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Würden Sie fremden Leuten eine Geschichte erzählen,
die Ihnen peinlich ist? Hier traut sich einer: Rainer Langhans, Ex-Kommunarde und Haremsmitglied Eine humorige Anekdote habe ich nicht parat. Ich schaue
mir die Dinge so lange an, bis ich kein Problem mehr mit ihnen habe.
Frauen sagen, das sei meine Macke. Aber mir fallen Momente ein, die
mir peinlich im Sinne von schmerzhaft sind. Zum Beispiel telefoniere
ich täglich mit meiner inzwischen schon recht betagten Mutter. Der
Prozess, den sie durchmacht, ist für uns Kinder schwer zu ertragen,
Peinlich ist für mich, dass ich die Freundlichkeit und das Verständnis
für sie, während sie nach und nach den Kontakt zu einer anderen Welt
aufnehmen muss, eben nicht immer so aufbringen kann, wie ich das gerne
möchte. Obwohl ich mich mit dem Thema Sterben und Tod schon lange
beschäftige, habe ich Angst, das leise Weggehen meiner Mutter zu
ertragen und sie loszulassen. Überfordert war ich übrigens auch das
eine oder andere Mal im Umgang mit „meinen" Kindern. Ich bin
regelrecht erschrocken, als ich einmal in meiner Verzweiflung anfing,
einen schreienden Säugling zu schütteln. Diese Gewalt ausgerechnet
bei mir ... Das hat mich entsetzt und mein Selbstverständnis auf den Kopf
gestellt. Denn als 68er habe ich mich viel mit alltäglicher und vor
allem äußerer Gewalt auseinandergesetzt und gesehen: Sie ist
zuerst in mir, in uns. Deshalb bin ich nicht Politiker geworden
wie Fischer und Trittin. Ich finde es peinlich für die beiden, wie
sie sich entschuldigen müssen. Sie haben wirklich überhaupt keinen
Grund dazu. Wenn sich jemand entschuldigen muss; dann ist es diese
Gesellschaft, die uns gepeinigt hat. Jeder verrät sich so gut er
kann, daraus lernt man. Aufgezeichnet von Bea Schnippenkoetter Tagesspiegel
vom 11.2.2001 |