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Bernd Rabehl
Subjektiver Faktor
-
Zur Offensivtheorie von
Rudi Dutschke
(Vortrag
in Bad Boll, 6. Februar 1998)
Vorlauf
Ein paar Tage vor
dem Vietnam-Kongreß in Berlin Mitte Februar und nur wenige Wochen vor
dem Attentat Anfang April 1968 plauderten exponierte Vertreter aus
Politik und Wissenschaft auf dem neutralen Boden der evangelischen
Akademie in Bad Boll mit Rudi Dutschke über die Revolution in
Deutschland. Unfaßbares war Gegenstand einer Kontroverse, an der die
Hauptperson, Rudi Dutschke, nur zum Schluß teilnahm. Er hatte
den Abflug in Berlin verschlafen, wie er offen bekannte. Vor allem mit
dem alten weisen Ernst Bloch sprach er dann über die Revolution im
philosophischen und marxistischen Sinn. Hier tasteten sich zwei Persönlichkeiten
ab, die einander über Bücher oder über die Medien kannten und nicht
so richtig wußten, was sie voneinander halten sollten. Für Dutschke
war Ernst Bloch zu diesem Zeitpunkt nicht der Ideengeber der Studenten-
und Generationsrevolte im westlichen Deutschland. Diese Rolle nahmen Herbert
Marcuse und Georg Lukacs ein. Trotzdem hatte Dutschke eine
tiefe Ehrfurcht vor diesem Philosophen. Dessen Schrift über
"Thomas Müntzer" hatte ihn tief beeindruckt. Fremd blieb
ihm dessen Annäherung an den Stalinismus und die Lobhudelei Stalins
und der Sowjetunion als reale Utopie in den Texten der vierziger und fünfziger
Jahre. Über die Revolution zu reden, war deshalb Anliegen des greisen
Bloch und des jugendhaften Dutschke, die sich persönlich kennenlernen
und einen Zugang zueinander finden wollten. Bloch empfand die
Protestbewegung und auch Dutschke merkwürdig: "nämlich die
geringe Klarheit und Sichtbarkeit oder gar Plastik dessen, wofür und
wozu man kämpft. Das Negative ist sichtbar. Die objektive
Unzufriedenheit, Erbitterung und Empörung mit dem, was vorliegt, ist
klar. Darin ist ja auch schon das Positive enthalten. Aber nur nicht
ausgeführt! Man kann nicht unzufrieden sein, wenn man nicht ein Maß
hat, an dem man das mißt, was einem zugemutet wird, wonach man es als
unzureichend betrachtet." Dutschke gab zu bedenken: "Unter
den Bedingungen der Alternative von Kapitalismus und Stalinismus
gerieten der sozialistische Gedanke und der Gedanke der Emanzipation
in eine totale Sackgasse." Jetzt gab es einzelne Durchblicke,
aber längst noch keine Alternative. Dutschke bezog sich auf vier
Fragestellungen oder "vier Ebenen", wie er es nannte, die
das Problem der Veränderung oder der "Revolution" im
westlichen Deutschland umschrieben. Die nationalen, sozialstaatlichen
und demokratischen Ansprüche in der Bundesrepublik wurden primär
"restaurativ - autoritär beantwortet". Der Krieg in Vietnam
öffnete der Studentenschaft die Augen über die Abhängigkeit dieser
Republik von der Großmacht USA. Die Legitimation dieses Krieges durch
Politik und Wissenschaft machte deutlich, wie tief diese Republik
verstrickt war in dem US-amerikanischen Machtanspruch in der Welt. Die
Krisenanfälligkeit der deutschen Wirtschaft, die sich gerade auch in
der Hochschulpolitik niederschlug, war für Dutschke ein weiteres,
drittes Indiz, daß die "Normalität" im westlichen
Deutschland zu ihrem Endpunkt kam. Der Kampf für eine
Demokratisierung der Hochschule gewann in diesen Zuspitzungen sehr
schnell die Perspektive einer Demokratisierung und Veränderung der
Gesellschaft und zwar in der realpolitischen Vermittlung zwischen
innen und außen, zwischen der Situation in der Bundesrepublik und des
"Kampfes zwischen Revolution und Konterrevolution in der Dritten
Welt". Die antiautoritäre Bewegung hatte ihren Rückhalt in den
gesellschaftlichen Schwachpunkten, vorläufig an Universität und
Schule. Sie waren Basis für eine Offensive, um die Gesamtheit von
Gesellschaft zu erschüttern: "Und ein Letztes zu Professor
Bloch: Die Wirklichkeit drängt nicht zum Gedanken. Ich halte die
These in dem Satz von Marx nicht für richtig: Es genüge nicht, daß
der Gedanke zur Wirklichkeit dränge, sondern die Wirklichkeit müsse
zum Gedanken drängen. Wahr: Dahinter stand das Vertrauen auf die
objektive Dialektik des historischen Prozesses." Gedanken und
Wirklichkeit waren längst nicht einbezogen in eine "Dialektik
der Revolution" Die Bedingungen dafür mußten geschaffen werden.
Sie waren nicht länger abhängig von den "Klassenkämpfen".
Für Dutschke war jetzt der subjektive Faktor gefragt, Veränderungen
herbeizuführen, der sich aus neuartigen gesellschaftlichen
Konstellationen ergab und der die Revolution der Zukunft festlegte..
Aber gerade darüber bestand innerhalb der antiautoritären Linken
eine langwierige Kontroverse, wovon Dutschke nur einzelne Motive und
Gedankengänge andeutete in Bad Boll, die ihn bewegten und die die
Mosaiksteine seiner Revolutionsauffassung bildeten. Die Hintergründe
des Denkens über den subjektiven Faktor und über eine "Offensivtheorie"
sollen an dieser Stelle nachgetragen und skizziert werden.1
Unversöhnbares
Die Subversive
Aktion bildete für Rudi Dutschke und für seine Weggenossen
1963/65 so etwas wie ein Gedankenlabor. Hier wurden Theorien und Ideen
vorgestellt und diskutiert, die erst später Aktualität erlangen
sollten. In dieser Gruppierung trafen ost- und westdeutsche Akteure
und ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Bildungslebnisse
aufeinander. Die Westler waren überzeugt, daß Wirklichkeit
theoretisch neu erschlossen werden mußte und daß die Tradition von
Aufklärung oder Sozialismus wenig Aufschlüsse geben konnte über die
gegebene soziale Widersprüchlichkeit, war dieses Denken doch
hindurchgegangen durch die Verbrechen von Nationalsozialismus und
Stalinismus. Die Psychoanalyse, aber auch die ästhetische Sichtung
von Situationen waren für die Westsubversiven Ausgangspunkt
theoretischer Erörterung und Grundlage für Provokationen. Die Ostler
waren überzeugt, daß die Klassiker, vor allem die Revolutionsentwürfe
der deutschen und russischen Revolutionäre subversives Material für
die Gegenwart enthielten, waren ihre Bücher ab Mitte der zwanziger
Jahre in Deutschland und Rußland nicht zufällig Polemiken,
Denunziationen, Verboten, und Verdrängungen ausgesetzt. Sie wanderten
sehr bald auf die Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen, die beide
Diktaturen errichteten. Bestimmte Inhalte und Zielsetzungen von
Revolution sollten aus der allgemeinen Erinnerung verschwinden. Nach
der Überzeugung der Ostler galt es, die Authentizität von Freiheit
und Emanzipation in den vergangenen Revolutionen zu entschlüsseln und
zu aktualisieren. Der interne Streit in der Subversiven Aktion
zwischen den ost- und westdeutschen Akteuren ging u.a. darum,
inwieweit die Rückbesinnung auf Hegel und Marx, aber primär auf die
politischen Exponenten der russischen oder deutschen Revolution, die
theoretische Rezeption des gegenwärtigen Zeitalters einengte bzw.
eine ideologische Geschlossenheit erlangte. Nach der Sichtweise der
Westler wurden dadurch Durchblicke behindert bzw. entstanden
ideologische Interpretationen, die die vergangene Revolution auf die
Gegenwart projizierten. Die Ostler setzten dagegen, daß nur aus der
jeweils konkreten Revolutionsgeschichte gelernt werden konnte, wurden
noch einmal die Widersprüche des Freiheitskampfes offengelegt. Ohne
dabei die dissidenten Denker jener Epoche neu zur Sprache zu bringen,
wurde eine Auseinandersetzung mit den gescheiterten Revolutionen unmöglich.
Diese war jedoch notwendig für den eigenen Freiheitskampf, sollten
etwa in der Organisationsfrage oder in der politischen Taktik nicht
die uralten Fehler wiederholt werden. Beide Positionen ließen sich
kaum synthetisieren, hegten die einen doch die Befürchtung, daß
vergangene Kämpfe und Filmgestalten die aktuellen Diskussionen
vernebelten und zur Geisterstunde verkehrten, so waren die anderen überzeugt,
daß alle Anstrengungen der Emanzipation immer wieder im Karussel
alter Fehler endeten. Letztlich sprengte diese Diskussion die
Subversive Aktion und provozierte innerhalb des SDS und der APO Jahre
später das Kostümfest, auf dem die Akteure sich jeweils verkleideten
in die Revolutionshelden vergangener Epochen und ungleichzeitiger
Revolutionen.2
Repression und
Gegenwehr
Die
Subversiven aus dem Westen sahen Ansatzpunkte von gesellschaftlicher
Veränderung primär darin, Einfluß zu nehmen auf die psychologische
Konstitution der Menschen. Wirtschaft und Politik besaßen eine
Umsetzung ihrer Macht- und Herrschaftsprinzipien in dem autoritären
Charakter. Deshalb besaß jede Bedingungsanalyse von Macht ihre
Grenzen im Zustand der Menschen, die die kapitalistische Herrschaft
nicht etwa nur akzeptierten, sondern immer auch durchlebten und deren
Werte gar nicht mehr hinterfragten. Die kapitalistische Handhabung von
Zeit hatte sich hineingefressen in das menschliche Verhalten. Zeit war
Geld als Arbeits- und Konsumzeit. Die innere Unruhe, Leistungsfähigkeit,
Disziplin, Arbeitshektik, Hierarchie prägten Charaktereigenschaften.
