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Im Netz der Gedichte.

Gefangen in Prag nach 1968.

von Sibylle Plogstedt

besprochen von Anneke Hudalla, Burgel Langer, Jochen Staadt, Jürgen Werth

1. Anneke Hudalla

Dass Geschichte vor allem die Gesamtheit individueller (Lebens-) Geschichten sei, ist eine Binsenweisheit. Vor allem das Fernsehen setzt zur Veranschaulichung historischer Ereignisse auf Augenzeugen, deren unmittelbares Erleben das große Ganze in all seinen Fassetten widerspiegeln soll -- mit paradoxen Folgen: In nicht endenwollenden Dokumentationsreihen lauschen wir unzähligen Erlebnisberichten, bis wir die einzelnen Lebensgeschichten nicht mehr auseinander halten können, bis das Individuelle völlig hinter dem Allgemeinen zurücktritt und wir uns verwirrt doch wieder auf die abstrakte Ebene des Geschichtslehrbuchs flüchten. Müssen wir also mit Sibylle Plogstedts Im Netz der Gedichte wirklich noch ein Kapitel erlebter Geschichte aufschlagen? Ja.

Auch Plogstedts Bericht ist auf seine Weise typisch oder historisch repräsentativ: Als 23-jährige erlebt sie in Prag den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen mit. Politisches Engagement im tschechoslowakischen Widerstand und die Liebe zu einem Dissidenten führen schließlich im Dezember 1969 zu ihrer Verhaftung durch die CSSR-Behörden. Doch was die Geschichte der Plogstedt von anderen Erlebnisberichten aus kommunistischen Gefängnissen unterscheidet, ist die ungeheure Intensität und Intimität, mit der die Autorin den Leser mit in einen Strudel reißt, in dem sie selber auch nach ihrer Entlassung für dreißig Jahre wortwörtlich gefangen bleibt: Nicht die Verhöre, nicht die erniedrigenden Haftbedingungen oder die schlechte Versorgung sind es, die Sibylle ein normales Leben nach der Haft unmöglich machen. Im Zentrum des Buches steht die psychische Gebrochenheit, die der Gefängnisaufenthalt hinterlässt.

Sibylle wird eine Zellengenossin zugewiesen, die ihr zunächst lange vermisste Gefühle wie Vertrautheit, Geborgenheit und Wärme vermittelt -- bis ein abrupter Verhaltenswandel Sybille an allem zweifeln lässt, worauf sich ihr Widerstand und ihr Durchhaltevermögen bisher gründete. Fesselnd wird geschildert, welche Reflexionsspiralen das scheinbar wahnsinnige Gebärden der Zellengenossin in Sibylle auslöst -- bis schließlich das eigene Urteilsvermögen selbst infrage steht. Ist Marta schizophren? Wird sie durch die Gefängnisleitung unter Drogen gesetzt? Oder spielt Marta nur die Verrückte? Arbeitet sie für die Staatssicherheit, um Sibylles Widerstand zu brechen? Auf welche Indizien ist Verlass, wenn keine der Koordinaten mehr feststeht? Völlig verstrickt in ein unentwirrbares Netz aus scheinbaren Beweisen, Gegenbeweisen, Vermutungen, Andeutungen können schließlich weder Sibylle noch der Leser mehr entscheiden, was wirklich passiert und was einer Einbildung geschuldet ist.

Obwohl Sibylle Plogstedt ihr Hauptaugenmerk auf die Beziehung zu Marta richtet, erfahren wir viel vom größeren Kontext, in dem diese Geschichte steht: Von der teilweise naiven Haltung der jungen SDS-Aktivistin Sibylle, von den Konflikten innerhalb der westdeutschen Linken, von der Stasi, die Sibylle im Anschluss an ihre Rückkehr nach Berlin anzuwerben versucht, und schließlich auch vom aktuellen Umgang der Tschechischen Republik mit der kommunistischen Vergangenheit. Insbesondere der letztgenannte Punkt wirft ein bezeichnendes Schlaglicht darauf, wie paradox und spannungsreich das Verhältnis von individuell erlebter Geschichte und der Schulbuch-Historiografie tatsächlich ist. Sibylle Plogstedt hat sich aus therapeutischen Motiven für eine radikal individualistische Perspektive entschieden. Und bringt uns damit einen Teilaspekt der jüngsten europäischen Geschichte sehr viel näher als es viele wissenschaftliche Abhandlungen können. --Anneke Hudalla

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2. Burgel Langer

Sibylle Plogstedt: Im Netz der Gedichte. Gefangen in Prag nach 1968.

