar 1999 verliess sie uns, um "ins Licht" zu treten, wie sie Bodo Saggel und mir noch wenige Tage vorher erklaerte.

Babsi, Du fehlst uns, gerade heute, Dein Witz, Deine praktische Vernunft, Dein sonniges Gemuet.

Royal Palm Beach, Florida, 7.2.1999

Guenter Langer