Sie waren längst unbewußte Verinnerlichung von Ordnung und
Unterwerfung. Aus diesen Gründen mußte jeder Freiheitskampf ansetzen
in der Provokation dieser psychologischen Normalität. Menschliche
Urkräfte sollten freigesetzt werden. Das Unbewußte wurde als Quelle
von Phantasie und Produktivität angesehen. Begierden sollten erzeugt
werden. In einer Art Gruppentherapie, die teils nach innen gerichtet
war auf die Haltung der Rebellen, die sich jedoch primär bewährte in
der Aktion bzw. in der gezielten Provokation bestimmter
psychologischer Verhaltensweisen der Menschen, entstanden die Umrisse
eines neuartigen Emanzipationskampfes. Es galt einen Keil zu schlagen
zwischen der psychologischen Konstitution von "Ausbeuter"
und "Ausgebeuteten". Ihre innere Übereinstimmung und ihre
repressive Gemeinsamkeit sollte durch gezielte Provokation aufgelöst
werden. Die Tendenzen von Zerfall, Absurditäten, Ungerechtigkeiten,
Neid oder Unstimmigkeiten, die der moderne Kapitalismus und sein
politisches System tagtäglich "produzierten", sollten durch
die Provokationen ihre Fortführung und Übertreibung erfahren.
Widersprüche spiegelten sich nicht mehr im Bewußtsein. Sie wurden
sichtbar gemacht durch das Spiel von Provokation und Aktion. Ihre
Akteure waren Aussteiger und dissidente Persönlichkeiten, subversive
Quertreiber, die selbst so etwas darstellten wie eine "Antithese"
zum Leistungsprinzip und zum entfremdeten Dasein.3
Frank Böckelmann ging in seiner Einschätzung der "repressiven
Substanz" der Gesellschaft noch weiter. Für ihn wurde sogar die
"Aufdeckung von Repression" ein Spiel, das die Repression
festigte. Kritisches Denken wurde so etwas wie "Legitimation"
einer subtilen Unterdrückung. Die Rebellen waren so etwas wie die
Harlekine und Pausenclowns repressiver Macht. Das war für Dutschke zu
viel. Diese einseitige Festlegung auf die repressive Psychologie
wollte Dutschke nicht akzeptieren. Der aktuelle Emanzipationskampf
stand nach seiner Überzeugung, zwar mehrfach gebrochen, immer noch in
der Tradition der Freiheits- und Klassenkämpfe der Arbeiterbewegung
und unterlag dem Druck der politischen Experimente der Sowjetunion,
Chinas und des "Lagers" dieser Großmächte. Trotz aller
Verkehrungen und Verformungen des "Sozialismus" war dieser
"wesentliche Stützkraft der Revolution", sowohl für die
Befreiungsbewegungen in Asien, Lateinamerika und Afrika, aber auch für
die unterschiedlichen "Aufbrüche" in den Metropolen.
Dutschke drängte die subversiven Mitstreiter, sich auch theoretisch
bewußt zu werden der "Weltvermitteltheit". Er ging deutlich
in Distanz zur Kritischen Theorie, die nach seiner Überzeugung Überlegungen
zum Ausdruck brachte, die von "Privatleuten" stammten, von
einer "linken Professorenschaft", die gedanklich und
kulturell jeden Bezug zu den revolutionären Ereignissen in der Welt
verloren hatten.
Dutschke gab zu erkennen, daß er sich in seiner theoretischen
Sichtweise "sehr stark auf Leo Trotzki" stützte,
ohne sich mit ihm zu identifizieren. Trotzki hatte nach seiner Überzeugung
analytisch deutlich gemacht, warum in der Sowjetunion der Marxismus
durch die Stalinsche Diktatur eine starke Verformung erfuhr und wo die
Ansätze einer Renaissance lagen. Gerade weil der Marxismus-Leninismus
den Freiheits- und Emanzipationskampf verleugnet und verdrängt hatte,
bildete er keinerlei Kontinuität und Ansatzpunkt einer Erneuerung der
dialektischen Theorie. Diese "Rekonstruktion" konnte nur
gelingen, indem die neuen Verhältnisse und Tendenzen der
kapitalistischen Vergesellschaftung in den Metropolen bedacht wurden
und indem von Hegel und Marx her, aber auch von den dissidenten
Denkern des Marxismus her die Elemente einer neuartigen
Revolutionstheorie zusammengetragen wurden. Die Kritische Theorie war
hier nur ein Element der dialektischen Aufarbeitung. Der Stalinsche
Sozialismus war nach Dutschkes Auslegung "totalitäre Herrschaft",
die viele Gemeinsamkeiten mit Faschismus und Nationalsozialismus barg.
Aus diesem Herrschaftstyp war nichts zu entnehmen für die zukünftigen
Kämpfe. Er mündete nicht zufällig in Zwangsarbeit und Massenmord,
bevor das braune Spiegelbild ähnlich die politischen Gegner, aber
auch den eingebildeten "Feind" liquidierte. Weil dieser
Zusammenhang nicht aufgedeckt wurde von den Kommunisten, lief der XX.
Parteitag der KPdSU von 1956 ins Leere und wurden keinerlei radikale
Konsequenzen gezogen. Trotzdem besaß auch die Sowjetunion immer noch
Potenzen und war politischer Faktor im Geschehen von Revolution und
Konterrevolution, weil sie Weltmacht war und weil sie immanente
Tendenzen barg, die sozialistische Perspektiven freisetzen konnten.
Diese Lücke auszufüllen, kritisch die Ergebnisse der "Errungenschaften"
des Sozialismus aufzuarbeiten und zu konfrontieren mit denen des
westeuropäischen Reformismus, auszuwerten die Marxsche und die
marxistische bzw. dialektische Theorie, war Aufgabe der subversiven
Denker. Es galt, über die Vermittlung nachzusinnen, die sich aus den
historischen Perspektiven und Ebenen der differenten Geschichte der
Sowjetunion, der europäischen Arbeiterbewegung und der Geschichte der
deutschen Linksintelligenz ergab, aber die auch Bestandteil war der
Lage der deutschen Gesellschaft in bezug zur NS-Vergangenheit, zu Ost-
und Westeuropa, aber auch zu den Befreiungskriegen in der Dritten
Welt. Die Kritische Theorie bildete nur eine Facette der "deutschen
Ideologie", aber auch der "dialektischen Theorie". Sich
auf diese festzulegen, würde ein Fehler sein, denn dieses "hervorragende
Denken" lebte von der Trennung von Denken und Sein und besaß
keinerlei Interesse, die Verhältnisse zu verändern.4
Böckelmann machte gegenüber Dutschke einen Rückzieher und
akzeptierte diese vieldimensionalen Perspektiven einer dialektischen
Theorie. Allerdings gab er eine Erklärung zu seinem Pessimismus, daß
sogar die Kritik Bestandteil von Repression war, die die innere
Spaltung der subversiven Denker verdeutlichte. Kritik trug nach Böckelmann
immer auch einen repressiven Charakter, weil sie erfüllt war von
einem "sklavischen Masochismus", der nicht nur die Massen
befiel, sondern auch die Intelligenz. Kritik war erfüllt von der
Faszination über die Raffinesse von Herrschaft, über ihr subtiles
Vorgehen, so daß die Enthüllung immer auch um die Anerkennung der Mächtigen
buhlte. Sie war Spiel, Sensation, Spektakel, die die Seiten der
Illustrierten und Nachrichtenmagazine füllte, den Umsatz steigerte,
jedoch nichts bewirkte, Spaß blieb, eine Art Gedankenspiel oder immer
auch die Ohnmacht demonstrierte, daß alles beim Alten bleiben würde.
Böckelmann schien es wichtiger, die Psyche bzw. die psychologische
Subsumtion anzukratzen, statt Aufklärung im alten Stil zu betreiben
und auf das Bewußtsein zu zielen. Dem "frischfröhlichen
Marxisten" Dutschke riet er, genauer die psychologische "Ambivalenz"
der Repression und die Bewußtseinsperversion eines westlichen Großstadtlebens
zu durchdenken, statt mit einer Allerweltsdialektik aufzuwarten, die für
das 13. aber auch 20. Jahrhundert paßte, weil sie so allgemein,
abstrakt und revolutionsästhetisch aufbereitet war.5
Böckelmann war jedoch nun voller Mißtrauen gegen die Ostler, die
Aktion zu verwechseln schienen mit pubertärer Fröhlichkeit,
Renommiererei oder "FDJ". Er hegte die Befürchtung, daß
die "Zündkraft" revolutionärer Ideen als "publizierte
Gedanken" doppelt verloren ging, einmal als naive Analogiesetzung
mit den Revolutionskämpfen der Vergangenheit oder der Kriege in der
Dritten Welt oder als Ausverkauf von Originalität, die sofort als
Schauspielinszenierung oder Medienklatsch vereinnahmt wurde. Ein
Anliegen war ihm, den Begriff von "Proletariat" und die
dialektische Rolle der "Entwicklungsländer" im "Revolutionsprozeß"
zu diskutieren. Der Arbeiter der "industriellen Revolution"
in Westeuropa setzte seine Klassenwirklichkeit als Ausbeutung,
Krankheit, Hunger, Ungerechtigkeit, Billiglohn noch identisch mit dem
Klassengegensatz. Die Interessen, gegen dieses elende Leben anzukämpfen,
trugen deshalb einen politischen Charakter und waren Ausdruck von
"Klassenkampf". Heute war diese Klassenwirklichkeit vielfach
gebrochen durch Verträge, Abmachungen, Zugeständnisse und
Lebensformen, die sich längst gelöst hatten von der Unmittelbarkeit
einer Klassenexistenz. Nach Böckelmann hatte sich die "leibliche
Verkörperung" des Klassengegensatzes aufgelöst. Das Kapitalverhältnis
war die Abstraktion seines Ursprungs, war System von Management,
anonyme Herrschaft als technologische Arbeitsteilung, bürokratische
Verwaltung, Leistungsprinzip, Marketing, Manipulation, Sozialstaat,
Kooperation von Gewerkschaften und Reformismus mit den Interessenverbänden
des "Kapitals", kurz: "System". Die ökonomische
Basis war zwar weiterhin Impulsgeber des politischen Zusammenhangs von
bürgerlicher Gesellschaft, dieser wies jedoch in Politik, Konsum,
Lebensweise, Psychologie Verselbständigungen auf, die sich nicht mehr
reduzieren ließen auf die Widerspiegelung von "Basis und Überbau"
oder auf die "Kultur" bestimmter Klassen. Diese lösten sich
weitgehend als politische Kontrahenten auf, ihre Parteien wurden
"Volksparteien", die ihre Ideologien abrüsteten, so daß so
etwas entstand wie eine allgemeine "Nivellierung" auf
Lebensstil oder Konsumsymbol bzw. kulturelle "Enteignung"
der Klassen, die nur noch an ihren Rändern die alte Polarität von
Armut und Reichtum aufwiesen. Die kapitalistische Gesellschaft hatte
im "Westen" diesen Zuschnitt gefunden, weil sie historisch
hindurch gegangen war durch Klassenkampf und nationalsozialistische
Diktatur, also eine doppelte Aufhebung erfahren hatte, eine politische
und ökonomische und erst dadurch "entpolitisiert" worden
war zu einer modernen Zivilisation. Diese ließ sich nicht durch die
Aktionen studentischer Minderheiten zurückbringen in die Klassenkampf-
oder Bürgerkriegskonstellation der zwanziger Jahre. Ähnlich stand es
mit den Entwicklungsländern. Sie gerieten zwar verspätet in den Sog
kapitalistischer Modernisierung und verkörperten heute die Zeitqualität
des europäischen 19. Jahrhunderts. Entkolonialisierung und nationale
Befreiung waren deshalb so etwas wie Revolutionen, die der forcierten
Industrialisierung Tür und Tor öffneten. Sich einzustellen auf das
Europa der Gegenwart, bedeutete zugleich, sich Gedanken zu machen über
Vietnam, China, Brasilien oder Cuba der achtziger und neunziger Jahre.