Es begann Mitte der 90er Jahre. Ein Gefühl der Ohnmacht bemächtigte sich ihrer und brachte die Bausteine ihres Lebens ins Wanken. Panik stieg in ihr auf, Panik, dass sie aus dem Leben stürzen könnte. Wo hatte sie ihre Stärke verloren? Die Antwort findet sie in Prag. 1968, in jenem Jahr, als die Truppen des Warschauer Paktes in die tschechische Hauptstadt einmarschierten, um die Reformbewegung in der CSSR niederzuschlagen, war JB-Kollegin Sibylle Plogstedt als Soziologiestudentin an der Prager Universität eingeschrieben. Wenig später schloss sie sich der Bewegung der Revolutionären Jugend an. Im Dezember 1969 wurde sie von der Staatssicherheit verhaftet, zusammen mit ihrem Freund Petr Uhl und den anderen Mitgliedern der revolutionären Jugend. Eineinhalb Jahre verbrachte sie im Gefängnis. Dann wurde sie ausgewiesen. Ihre Spurensuche 30 Jahre später beginnt mit einem 70seitigen Brief an den ehemaligen, inzwischen schwer krebskranken Freund, sie stöbert in alten Briefen und den eigenen Stasiunterlagen, fährt nach Prag, trifft dort die ehemalige Zellengenossin Martha, eine Verrückte - und möglicherweise damals als Stasi-Agentin auf sie angesetzt.

Noch einmal kommt alles hoch: das Trauma des Gefängnisaufenthaltes, die Verhöre, die Angst, im Gefängnis mit Drogen behandelt worden zu sein, das schlechte Gewissen, den Freund durch die Ausreise im Stich gelassen zu haben. "Einmal musste ich noch ganz dicht heran an das, was ich in Prag nach 1968 erlebt hatte, um es endlich loslassen zu können", schreibt Sibylle Plogstedt. "Ich musste wissen, was ich damals als 23-jährige gefühlt hatte, wie ich war und wie mich andere wahrgenommen haben. All das musste in mir auferstehen, wenn ich heute, mit weit über 50, endlich aus der Haft entlassen werden wollte."

Sich mit der eigenen Geschichte, mit dem, was einem an Schrecklichem widerfahren ist, auseinanderzusetzen, erfordert viel Mut. Sibylle Plogstedt hat das sehr offen und selbstehrlich getan ohne anklagend oder weinerlich-selbstanklagend zu werden. Ein ebenso spannendes wie ermutigendes Buch.

Rezensiert von: Burgel Langer

Sibylle Plogstedt: Im Netz der Gedichte. Gefangen in Prag nach 1968. Chr.Links Verlag, Berlin 2001, 240 Seiten, 29,80 DM

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3. Jochen Staadt

Psychische Zersetzung
Eine lange Reise zurück in die Zeit des Prager Frühlings 1968

Sibylle Plogstedt: Im Netz der Gedichte. Gefangen in Prag 1968. Christoph Links Verlag, Berlin 2001. 198 Seiten, 29,80 Mark.

Psychische Folter ist schwer nachweisbar, weil sie keine sichtbaren Spuren hinterläßt. In den Haftanstalten Sowjetrußlands wurde in den dreißiger Jahren die Methode der Gehirnwäsche erprobt: Sie gehörte zum Arsenal der „Großen Säuberungen". Die Zahl der überzeugten Parteigänger des Sozialismus, die in den dreißiger Jahren in das Mahlwerk der kommunistischen Sicherheitsapparate gerieten, geht in die Hunderttausende. Die erste Welle des Säuberungsterrors richtete sich vor allem gegen Trotzkisten und bolschewistische Intellektuelle. Wer überlebte, mußte schweigen.