Nach Böckelmann wies die Vermittlung des Weltprozesses nicht auf eine
revolutionäre Epoche, sondern sie war Ausdruck eines kapitalistischen
Zeitalters, das sich jetzt alle Weltregionen unterwarf. Alle Aufstände
und Rebellionen, die in diesem Zusammenhang losgetreten wurden,
enthielten keinerlei Merkmal neuartiger Umwälzungen oder waren
Bestandteil des Endpunktes kapitalistischer Entwicklung; im Gegenteil
waren sie teils Relikte bürgerlicher Revolutionen, teils Ergebnis
neuartiger Konflikte im modernen Kapitalismus, die nicht den
Klassengegensätzen folgten, sondern Disparitäten, Generationsgegensätze
oder Ungereimtheiten des komplizierten Machtsystems von Kapitalismus
waren.6
Offensive
Es
kam, wie es kommen mußte, die Kontrahenten, die keinerlei
Gemeinsamkeiten hatten in Denken, Sprache, Mentalität und Zielsetzung,
trennten sich. Die Subversive Aktion zerfiel in die zwei Bestandteile
von westlicher Kulturkritik und östlichem Aktionismus auf der
Grundlage eines "dissidenten Marxismus". Ein Westler
allerdings erlag nicht nur der Faszination Dutschkes, er war auch überzeugt,
daß die Ostler interventionsfähig waren und genügend Tatkraft
aufbrachten, sich einzumischen. Dieter Kunzelmann hielt die
Kontakte zu Rudi Dutschke und Bernd Rabehl, die über
die Tschombé-Demonstration von Dezember 1965 sich einen spekulativen
Eintritt in den SDS verschafften. Hier bildeten sie von Anfang an eine
"Fraktion", die sie feinfühlig als die Viva-Maria-Gruppe
titulierten. In einem Filmspektakel von Louis Malle
symbolisierten Brigitte Bardot und Jean Moreau
Anarchismus und Marxismus, die sich zusammenfanden und eine Einheit
bildeten und in diesem Zusammenhalt eine siegreiche Revolution in Gang
setzten. Im SDS sollten die theoretischen Übergänge anarchistischer
Radikalität und marxistischer Reflektionsgabe die Sprengkraft bilden,
den traditionellen Sozialismus zu überwinden und neue Aktionsfelder
zu finden. Als die Versuche von Seiten der "Keulenriege"
scheiterten, diese Fraktion zu isolieren bzw. herauszudrängen, wurden
vom Bundesvorstand des SDS, Helmut Schauer, Hartmut
Dambrowski und Frank Deppe, der Versuch unternommen, primär
Rudi Dutschke und Bernd Rabehl zu kooptieren oder sich
soweit inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen, daß ihre
theoretischen Ansätze entschärft oder auf einen Punkt getrieben
wurden, wo sie sich als unvereinbar erwiesen mit dem Status des SDS
als Hochschulgruppe und sozialistischen Verband, der nicht in die
Illegalität hineingedrängt werden durfte und der auch nicht die
gesetzliche Zusage der Förderungswürdigkeit durch den
Bundesjugendplan verlieren sollte. Vom 12. bis 20. März 1966 wurde
ein SDS-Seminar im Naturfreundehaus in Oberreifenberg/Taunus
verabredet. Es stand unter dem Thema: "Zur Geschichte der
Arbeiterbewegung". Referenten waren etwa Frank Deppe, der
über "die bürgerliche Revolution und die Entstehung der
Arbeiterklasse" sprach. Oscar Negt referierte über
"die Rezeption der Marxschen Theorie in der sich entwickelnden
Arbeiterbewegung". Fritz Lamm hatte das Problem der "Sozialreform
oder Revolution" zum Thema. Richard Lorenz redete zum
Problem: "Wandlungen des Marxschen Revolutionsbegriff in der
Russischen Revolution". Rudi Dutschke zielte in seinem
Beitrag auf die kritische Rezeption historischer Klassenkämpfe und
ihrer theoretischen Interpreten. Seine Thematik lautete: "Die
revolutionären Ansätze in der westeuropäischen Arbeiterbewegung bis
1923 und die Wiederherstellung der Marxschen Theorie durch Lukacs und
Korsch. Hanno Drechsler sprach über das Thema. "Die
politische Antwort der Arbeiterparteien auf Faschismus und
Wirtschaftskrise". Ursula Schmiederer befaßte sich mit
"Kalter Krieg, Koexistenz und die Politik der westeuropäisch
sozialistischen Parteien nach 1945". Kurt Steinhaus nahm
die Fragestellung Dutschkes auf durch seinen Beitrag: "Einflüsse
der Kolonialrevolution auf die westeuropäische Arbeiterbewegung und
ihre Politik". Oscar Negt und Helmut Schauer
verbanden jeweils aktuelle Themen miteinander. Ihre Referate trugen
den Titel: "Integration und politisches Bewußtsein der
Arbeiterklasse im Spätkapitalismus" und "Intellektuelle und
Arbeiter in der Bundesrepublik - politische Möglichkeiten".7
Die Thematik der Subversiven Aktion hatte Kreise geschlagen und war
nun Gegenstand eines SDS Seminars, das primär bestritten wurde von
der Marburger Schule um den Professor Wolfgang Abendroth (Frank
Deppe, Hanno Drechsler, Ursula Schmiederer, Kurt Steinhaus). Außerdem
wurde der Altsozialist und Gewerkschaftler Fritz Lamm, Mitglied
der IG Metall und Veteran der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP),
aufgeboten, den Neuradikalen den "proletarischen Standpunkt"
nahe zu bringen. Richard Lorenz war in den fünfziger Jahren
Assistent von Ernst Bloch in Leipzig und befaßte sich nach
seinem Grenzwechsel in die Bundesrepublik mit der modernen russischen
Geschichte am Institut für Ostforschung in Marburg. Oscar Negt
war Assistent am Lehrstuhl von Professor Theodor Adorno an der
Frankfurter Universität. Der Bundesvorsitzende des SDS, Helmut
Schauer, war eine Art Ziehsohn von Fritz Lamm und vertrat
die Position eines unabhängigen Sozialisten, der allerdings
orientiert war auf die Politik der IG Metall. Ein historischer
Sachverstand sollte die Interpretationsgabe von Rudi Dutschke
relativieren, wenn nicht sogar überwinden. Er blieb auf diesem
Seminar die Hauptperson. Seine wenigen Mitstreiter, etwa Till
Wilsdorf, Peter Rambauseck, Manfred Hammer, Lothar Menne, Gretchen
Klotz-Dutschke, Bernd Rabehl, Rainer Langhans, Klaus Gilgemann,
wobei die letzten beiden sich immer wieder von Dutschke distanzierten,
waren umringt von den Parteigängern der unterschiedlichen "Schulen"
oder Gruppierungen aus Marburg, Frankfurt, Köln, Hamburg, die wohl
eine innere Allianz eingegangen waren, um den ideologischen Schaden,
die die Subversiven verursachten, zu begrenzen. Dieter Kunzelmann
und Marion Stergar waren von den Veranstaltern wieder
ausgeladen worden. Die Thematik des Seminars bezog sich letztlich
immer darauf, ob die Arbeiterklasse Subjekt des Geschehens blieb,
welche Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung gezogen werden
konnten, welchen Stellenwert einer Organisation wie dem SDS im
internationalen Klassenkampf zukam und ob aus den Kreisen der
sozialistischen Intelligenz die Offensive gestartet werden konnte, die
politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik zu erschüttern? Es
gab mehrere Protokollanten, die die Diskussion aufzeichneten. Außerdem
hatte Dutschke sich ausführliche Notizen gemacht, die seine
Sichtweise begründen sollten. Protokolle und Notizen liegen in den
Akten des Bundesvorstandes des SDS vor und sollen an dieser Stelle
kurz interpretiert werden.