In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurden im Ostblock die Methoden der Bearbeitung von politischen Häftlingen und Regimekritikern verfeinert. Die physische Folter trat in den Hintergrund, die psychische „Zersetzung", die Zerstörung der Persönlichkeit von Dissidenten und Oppositionellen, trat an ihre Stelle. Der Schriftsteller und Psychologe Jürgen Fuchs hat bis zu seinem Tod im Jahr 1999 an Untersuchungen über derartige Zermürbungsstrategien des DDR-Staatssicherheitsdienstes gearbeitet und Opfern zu helfen versucht.

Erst nach dem Ende des real existierenden Sozialismus trat zutage, auf welch detaillierte Weise die Apparate der kommunistischen Geheimpolizei Persönlichkeitszerstörungen geplant und verwirklicht haben. Für Sibylle Plogstedt hat es dreißig Jahre gedauert, bis sie sich den Beschädigungen zuwenden konnte, die ihr in eineinhalb Jahren kommunistischer Gefängnishaft zugefügt wurden. Jürgen Fuchs gehörte zu denjenigen, die ihr zu einer persönlichen und politischen Rückbesinnung rieten.

Als Studentin und Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) erlebte Frau Plogestedt im August 1968 den Einmarsch der Russen in Prag. „Solch einen Widerstand hatte ich noch nie erlebt, keinen Moment wollte ich verpassen." Sie verliebte sich in den Unabhängigkeitskampf der Tschechen und Slowaken und in den Prager Studenten Petr Uhl. Mit ihm arbeitete sie in der trotzkistischen Untergrundorganisation „Bewegung der revolutionären Jugend", mit ihm und anderen Gruppenmitgliedern wurde sie 1969 verhaftet und eingesperrt.

Im Prager Gefängnis unterzog man sie dann der verfeinerten Sonderbehandlung, mit der Andersdenkende in kommunistischen Haftanstalten mürbe gemacht wurden. Dazu gehörte die Isolierung der politischen Häftlinge voneinander und die Verunsicherung durch Verhörspezialisten und Mithäftlinge, die der Geheimpolizei zu Diensten waren. Sibylle Plogstedt teilte ihre Prager Zelle mit einer Berufsbetrügerin, bei der offenbar durch medikamentöse Stimulation schizophrene Schübe ausgelöst wurden. Diese Frau war jedoch zwischen ihren Wahnanfällen in der Lage, die Zellengenossin in eine emotionale Bindung zu verstricken. Sie bemutterte die junge Deutsche und half ihr, die tschechischen Sprachkenntnisse zu verbessern. In Momenten der Ruhe las sie zum Trost selbstverfaßte Gedichte wie dieses: „Hör, mein Herz spricht, / und wisse, es sind nicht nur Versprechen, / daß ich ein Mensch bin, der lieben kann, / trotz meiner Fehler."

Die Poesie schuf Nähe, die weit über das Übliche des gemeinsamen Gefangenendaseins hinausging. Intime Nähe verwandelte sich während mehrtägiger schizophrener Schübe in unvermittelte Distanz. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange ein normaler Mensch vierundzwanzig Stunden Tag um Tag mit einem geistig Verwirrten auf engstem Raum durchhält. Sibylle Plogstedt gab nach eineinhalb Jahren auf und stimmte einer Ausweisung aus der CSSR zu. Sie empfand das als Niederlage, als Verrat an den mitgefangenen Gefährten und ihrem Geliebten.