Frank Deppe ging orthodox marxistisch vor. Für ihn war der
"Reifegrad" der sozialistischen Theorie Ausdruck des
Entwicklungsstandes der Produktivkräfte. Überwundene und veraltete
Theoriekonzepte der Vergangenheit, etwa von Graccus Babeuf, Auguste
Blanqui, Michail Bakunin oder Joseph Proudhon ließen sich
nicht einfach übertragen auf die Gegenwart. Das Problem des
Revisionismus war, welche Variante er auch jeweils annahm, daß er
eine bestimmte Situation des Klassenkampfs oder seines Stillstands
absolut setzte und die Gesamtdimension weltweiter Klassenkämpfe aus
dem Auge verlor. Ähnlich waren auch die Kolonialrevolutionen der
Gegenwart abhängig von der internationalen Solidarität, sollte ihr
Kampf nicht scheitern. Ein erster Streit entbrannte über die Rolle
des Anarchismus in der Ersten Internationale, über die Bedeutung der
"antiautoritären Opposition" gegen "Marxisten"
und "Blanquisten". Die Analogie war unübersehbar. Rudi
Dutschke und Bernd Rabehl bezogen sich in ihrer
Argumentation primär auf die Erfahrungen des russischen Anarchismus,
der in Bakunin einen gesamteuropäischen Vertreter gefunden hatte. Sie
bezogen sich in der Diskussion auf einen Roman von Alexander
Ropschin, der 1912 in Leipzig übersetzt und verlegt worden war.
A. Ropschin war ein Pseudonym von Boris Sawinkov, ein
Bombenleger und Stadtkämpfer des illegalen Arms der russischen "Sozialrevolutionäre",
dessen Geständnisse in Tschekahaft nach 1918 im Jahre 1924 von
Arkadij Maslow, dem Weggefährten von Ruth Fischer, damalige
Vorsitzende der KPD, in Berlin publiziert wurden. Ropschin-Sawinkov
machte in beiden Texten deutlich, daß der bewaffnete Kampf in einer
gesellschaftlichen Situation der "Paralyse" nicht nur
politische Taktik war, sondern die Verhältnisse auf Bürgerkrieg und
Revolution zuspitzte. Paralyse umschrieb für Rußland eine Realität,
wo die staatliche Bürokratie des zaristischen Staates, aber auch die
entstehende Bourgeoisie die Fähigkeit der Initiative verloren hatte.
Gleichzeitig war die Masse der Bauern nicht mehr bereit, die Zeche
einer weitgehend verfehlten Industrialisierung zu zahlen. Sie versagte
jeglichen Gehorsam und besetzte Gutshöfe, Polizeistationen,
staatliche Behörden und zündete diese zu Stein gewordenen Symbole
von Klassenherrschaft an. Die Bauernschaft stellte jedoch historisch
keinerlei Alternative zum gesellschaftlichen Zustand dar. Die großindustrielle
Arbeiterschaft bestreikte die Betriebe besetzte sie sogar, blieb
jedoch im Volk isoliert. Die Kleinbürger zogen sich aus der
politischen Verantwortung zurück, aber auch sie entwickelten
keinerlei Pläne und Konzeptionen für die Zukunft. Die Jugend
rebellierte, war unzufrieden mit dem Schul- und Universitätssystem,
aber auch sie hatte nicht die Kraft zu einem sozialen Aufbruch. Der
innere moralische und politische Zerfall gesellschaftlicher Stabilität
konnte noch forciert werden, indem gezielt einzelne Vertreter der
herrschenden Bürokratie oder der Großbourgeoisie, die Perspektiven
und die Führerschaft in einzelnen Machtfraktionen verkörperten und
in der Lage gewesen wären, die gesellschaftliche Stagnation zu überwinden,
durch den illegalen Arm revolutionärer Parteien durch Bomben oder
Attentate umgebracht wurden. Dadurch verloren die Herrschenden die
Persönlichkeiten, die Impulse geben konnten oder die die wichtigen
Repräsentanten von Politik waren. Sie waren auch nicht einfach
ersetzbar. Angst breitete sich in ihren Reihen aus. Die Herrschenden
verloren die Gabe zum Herrschen. So war nach Ropschin-Sawinkov
der subjektive Faktor von Terror Element einer revolutionären
Offensive, die die subjektiven Bedingungen von Revolution herstellte.
Rußland von 1905 und 1917 besaß nach Dutschke und Rabehl
durchaus Parallelen zu Westeuropa der endsechziger Jahre. Dort in Rußland
stand die kapitalistische Entwicklung zwar erst am Anfang und die
modernen Klassen hatten sich längst nicht politisch formiert, jedoch
erlaubten die Konzentration von Herrschaft auf Staat und Großkapital
und die Führungskrise dieser Schichten die terroristische Offensive.
Hier in Westeuropa war ein vorläufiger Endpunkt kapitalistischer
Dynamik erreicht. Die sozialen Klassen waren zu bloßen Massen
reduziert, verkörperten zwar Unruhe und Unzufriedenheit, aber waren
ähnlich wie die russischen Bauern und Kleinbürger zu politischer
Tatkraft unfähig und neigten eher zu faschistoiden Vorurteilen oder
Parteien. Die Herrschenden selbst bildeten nur noch eine politische
Clique, die zwar über Wirtschaft, Staat, Verbände und Parteien gut
organisiert waren, sich jedoch in Abhängigkeit befanden zum US-Imperialismus,
deren Macht dabei war, in Vietnam und Cuba sich zu verschleißen,
weshalb sie in eine politische und moralische Krise sich hineinbewegte.
Lediglich die "Jugend" als Generation und Studentenschaft
war zu revolutionären Initiativen fähig. Sie mußte sich jetzt
revolutionär organisieren und dabei durchaus die produktiven Aspekte
von Terror und Offensive bedenken. Allerdings mußte dabei bedacht
werden, daß die Herrschenden durchaus über den revolutionären
Terrorismus ihre Stabilität und Legitimität zurückgewinnen konnten,
indem sie dagegen Staat und Repressionsapparat organisierten und das
"Volk" gegen die "Revolutionäre" aufwiegelten.
Genau diesen Aspekt schilderte Ropschin-Sawinkow in dem Roman
und Geständnis, wo er jeweils darlegte wie die russische
Geheimpolizei den revolutionären Geheimbund unterwanderte und im
Sinne der staatlichen Gewalt instrumentalisierte. Einer der führenden
Revolutionäre war Polizeiagent und steuerte Attentate und Aktionen im
Interesse staatlicher Macht. Schon aus diesen Gründen war es wichtig,
daß eine entstehende Stadtguerilla Teil der politischen
Oppositionsbewegung blieb und sich nicht als Terrorgruppe verselbständigte.8
Gegen solche Interpretationen redeten Helmut Schauer und Frank
Deppe an. Für den einen hatten anarchistische Aktionen nur einen
Sinn, waren sie eingebettet in einem organisierten Klassenkampf und
standen sie unter dem Einfluß marxistischer Parteien. Für den
anderen gewann der anarchistische Terror auch in den unterentwickelten
Ländern keinerlei Bedeutung, selbst wenn die ökonomischen Verhältnisse
labil waren oder "stagnierendes Bewußtsein im Volk" sich
ausbreitete. Nur der gut organisierte, revolutionäre Krieg hatte hier
eine Perspektive. Für die Metropole war eine derartige Wendung zum
Terrorismus fatal, beeinträchtigte er doch die Kampfkraft der
Arbeiterbewegung.9
Auch die anderen Dozenten waren bemüht, derartige Spekulationen über
Anarchismus und Offensive kaputtzureden und zu überwinden. Die
Marxsche und Leninsche Ableiterei von Kapitalismus und Imperialismus
wurde aufgeboten, um das intuitive Denken der Antiautoritären zu
konfrontieren mit materialistischer Logik und Weltanschauung. Fritz
Lamm wollte die materiellen Grundlagen von Reformismus und
Revisionismus in seinem Beitrag aufdecken. In Deutschland gab es immer
wieder Formierungen und Bündnisse zwischen Kapital und Arbeit nach
seiner Überzeugung, die gesteuert wurden über das Rüstungskapital
und das Militär. Die Idee der "Formierten Gesellschaft"
folgte 1966 diesen Beispielen der Kriegswirtschaft im I. Weltkrieg,
der unterschiedlichen Weimarer Koalitionen und der Absprachen nach
1949. Warum in Rußland derartige Koalitionen nicht möglich waren und
durchbrochen wurden durch spontane Volkskämpfe, aber auch durch die
Interventionen der Bolschewiki, 1905 noch 1917, war Gegenstand des
Vortrages von Richard Lorenz. Diese Fragestellungen brachten
Dutschke schließlich dazu, Stellung zu beziehen zum Problem der
Machtverschränkung von reformistischen Parteien und Gewerkschaften,
Staatsapparat und Großkapital, die eine aktuelle Bestimmung von
"Politik" enthielt und über den traditionellen Marxismus
nicht erschlossen werden konnte. Dutschke wurde in seinen Ausführungen
permanent unterbrochen und es bestand durchaus die Absicht, ihn als
inkonsequenten und idealistisch spekulativen Denker vorzuführen und
zu widerlegen. Laut Protokoll begann er damit, den Zustand in der
Dritten Welt und in den westlichen und östlichen
Industriegesellschaften als eine "totale Negation" zu umreißen,
weil die Gesellschaften in den Elendsregionen der Welt den
kapitalistischen Weg nicht mehr nachvollziehen konnten, weil die
technologisch organisatorischen und produktiven Vorgaben des modernen
Kapitalismus zu hoch waren, aber auch weil der Realsozialismus die
sozialistische Perspektive verloren hatte, gleichzeitig die Adaption
kapitalistischer Produktionsmethoden nicht vollziehen durfte, wollte
er sich nicht einem inneren Zerfall aussetzen. Der moderne
Kapitalismus selbst lebte nur noch über Rüstung,
Produktionsverschleiß, "tote Kosten", Staatskrücken und
weitgehend unproduktive Ausgaben, so daß diese Interventionen immer
wieder den gesellschaftlichen Reichtum zerstörten. Von daher war der
Sozialismus überfällig. Seine Freisetzung aus dem kapitalistischen
System war längst nicht mehr die Tat der Arbeiterklasse, sondern war
Angelegenheit der unterschiedlichen Sozialisten. Ansatzpunkte ergaben
sich aus den Tendenzen der kapitalistischen Stagnation, aber auch bei
den vielen Einzelpersonen der konformen Masse, die primär psychisch
die Sinnlosigkeit von Leistung und Disziplin nicht mehr aushielten.
Der moderne Kapitalismus verkörperte bereits die sozialistische
Utopie, deren Freilegung Anstrengung der vielen Einzelnen, aber auch
der unterdrückten Restklassen war. Die "totale Negation"
besaß eine innere Dialektik von Entfaltung der Produktivkräfte und
der vitalen Bedürfnisse der Menschen nach Veränderung und
Revolution. In der Dritten Welt definierte diese "Negation"
den Widerstand gegen den alten und neuen Kolonialismus. In den
Metropolen waren die Massen noch befangen im Herrschafts- und
Verblendungszusammenhang, weshalb vorerst Einzelne, dann Gruppen,
Generationen und später durchaus Massen ausbrechen konnten aus diesem
manipulativen Herrschaftssystem. Allerdings waren die Sozialisten
gefordert Alternativen zu eröffnen, die sich lösten aus den
Verkrampfungen alter Weltanschauungen oder aus dem Blendwerk östlicher
Propaganda. Für Dutschke war das Zeitalter der proletarischen
Revolution vorbei. Es wurde ersetzt durch neuartige "Volksrevolutionen",
die in Gang gesetzt wurden von den Erniedrigten und Beleidigten, von
den Aussteigern und Unzufriedenen, die aus allen Volksschichten kamen,
primär jedoch aus der dissidenten Intelligenz. Erst jetzt wurde verständlich,
warum es einen Zusammenhang gab zwischen den kämpfenden und der
leidenden Menschheit, der in Vietnam symbolisiert wurde. Helmut
Schauer intervenierte. Für ihn war diese "totale
Negation" zu abstrakt, um das reale Elend in den
unterentwickelten Ländern zu fassen und es zu vergleichen mit einer
psychologischen Verelendung in den Metropolen. Die Weltkriege und die
nationalsozialistische Diktatur enthielten historisch auch eine
derartige Negation, die jedoch nie so total war, so daß Revolutionen,
Befreiungskämpfe, Neuordnungen und Sozialismus dieser Negation folgen
konnten. Schauer war außerdem überzeugt, daß nur eine kleine Gruppe
von Intelligenz überhaupt diese abstrakte Identifizierung von
leidenden und kämpfenden Menschen nachvollziehen konnten. Die Absage
an das Proletariat empfand er als Skandal.10
Dutschke bezog sich in seinem Referat auf die Offensivtheorie von Georg
Lukacs, die dieser zu Beginn der zwanziger Jahre entwickelt hatte.
Gerade weil der Hauptteil der reformistischen Arbeiterbewegung immer
wieder über die SPD und Gewerkschaften bereit war, Kompromisse
einzugehen mit Kapital, Reichswehr und Staat, mußte die revolutionäre
Linke sich als Störfaktor begreifen. Sie mußte durch ihre Aktionen
neue Bedingungen schaffen, die gleichzeitig das herrschende Machtbündnis
in Frage stellten und neue Forderungen und Ziele enthielten, die
hinausgingen über die ausgehandelten Zugeständnisse. In den
zwanziger Jahren hätte die KPD ein derartiger Störfaktor sein können,
wenn sie nicht immer stärker der sowjetischen Außenpolitik oder den
Auflagen der Kommunistischen Internationale gefolgt wäre, deren
Interessen identisch waren mit den Machtinteressen der Konsolidierung
der bürokratischen Diktatur in Moskau. Diesen Zusammenhang von
Reformismus und Revolutionismus, die jeweils gebunden waren an realer
Macht und diese jeweils rechtfertigten, mußte eine kritische
Aufarbeitung von Arbeitergeschichte durchdenken. Die dissidenten
Denker dieser Zeitspanne, etwa Georg Lukacs und Karl Korsch,
waren deshalb interessant, weil der eine die Möglichkeiten von
Offensive zu Beginn der Weimarer Republik offen legte und der andere
die Gründe benannte, warum etwa die KPD diese radikale Zielsetzung
nicht verfolgte, sondern sich der KI-Politik unterwarf und den
Subjektcharakter einbüßte. Für Dutschke war die Geschichte der
Arbeiterbewegung eine Geschichte von Niederlagen, die nur in einem
Punkt für die kritische Aufarbeitung interessant werden konnte, indem
hinausgegangen werden konnte aus der doppelten Belastung von
Staatsfixierung und KI-Gefolgschaft. Die Geschichte der
Arbeiterbewegung besaß die Faszination für Traditionssuche, aber
auch für Analogien, die letztlich den Kreis der Niederlagen nicht
durchbrachen, weil sie jeweils nur das Äußere, die bunten Bilder,
die Ereignisse aufnahmen, ohne zu hinterfragen, was damals und heute
das Spannungsfeld von "Politik" ausmachte. Für Dutschke war
bereits zu Beginn der zwanziger Jahre Revolution nicht die
eindimensionale Zuspitzung zum Bürgerkrieg, sondern sie besaß vielfältige
Ursachen und Umsetzungen, weshalb eine Zentralisierung der revolutionären
Kräfte in der KI genauso falsch war wie die militärische
Vorbereitung eines Bürgerkrieges. Dutschke dachte mit Lukacs an
dezentrale Aktionen, an unterschiedliche Revolutionszentralen in
unterschiedlichen Regionen Westeuropas, aber auch an die
unterschiedliche Qualität von Aktionen. Sie enthielten Bündelungen
verschiedener Aktivitäten: Demonstrationen von Arbeitslosen, spontane
Besetzungen von Kaufhäusern und Banken, Arbeiterstreiks, Straßenblockaden,
Ratschlägen in Theatern und Schulen, Frauenproteste usw. Erst im
Kontext dieser Aktionen zeigte sich, ob sie sich aufpendelten zum
Umsturz oder ob sie primär Stimmenzuwachs waren für die radikalen
Parteien und die herrschenden Parteien in Bedrängnis brachten. Die
Fehler der KPD belegte er an Hand der Märzaktion von 1921. Er machte
vor allem deutlich, daß sich nicht automatisch aus einer ökonomischen
Krise revolutionäres Bewußtsein ergab. Im Gegenteil verursachten
Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit stets eine Verwahrlosung
von Denken und Interessen der Betroffenen, war nicht eine
vielgestaltete Bewegung vorhanden, all die Vereinzelten und
Demoralisierten aufzufangen und zu motivieren zu Widerstand und
Protest. Die ökonomische Analyse mußte also Vermittlungen finden zur
jeweils konkreten Situation und Mentalität einer Klassenlage bzw. zur
inneren Stimmung der Unzufriedenen. Der abstrakte Marxismus traf schon
nicht mehr diese stimmungsmäßige Situation und er hatte auch
keinerlei Vorstellung von Politik in der Differenzierung des
herrschenden Machtbündnisses, aber auch des Zusammenhalts von Volk
bzw. seiner unterschiedlichen Gliederungen. Deshalb verfehlte er auch
die Organisationsfrage von Widerstand; er setzte entweder auf die
"Bewegungsgesetze" des Kapitals, die die Klassen und mit
ihnen den Kampf formierten oder er entwickelte das
Organisationsprinzip von Berufsrevolutionären, die in Rußland und in
Deutschland von "Politik" lebten und deshalb die Neigung
hatten, Kampfformen zu zentralisieren, zu bevormunden, zu bürokratisieren
und zu überführen in das Machtgeflecht herrschender Politik. Aus
diesen Niederlagen mit Hilfe der dissidenten Denker zu lernen, war für
Dutschke Anlaß, Antworten zu finden für die Gegenwart, die alten
Fehler nicht zu wiederholen. Der subjektive Faktor war für Dutschke
weitaus bedeutsamer als die ökonomische Ableitung, allerdings mußte
die Dialektik ergründet werden, die sich ergab aus dem aktuellen
Machtzusammenhang und den Aufbrüchen, die sich artikulierten in
Protesten, Widerstand und Verweigerungen. Diese mußten eine adäquate
Organisation der vielfältigen Initiativen und Impulse finden.11
Notizen
Zu
den Auseinandersetzungen und Diskusssionen auf dem Seminar im
Naturfreundehaus Oberreifenberg machte sich Dutschke Notizen, die
teils Mitschrift, Diskussionsvorlage und Reflektion waren. Allerdings
kann auch bezweifelt werden, ob diese Anmerkungen aus diesem
Zusammenhang sich ergaben, weil Probleme und Begriffe auftauchten, die
Dutschke erst sehr viel später verwandte. Trotzdem sind sie Indiz dafür,
daß eine Kontinuität vorhanden war zwischen den frühen und späten
Aussagen zur Rolle der Stadtguerilla in Westeuropa. Der Disput über
Ropschin-Sawinkov konnte folgende Gedanken provoziert haben, sie
konnten allerdings auch Ausdruck der Auseinandersetzung im SDS nach
dem 2. Juni 1967 sein. Eine linke Volksbewegung gegen das herrschende
Machtbündnis benötigte einen urbanen, militärischen Apparat der
Revolution, der eine "Parallelorganisation der Selbstverteidigung"
aufzuweisen hatte, ein militärischer Arm, der gestellt wurde von
"unverdächtigen Genossen", die weniger "verwundbar"
waren von der Repression und "T. u. Son.-Gruppen, die durch ein
System von Aktionen gegen die imperialistische Infrastruktur sich als
Organisation in der Praxis konstituierten - von der Selbstverteidigung
zur Konter-Offensive". Stand nun "T" für Terror oder
Technik und umschrieb "Son" die "Sondergruppen"
oder "Sondierungsgruppen"? Dutschke betonte die "Vermittlung
der beiden Aktionsebenen", die den illegalen Kampf und die "legale
Arbeit in den widersprüchlichen Gliedern gesellschaftlicher Totalität"
umfaßten. Die "soziale Basis der Stadtguerilla" bestand
nach Dutschke in der Dritten Welt in den Slums und Ghettos der Großstädte.