Zurück in West-Berlin, stürzte sie sich, um Schuld- und Ohnmachtsgefühle zu überdecken, in hektische politische Betriebsamkeit. Zunächst als trotzkistische Agitatorin, was zum jähen Ende ihrer Universitätskarriere führte, weil das Kuratorium der Freien Universität Berlin 1976 ein Berufsverbot gegen die Osteuropa-Wissenschaftlerin aussprach. Danach gehörte sie zum Gründerkreis der radikal-feministischen Frauenzeitschrift „Courage" und war nach deren Einstellung als Redakteurin der sozialdemokratischen Parteizeitung „Vorwärts" beschäftigt.

Seit 1989 arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin. Später fühlte sie sich dann frei genug, um die lange Reise zurück in die Zeit des Prager Frühlings, der Liebe und der Haft anzutreten: Nachforschungen in den Prager Archiven der Geheimpolizei, Gespräche mit den alten Gefährten, die später zur Charta 77 gehörten und heute zum Teil wichtige Ämter bekleiden, und der Besuch bei der früheren Zellengenossin. Erst durch die Wiedererscheinung der Vergangenheit konnte die Autorin das Gefängnistrauma überwinden. Ihr stilles und nachdenkliches Buch schildert diesen Prozeß der Aufarbeitung und beschreibt die Folgen der psychischen Folter. Erzählt wird „nur" die eine, eigene Opfergeschichte. Doch erst ein solch schmerzlicher Tiefenschnitt läßt verstehen, warum es vielen anderen Opfern psychischer Zersetzungsmethoden so schwerfällt, über ihre seelischen Verwundungen zu sprechen und deren Langzeitschäden zu überwinden.

JOCHEN. STAADT in FAZ, September 2001

4. Jürgen Werth in Radio Bremen

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note

Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seidern die Welt verrohte.

So fängt ein Gedicht von Else Lasker-Schüler an. Sibylle Plogstedt hat es ihren Erinnerungen vorangestellt. Dabei hatte man sich gerade noch verlesen und den Titel falsch entziffern wollen: "Im Netz der Geschichte". So schien das Buch zu heißen. Denn es geht ja um die Revolte von 1968 in Europa und anderswo. Aufgepasst: Statt „Geschichte" heißt es: „Gedichte".

Als die zweiundzwanzigjährige Soziologiestudentin 1968 in Prag war, um Material für eine Seminararbeit über Industriesysteme in Ost und West zu suchen, da wurde sie am Morgen des 21. August von einem Berliner Mitreisenden mit einem unsanften Ruf geweckt: „Die Russen kommen!" In den nächsten Tagen und Wochen half Sibylle Plogstedt mit ihrem VW‑Käfer wo immer sie konnte: Sie transportierte Papier und Flugblätter durch die russischen Sperren. Sogar einen illegalen Sender hatten Freunde, ohne ihr Wissen, hinter dem Rücksitz versteckt

Zurück im Berliner Sozialistischen Deutschen Studentenbund musste die Sympathisantin des Prager Frühlings erleben, dass viele Genossinnen und Genossen den Aufstand der Tschechen und Slowaken ebenso verachteten wie die Interventen der Warschauer Paktstaaten. Eine Enttäuschung. Immer wieder tauchte der Berliner VW an der Moldau auf. Die Fahrerin war nun keine Studentin auf Materialsuche, sondern eine Politikerin. Sie verliebte sich in den Prager Aktivisten Petr Uhl, beteiligte sich am Aufbau einer trotzkistischen Jugendorganisation und gehörte damit zum Prager Untergrund.

1969 wurden Petr Uhl und Sibylle Plogstedt verhaftet und angeklagt. Zusammen mit zwölf anderen. Er erhielt vier Jahre Gefängnis, sie zweieinhalb. Sibylle Plogstedt schrieb dem Geliebten einen siebzigseitigen Brief. Daraus ist ein Buch entstanden, an dem sie lange gearbeitet hat. Sie hat das kleine und das grobe ABC der psychischen Folter protokolliert. Als hätten die Behörden von der seltsamen Verwandlung eines Menschen in einen Käfer gehört, wollten sie Kafkas Leidensgeschichte als Lehrbuch des Quälens nutzen. Wie man einen Andersdenkenden zerstört ohne ihn zu töten; - wie man die Strategie einer Zermürbung praktiziert;  - wie man eine Persönlichkeit zersetzt;  - all das wird minutiös ausgebreitet. Von einem Opfer. Und dass die Autorin davon erzählt und nicht etwa Material für eine Seminararbeit über Gefängnissysteme in Ost und West präsentiert, das macht die Spannung der Lektüre aus.