Im Westen war es das "Gegenmilieu mit subkultureller Dynamik",
das die Ausgangsbasis war für den städtischen Kampf. Die Universitäten
bildeten hier eine "Sicherheitszone", die allerdings, in
Klammern gesetzt, sehr ambivalent war. Kinos, Läden und stagnierende
Stadtgebiete bildeten ein weiteres Feld des Rückzugs. Hier setzte
Dutschke zwei Fragezeichen. Die Grenzen der Stadtguerilla sah er in
ihrer "Verwundbarkeit" durch den Repressionsapparat. Vor
allem militärisch waren sie diesem nicht gewachsen. Die "Beweglichkeit"
der Guerilla ging sehr schnell verloren und die Rückzugsgebiete boten
nicht genügend Schutz. Die Kerngruppen blieben in ihrem "Doppelleben"
als Guerillero und Privat- bzw. Berufsmensch gespalten und wurden
nicht die "Keimform" der "Volksbefreiung", auch
nicht "Focus" für einen "neuen Menschen".
In einem weiteren Schritt wollte Dutschke die Theorie von Lenin des
"schwächsten Gliedes" übertragen auf die Situation in
Westberlin oder auf die westlichen Großstädte. Ein derartig
schwaches Kettenglied von Macht war Ausgangspunkt von Politisierung
und war Ausdruck von "relativer Sicherheit" für die
Revolutionäre. Es war eine Art "Gegenmilieu", das auch den
Rückhalt bot für einen "langen Marsch" durch die
Institutionen, um in das Berufsleben die radikale Aufklärung
hineinzutragen. Weitere schwache Kettenglieder stellten neben den
Universitäten die Schulen, Fach- und Ingenieursschulen und vor allem
die Berufsschulen, die die Vermittlungen herstellten zwischen
Betrieben und Studentenschaft. Weiße Kreise, stagnierende
Produktionszweige und Regionen waren weitere schwache Glieder. Für
Dutschke kam es darauf an, die "widersprüchliche Einheit des
Apparats" zu verunsichern durch unterschiedliche Aktionen und
Solidarisierungen, vor allem durch eine Reihe von "Selbstorganisationen"
und Initiativen. Dadurch wurde herausgefunden, welche
klassenkonstituierenden Interessen bzw. welches Widerstandspotenzial
bestand. Sie mußten verbunden werden mit Zielen, die all die
Sonderinteressen zusammenbrachten. Ein "Focus" war deshalb
primär politisch und weniger militärisch aufgebaut, denn ein
derartiger "Freiheitsraum" konnte sich sehr schnell als
Falle zeigen. In diesem "Raum" agierte die studentische
Avantgarde. Sie stellte die Beziehung her zu den unterschiedlichen
Bereichen sozialer und gesellschaftlicher Unzufriedenheit und zu
stagnierenden Produktionszweigen bzw. zu dem "widersprüchlichen
Apparat von Öffentlichkeit". Allerdings konnte diese Avantgarde
sehr schnell die "Initiativfunktion" verlieren, war sie
nicht mehr offen für die sozialen Probleme und schloß sie sich
ideologisch ab von der Aufgabe, Widersprüche "offensiv" zu
bearbeiten. So konnte sehr schnell eine "temporäre und
organisatorische Trennung von Avantgarde und "Massen" "
passieren. Die "kleinsten homogenen Guerilla-Einheiten"
innerhalb dieser Avantgarden benötigten eine hervorragende politische
und wissenschaftliche Ausbildung, um über ihre Rolle Bescheid zu
wissen. Sie mußten durchdrungen sein von einer "menschlichen
Kommunikation", um sich nicht primär militärischen Prinzipien
zu unterwerfen.
Eine Analyse der geschichtlichen Möglichkeiten zielte auf eine
integrale Strategie, die die Totalität der gegebenen politischen
Situation skizzierte. "Guerillaeinheiten" waren für
Dutschke immer nur ein "Moment der Gesamtsituation". Die
"Aufstandsphase" der Revolution war für ihn ein "langer
Prozeß". Dutschke wollte unterschiedliche Organisationstypen mit
einer gefestigten Führerschaft kombinieren, "with a firm
political leadership", wie er plötzlich englisch schrieb, um
dadurch eine politische Breite zu erreichen, die eine
marxistisch-leninistische Partei nie realisieren konnte. Eine
derartige Parteigruppierung unterschiedlicher Ansätze war
gleichzeitig Ausdruck des wachsenden Widerstands, aber immer auch
Experimentierfeld für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft.
Dutschke zitierte hier aus Debray: Long March, S. 38. Partei war also
"Resultat" eines "nationalen Befreiungskampfes"
und dadurch " natürliches Kaderprinzip des Kampfes". Seit
der cubanischen Revolution war der Spielraum des Stadtguerilla stark
eingeschränkt, denn es gelang nicht mehr so einfach "schwache
Glieder" zu finden oder "befreite Gebiete" zu ertrotzen,
wo Teile der Bevölkerung mit der Revolution sympathisierten. In
Westeuropa mußten die Revolutionäre eintauchen in das "Lebensmilieu
der Lohnabhängigen". Sie mußten es "organisieren" und
sinnlich erfahrbare Verbesserungen ermöglichen". Sie mußten in
bestimmte Betriebe gehen, um hier nicht primär zu agitieren, sondern
zu "erklären", aufzuklären, "Initiativen" zu
entfalten. "Propaganda by facts" zitierte er Debray.12
Ohne Zweifel wurden hier Gedanken ausgebreitet, die in Redebeiträgen
und Aufsätzen etwa auf der Trauerveranstaltung zu Benno Ohnesorg in
Hannover, in dem Organisationsreferat mit Hans -Jürgen Krahl und im
Beitrag zur "Rebellion der Studenten spezifiziert wurden. Der
Begriff "Integraler Etatismus" umfaßte hier das
kapitalistische System als "formierte Gesellschaft", aber
auch als Diktatur in der UdSSR und DDR. Er umschrieb in seiner Lesart
die negative Aufhebung kapitalistischer Produktionsverhältnisse auf
kapitalistischer Grundlage, die mehrere Spielarten von "Staatseingriff"
darstellten, staatliche Interventionen, die unter der Perspektive
standen, repressive und soziale Sicherheit zu kombinieren und die
sozialistische Alternative und ihre Organisationsfront aufzulösen bzw.
positiv und negativ zu integrieren oder zu kriminalisieren oder überhaupt
die "Klassengesellschaft" zu liquidieren.. Varianten dieser
"negativen Aufhebung" oder des integralen Etatismus waren
die Diktaturformen von Faschismus, Nationalsozialismus, Stalinismus
und Populismus und US-Monopolkapitalismus. Die produktivste Variante
war die letzte Aufhebungsform, weil hier die "toten Kosten"
von Staat und Repression nicht die Dimension hatten, die Gesamtheit
von Gesellschaft zu erdrücken und in Krieg und Vernichtung zu treiben
und weil es hier gelang, die Klassen aufzulösen und zu subsumieren
unter ein Systemmarketing von Konsum und technischer Rationalität. Im
Osten dagegen war diese Aufhebungsform verwoben mit den traditionellen
Elementen eines vorkapitalistischen Despotismus. Im II. Weltkrieg
wurde die NS-Diktatur durch die östliche und westliche Großmacht
Sowjetunion und USA zertrümmert. Jetzt standen sich diese Großmächte
gegenüber im "Kalten Krieg" als die unterschiedlichen
Prinzipien der "negativen Aufhebung kapitalistischer
Produktionsform auf kapitalistischer Grundlage". Es war zu
erwarten, daß die US-Großmacht und ihre westeuropäischen
Mitstreiter, die unproduktive Sowjetunion und ihr Lager nieder
konkurrieren würden, um so etwas wie "Weltherrschaft" zu
gewinnen, entwickelten die Befreiungskriege in der Dritten Welt und
die Aufstände und Revolten in den USA und Westeuropa nicht neue und
andere Perspektiven. Die UdSSR und ihr Lager besaßen nur eine Überlebenschance,
nahmen sie die Dialektik der nationalen Befreiung auf bzw. wurden alle
despotischen Formen von Herrschaft im Interesse eines sozialen
Emanzipation aufgelöst. Nach Dutschke war jedoch das Zeitalter der
Klassenkämpfe und der "proletarischen Revolutionen" vorbei.
Die Selbstzerstörung monopolkapitalistischer Produktion und
Herrschaft schuf Bedingungen für Widerstand und Protest, der jetzt
getragen wurde von den "Verlierern" dieses Gesellschaftstyps,
von den Paupers, Verfolgten, Beleidigten, von den Außenseitern, von
der jungen Generation, die die Sinnlosigkeit von Macht, toten Kosten
und unproduktiver Arbeit durchschauten und die utopische Alternative
aus dem bestehenden gesellschaftlichen Reichtum enträtselten. In
diesem Bündnis von Elend, Verweigerung, Jugend und Subversivität
entstand ein neues revolutionäres Subjekt.13
Dissidenter
Marxismus
Erstaunlich
ist, daß das Denken von Ernst Bloch in all den Auseinandersetzungen
dieser Zeit nicht auftaucht. Dutschke hat ihn ohne Zweifel studiert.
Vor allem die Schrift über Thomas Müntzer, die ja viele Gedanken und
Ideen seines "heimlichen" Christentums barg, hat er immer
wieder zu Rate gezogen, jedoch nicht nach außen gestellt. Bloch war
unheimlich, weil er sich so eng mit dem Stalinismus eingelassen hatte.
Er hatte in den dreißiger Jahren den "großen Terror"
gutgeheißen und gedeutet als eine produktive Maßnahme. Immer wieder
schmückte er seine Ausführungen mit Zitaten des Generalissimus
Stalin. Er war wohl überzeugt, daß Sowjetunion und DDR den Keim des
Noch-Nicht-Sein und der Utopie trugen. Deshalb wurde der Philosoph der
Utopie und der Hoffnung nicht aufgenommen in den Kreis der Ideengeber
der antiautoritären Revolte. Erst später, zu Beginn der siebziger
Jahre, reiste der greise Philosoph mit seiner Frau nach Aarhus in Dänemark,
um die Familie Dutschke aufzusuchen. Der Denker der Hoffnung suchte
einen Schüler, der ihn bisher ignoriert hatte und es mußte Dutschke
sein, weil dieser eine Verkörperung und Symbol von Aufbruch, Revolte,
Hoffnung und Utopie war. Was würden in der Zukunft die
Blochinterpreten sagen, wenn beide, der Philosoph und der Rebell, die
beide viele Gemeinsamkeiten hatten, nicht zusammenkamen und wenn der
Denker der Utopie in einer "utopischen Zeit" keinerlei Berücksichtigung
fand? Aus diesem Zusammentreffen in Aarhus entstand so etwas wie väterliche
und sohnhafte Freundschaft, je nachdem von welcher Seite sie
betrachtet wurde. Ein Blochianer ist Dutschke zeitlebens nicht
geworden.
In der Revolutions- oder Revoltezeit bestand keinerlei Nähe. Das läßt
sich dokumentieren an der "ausgewählten und kommentierten
Bibliographie des revolutionären Sozialismus von Karl Marx bis in die
Gegenwart", die Dutschke im Oktober 1966 vorlegte. Sie war gegen
das Schulungsprogramm von Frank Deppe, Kurt Steinhaus und Helmut
Schauer geschrieben, die sich an der Marxistischen Arbeiterschulung (MASCH)
der KPD von Hermann Duncker und August Wittfogel aus den zwanziger
Jahren orientierten. Dutschke wollte die Arbeitergeschichte nicht als
Heroengeschichte, als Legende der Siege und der Legitimation der KPD
betrachten. Seit 1918 war die deutsche Arbeiterbewegung von Niederlage
zu Niederlage geschritten. Diese historisch und gedanklich
aufzuarbeiten, konnte Hinweise geben, alte Fehler nicht zu wiederholen
bzw. den Stellenwert der Klassenkämpfe in einer
Transformationsperiode hin zur NS-Diktatur festzumachen. Allein diese
Sichtweise sollte aus dem Marxschen Kritikbegriff verdeutlicht werden,
weshalb der Zusammenhang der Früh- und Spätschriften von Marx und
Engels dar- und der differente Dialektikbegriff der Klassiker
offengelegt werden sollte. Für Dutschke wurde die praktische
Auseinandersetzung zwischen Marx und Engels auf der einen und ihren
junghegelianischen und anarchistischen Widersachern im Bund der
Gerechten wichtig, weil diese unterstrich, wie die Organisationsfrage
hineinspielte in den theoretischen Disput und der Praxis- bzw.
Aktionsbegriff immer auch die Vermittlung war zur konkreten Politik
und Taktik. Marx und Engels verkürzten nach seiner Überzeugung
Praxis zur bloßen Reflektion bzw. zum abstrakten Klassenkampf und
blieben dadurch befangen in der Hegelschen Dialektik und verloren den
Bezug zur Wirklichkeit einer vorrevolutionären Situation. Bei Engels
wurde die historische Dialektik der Revolution sogar überführt in
eine Naturdialektik von Entwicklung, die die Spannung von Subjekt
Objekt nicht mehr enthielt und auf abstrakte Prinzipien von
Fortschritt und Zukunft vertraute. Sie war nicht zufällig die
Legitimationsideologie und Weltanschauungsreligion in der
Arbeiterbewegung, in SPD und KPD und wurde zur großen Scholastik bei
Bucharin, Deborin und Stalin aufgebauscht. Die Dialektik der sozialen
Befreiung ging verloren. Beim "Kommunistischen Manifest" war
Dutschke interessiert am Begriff des "Lagers". Er war
Tendenzbegriff, der die Gesellschaft zeichnete in der absoluten
Spaltung von Lohnarbeit und Kapital, die in der Zukunft eintreten
sollte. Diese Sichtweise unterschlug nach seiner Überzeugung die
Vielfalt der Übergänge, Bewahrungen und Aufhebungen. Realhistorisch
hatten sich die vorkapitalistischen Klassen nicht aufgelöst, sondern
waren machtpolitisch erweitert worden in Mittelstand,
Angestelltenschaft und in die umfangreichen unproduktiven Schichten,
die der moderne Kapitalismus hervorbrachte. Die Arbeiterschaft wurde
gesellschaftliche Minorität. Allein schon deshalb waren utopischer
Sozialismus und Anarchismus nicht durch Marx und Engels überwundene
Ideen oder Ideologien, sondern besaßen Aktualität. Letztlich hatte
Bakunin über Marx triumphiert, indem er immer wieder deutlich gemacht
hatte, daß der moderne Kapitalismus lediglich Durchgangsstadium war
und daß er machtpolitisch die despotischen Herrschaftsformen Rußlands
oder Asiens übernahm und variierte und zugleich die politische
Arbeiterbewegung, auf die Marx gesetzt hatte, auflöste und kooptierte.
Marx selbst mußte die radikale Sichtweise von Bakunin anerkennen,
indem er dessen Ideen von der Zerschlagung des Staatsapparates in
seiner Kommuneschrift aufnahm.14
Spätestens hier wäre Platz gewesen, auf Bloch einzugehen und seine
Sichtweise von Utopie, Dialektik und Wirklichkeit vorzustellen. Eine
Revolutionstheorie ohne utopische Elemente und allein reduziert auf
die Legendengeschichte der KPD hätte bei Bloch nicht bestanden. Die
Freisetzung utopischer Grundlagen in der Wirklichkeit war auch für
Bloch ein Bemühen, den Inhalt von Praxis zu demonstrieren und offen
zu legen. Auch für ihn bestand eine Aktualität von Utopismus und
Anarchismus im Marxismus, wodurch diese dialektische Theorie erst
einen revolutionären Charakter gewann. Aber Bloch war bis zu diesem
Zeitpunkt verloren in einer eingebildeten utopischen Perspektive, die
nach seiner Überzeugung die Transformationen in der Sowjetunion und
in der DDR verkörperten. Der große Philosoph wurde dadurch stärker
Ideologe und Bewahrer von Propaganda und Legenden als kritischer
Denker. Davon hat er sich in den siebziger Jahren gelöst. Der Utopist
Dutschke wird auf ihn einen starken Einfluß gehabt haben. Bloch
schrieb sein Gesamtwerk um und tilgte die anrüchigen Passagen.15
Revolte in der
Revolte
Warum nun hat das Denken von Dutschke zwar Geschichte gemacht,
aber keinerlei Tradition gebildet? Heute gibt es niemand, der sich
ernsthaft auf Dutschke bezieht oder in der Lage wäre, produktiv
dieses Denken zu reproduzieren. Dutschke ist so tot oder so "lebendig"
wie die dissidenten Marxisten Luxemburg, Korsch, Lukacs, Borkenau,
Horkheimer, Adorno, Marcuse oder Bloch. Die "Linke",
soweit sie sich nicht aufgelöst hat oder atomisiert wurde in unzählige
Einzelkämpfer, ist zurückgekehrt zu den Bürgerkriegsfronten der
zwanziger Jahre oder verschanzt sich in einem abstrakten "Antifaschismus",
der für sie Freund und Feind, das Böse und das Gute definiert und
mit dem Zweifel in der Gruppe die Kritik bekämpft. Der Zusammenknall
des Sozialismus ist so wenig Problem wie die neuen Metamorphosen des
Weltkapitalismus. Die ideologische Schminke ist immer auch Verdrängung.
Eine Realitätssicht wird eingetauscht durch die Wärme der Gruppe
oder durch den Rückhalt einer "atheistischen Religion".
Die heutige Linke vollzieht gedanklich, was vor ihr auch die Dutschke-Generation
vollzogen hatte: die absolute und grundsätzliche Trennung von der
Tradition bürgerlicher und proletarischer Kultur. Der
Generationskonflikt ließ keinerlei kulturelle Reproduktion mehr zu.
Mit den Vätern und Müttern von Krieg, Verbrechen, Niederlage und
Aufbau wollten die Nachwachsenden nichts zu tun haben. Deshalb
erfanden sie Geschichte neu und konstruierten ihre
"Revolution", ihren Aufbruch zu neuen Ufern, die keinerlei
Bindeglied mehr zur Vergangenheit haben sollten. Die "Dutschkisten"
formulierten ihre Welt und ihre Alternativen, gewannen kurzfristig
eine Faszination innerhalb der Jugend, um schnell vergessen zu werden.
Ihre Ideengeber waren noch die dissidenten Marxisten. Die Gedanken der
Nachfolger kreisten um das Thälmann-ZK aus der Weimarer Zeit
oder entdeckten den Traum ihrer Generation im jungen Mao oder Ho
Tschi Minh oder lasen Comics und erfanden aus diesen stories
jeweils ihre Mission. Jede neue Generation verbarrikadierte sich gegen
die Vorgänger, eine Revolte jagte die andere und so entstanden
tausende Illusionen und Bilder, die jeweils immer wieder verschwanden
und vergessen wurden. Jede Generation lebte von der Einbildung der
Einmaligkeit, war autistisch orientiert auf den eigenen Willen und die
Schöpferkraft, die Welt immer wieder neu zu entdecken und zu formen.
Erinnert wird medienmäßig immer wieder an den Anfang, an Dutschke
und die Achtundsechziger. Ernst nimmt sie keiner.
Der Zerfall der bürgerlichen Kultur setzte mit der NS-Diktatur ein
und fand ihre Fortsetzung im Nachkriegsdeutschland, das sich mehr und
mehr dem modernen Kapitalismus öffnete. Die Revolte von 1967/68 stand
an der Schwelle zwischen dem alten und dem neuen Deutschland und war
als Generationsbruch eine Absage an die Werte und Illusionen der
Vergangenheit. Tradition und Kultur wurden nun zerhackt und übertragen
in ein Medienspektakel, das sich permanent wiederholte, immer auf das
Gleiche zulief, auf die Banalität von Konsum und Karriere. Dieser
Kreislauf immer gleicher Szenen und Spots war auf das Unbewußte
angelegt und erzwang dadurch Vergessen und Gleichgültigkeit. Das Band
der Generationen wurde jetzt endgültig zerrissen. Die permanente
Revolte war nun angesagt. Sie wurde immer gleichförmiger, ritueller
und fataler. Inzwischen ist diese Revolte an Schulen und Universitäten
Alltag. Ihre Parolen schmücken immer wieder die Wände der Städte
und werden sofort vergessen und unenträtselbar. So machte die
achtundsechziger Revolte den Anfang unzähliger Revolten, hatte noch
den Anspruch einer "Theorie" und einer Nähe zur
"Revolution", brachte jedoch das Neuartige zum Ausdruck: Der
moderne Kapitalismus kombiniert Aufbau und Zerstörung und produziert
Unzufriedenheiten zwischen den Generationen und sozialen Schichten,
aber dieses Unbehagen kennt keinerlei politische Einheit mehr und
bringt keinerlei Alternativen ans Licht. Alle Aufbrüche sind
Bestandteil des alltäglichen Chaos und tragen so bei zur politischen
Stabilität. Der Kapitalismus hat mit der bestimmten Negation den
Gegner verloren.