Das Buch ist eine Beschreibung von Netzwerken: Das Netz der sozialistischen Rebellen, die das verhasste System umstürzen wollen; das Netz der Diktatur, die ihr Bollwerk der Unterdrückung verteidigt;  - und das Netz der Gedichte. Jetzt sind wir im Zentrum der Erinnerungen. Endlich verstehen wir den Titel. Denn Sibylle Plogstedt teilte die Zelle zeitweise mit einer älteren Frau, Marta, die ein gefährliches Gemisch verkörpert: sie ist dabei, die deutsche Mitgefangene zu verstören, durch ihre immer wieder ausbrechenden schizophrenen Schübe. So tauchen in der Zelle Gestalten auf, fantasierte Schatten. Schreie. immer wieder Unterbrechungen des Schlafs. Und noch etwas, für das Maria steht: Gedichte. Sie schreibt nämlich Gedichte. Zur Bannung der Gespenster. Zur Umgarnung der jungen Mitgefangenen. Zur Renaturierung eines im Betonbett gefangenen Wärmestroms.

Beinahe
auf jedem Wort ausrutschend
deine Zeit verfehlend
auf dem Friedhof schlafend
bringst du mir Mut bei,
Schwester meiner Bangigkeit.

Marta ist in der Zelle Mädchen für alles: die Schwester, die Mütterliche, die Verzweifelte, die Sanfte, die Liebende, die von Bildern gepeinigte. Die Zelle wird zu einem Ort des Unheimlichen. Die Autorin flüchtete sich vor dieser Frau. Und nahm sie dennoch als ein Mittel der Stärkung. Sie verdächtigte sie, ein Spitzel der Geheimpolizei zu sein. Und sie liebte sie. "Marta las vor", so heißt es da, „ich träumte mit der Musik der Sprache. Meine gestauten Gefühle kamen wieder in Fluss. Die Zelle, die Gitter, die Eisentür und all die Verluste traten in den Hintergrund. Ich suchte die Ruhe nach dem Gefühlssturm."

An die neun Monate Gefängnis  - die Gefangene wird ausgewiesen -  schließen sich schreckliche Lehrjahre der Gefühlsverwirrung an. Sibylle Plogstedt hat die seelischen Folgekosten zu zahlen. Das Gefängnistrauma wächst sich aus zu einer bleiernen Leere. Beschädigungen werden spürbar, an denen die Autorin mehr als dreißig Jahre zu leiden hat. Das Buch ist ein Kilometerstein auf dem Weg der Genesung. Darin erinnert es an des Schicksal des Kunsthistorikers Aby Warburg, auch er analysierte nach Jahrzehnten ein indianisches Schlangenritual  - und erlöste sich so aus psychischen Verstrickungen.

Wenn der Begriff „Ästhetik des Widerstands" einen Sinn hat, dann bei diesem Protokoll einer Selbstbefreiung, das Sibylle Plogstedt geschrieben hat. Mit dem üblichen Memoiren-Kunstgewerbe hat das nichts zu tun. Hier ist eine Geschichte gelungen, deren Sog man sich dank ihrer psychologischen Kriminalistik nicht entziehen kann. Zugleich nehmen wir teil an einer Fahrt mit der Geisterbahn durch ein politisches Räderwerk.

Bleib im Offenen, Freundin, möchte man Sibylle Plogstedt zurufen. Die Bitte von Else Lasker-Schüler scheint auch ihre Bitte zu sein. Hoffentlich wird sie nicht erfüllt.

Ach liebe Engel öffnet mir
- Ich aß vom bitteren Brote -
Mir lebend schon die Himmelstür -
Auch wider dem Verbote.