Anmerkungen:
(1)
An dieser Diskussion nahmen außer Ernst Bloch und Rudi
Dutschke - Ossip K. Flechtheim, Wolf-Dieter Marsch, Werner
Maihofer, Pfarrer Reblin teil, in: Der Spiegel: Heiterkeit in die
Revolution bringen, aus dem Protokoll einer Diskussion mit Ernst Bloch
und Rudi Dutschke in Bad Boll, in: Der Spiegel, Nr. 10, Hamburg 1968,
S. 39, S. 42, S. 44; Berichte, Kommentare, Evangelische Akademie Bad
Boll, Heft 1/2 1968, S. 19 ff.;
(2) Berliner Protokoll vom 10. 7. 1964; Rudi Dutschke: Das Verhältnis
von Theorie und Praxis; Brief von Frank Böckelmann an Rudi
Dutschke vom 22. 8. 1964; Brief von Rudi Dutschke an Frank
Böckelmann vom 22.8. 1964; Rundschreiben von Frank Böckelmann
aus Kalikutt vom 24 - 27. 8. 1964; Hamburger Protokoll vom 26. - 30.
9. 1964, in: Frank Böckelmann, Herbert Nagel (Hg.): Subversive
Aktion, Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern, Frankfurt 1976,
S. 158 ff., S.191 ff., S. 195 ff., S. 198 ff.,, S. 201 ff., S. 224 ff.
(3) Berliner Protokoll, ebd. S. 158/159; Brief von Frank Böckelmann
an Steffen Schulze vom 17. 8. 1964, ebd. S. 166; Ders.: Anfänge,
Situationisten, Subversive und ihre Vorgänger, in: Ders.: Begriffe
versenken, Bodenheim 1997, S. 29 ff.
(4) Rudi Dutschke: Die Rolle der antikapitalistischen, wenn
auch nicht sozialistischen Sowjetunion für die marxistischen
Sozialisten in der Welt, in: ebd. S. 169 ff.; Ders.: Diskussion: Das
Verhältnis von Theorie und Praxis, ebd. S. 193 ff.;
(5) Brief von Frank Böckelmann an Rudi Dutschke vom 22.
8. 1964, ebd. S. 196; ausführlich entwickelt Böckelmann diesen
Gedanken in: Anschlag III, Präliminarien, ebd. S. 343 ff.;
(6) Rundschreiben von Frank Böckelmann aus Kalikutt vom 24 -
27. 8. 1964, Anmerkungen zur Diskussion über Theorie und Praxis, ebd.
S. 205,, S. 208; Böckelmann bezog sich indirekt auf Max Horkheimer,
Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt 1995 (Erstausgabe:
Amsterdam 1948), Begriff der Aufklärung, S. 27 ff., Kulturindustrie,
S. 130 ff.;
(7) Vorläufiges Programm für das Studienseminar: "Zur
Geschichte der Arbeiterbewegung vom 12. bis 20. März im
Naturfreundehaus Oberreifenberg/Taunus, in: Bundesvorstand des SDS, BV
VIII/IX, SDS-Seminare, Sonstige, Studienfahrten, 1966, SDS; Referate
und Gedanken der "Traditionalisten" sind enthalten etwa in: Georg
Büchner, Frank Deppe und K. H. Tjaden: Zur Theorie der
sozioökonomischen Emanzipation von Entwicklungsgesellschaften, in:
Das Argument, Heft 3, Juli 1965, S. 25 ff.; Rüdiger Griepenburg
und Kurt Steinhaus: Zu einigen sozioökonomischen und militärischen
Aspekten des Vietnamkonflikts, in: Das Argument, Heft 1, Februar 1966,
S. 44 ff.; Rüdiger Griepenburg und K. H. Tjaden:
Faschismus und Bonapartismus, in: Das Argument, Heft 6, Dezember 1966,
S. 461 ff.;
(8) Alexander Ropschin: Als wär' es nicht gewesen, Leipzig
1912; Boris Sawinkov: Die Memoiren eines Bombenlegers, (Arkadij
Maslow Hg.), Berlin 1924; Reinhard Schmidt: Protokoll vom
13. März 1966, in: BV VIII - IX, ebd.; Rudi Dutschke, Referat:
Die revolutionären Ansätze in der westeuropäischen Arbeiterbewegung
bis 1923 und die Wiederherstellung der Marxschen Theorie durch Lukacs
und Korsch, Stichpunkte, in BV VIII - IX ebd.; Bernd Rabehl:
Aufzeichnungen 1966, in: APO-Archiv an der Freien Universität Berlin;
(9) Reinhard Schmidt: Protokoll, ebd.;
(10) Peter Heik: Protokoll vom 14. 3. 66; Claudia Faßbinder:
Protokoll vom 15. 3. 66, Vormittagssitzung, in BV, Bd. VIII - IX, ebd.;
(11) Georg Lukacs: Zur Organisationsfrage der Intellektuellen;
Ders.: Die moralische Sendung der kommunistischen Partei; Ders.:
Kapitalistische Blockade, proletarischer Boykott; Ders. Alte Kultur
und neue Kultur, in: Kommunismus, Bd. I, Heft 3, ebd., Heft 16/17, ebd.,
Heft 25/26, Heft 43, Wien 1920; Karl Korsch: Marxismus und
Philosophie, Berlin 1924; Rainer Langhans, Klaus Gilgemann:
Protokoll der Diskussion im Anschluß an das Referat des Genossen
Dutschke über die revolutionären Ansätze in der westeuropäischen
Arbeiterbewegung und die Wiederherstellung der Marxschen Theorie durch
Lukacs und Korsch, in: BV, Bd. VII - IX, ebd.
(12) 13. Februar 1966, Rudis Referat, in: BV, Bd. VIII - IX, ebd.
(13) Max Horkheimer: Autoritärer Staat, Amsterdam 1967 (Schwarzdruck),
S. 41, S. 51, S. 61; Rudi Dutschke: Redebeitrag auf dem Kongreß
"Hochschule in der Demokratie", in: Bedingungen und
Organisation des Widerstands: Der Kongreß in Hannover, Berlin 1967.
S. 78 ff.; Ders.: Die Widersprüche des Spätkapitalismus, die
antiautoritären Studenten und ihr Verhältnis zur Dritten Welt, in: Uwe
Bergmann, Rudi Dutschke, Wolfgang Lefevre, Bernd Rabehl: Rebellion
der Studenten oder die neue Opposition, Reinbek 1968, S. 72 ff.; Ders./
Hans - Jürgen Krahl: Organisationsreferat auf der 22.
Delegiertenkonferenz des SDS, September 1967, in: Frankfurter
Studentenzeitung, Heft 1/2, Februar 1980, S. 8 ff.; Rudi Dutschke:
Die geschichtlichen Bedingungen für den internationalen
Emanzipationskampf - Rede auf dem Internationalen Vietnamkongreß in
Westberlin, Februar 1968, in: Ders.: Geschichte ist machbar, Berlin
1980, S. 105 ff.;
(14) Rudi Dutschke: Ausgewählte und kommentierte Biographie des
revolutionären Sozialismus von Karl Marx bis in die Gegenwart, in:
SDS-Korrespondenz, Sondernummer, Oktober 1966, S. 4, S. 9, S. 12/13
(15) Ernst Bloch: Subjekt - Objekt, Leipzig 1952, hier vor
allem die Darstellung der "Liebesreligion" bei Jesus
Christus, die Dutschke tief beeindruckte, S. 40, der Praxis und
Totalitätsbegriff von Bloch fand bei Dutschke Anerkennung: "eine
geschehend - utopische Totalität", "philosophische
Architektur in concreto, S. 436; Ders.: Thomas Müntzer,
Frankfurt 1962: die Sekte des "ketzerischen Radikalismus",
der "Liebeskommunismus in Gott", S. 201; die Kennzeichnung
der Erniedrigten und Beleidigten bei Bloch: "Frei werden aus den
Händen der Schinder und Schaber, Aufhebung des dumpfen Leids:"
S. 211; Ders.: Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt 1981, das Motiv
der Studentenrevolte: "Jugend, welche im kahlen Jetzt in keinem
gleichen Schritt und Tritt ist, geht leichter zurück, als daß sie
das Heute passiert, um ins Morgen zu kommen. Solange nicht die
verschiedene Zeit, worin sie ist, nach morgen umsetzt.", S. 106.
Genau das war das Anliegen von Dutschke-Kontroverse; Trautje Franz:
Revolutionäre Philosophie in Aktion, Ernst Blochs Weg genauer besehen,
Hannover 1985, S. 135, S. 146; Manfred Scharrer: Der Stalinist
Bloch, in: Langer Marsch, Juni 1974; Rudi Dutschke: "Die
antistalinistische Tiefe der SDS-Richtung zwischen 1965 und 1968 traf
aber einen fundamentalen Kern der neuen Sozialismusbestimmung, eine
die tendenziell über die Frage des Anti-Imperialismus hinausging und
die konkrete Negation der staats-sozialistischen Deformation
beinhaltet. Leider waren wir nicht in der Lage (...), die disbezüglichen
meta-ökonomischen Reflexionen von Ernst noch ernster und konkreter zu
nehmen. Unsere Richtung bestimmte diese Periode, aber wir waren weder
politisch noch organisatorisch in der Lage, die sich andeutende neue
Phase richtig einzuschätzen.", in: Ders.: Lieber Genosse
Bloch ..., Metzingen 1988, S. 91, S. 104
Im Print erschienen in:
Kalaschnikow - Das Politmagazin, Ausgabe 10, Heft 1/98
mirrored: linke-buecher.de
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