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Peter Schneider wurde 70. (tgsp, 20.4.2010 ). ’68 war in meinen Augen unvermeidlich und alles in allem ein Segen. Aus dem Zusammenstoß zwischen nicht gerade demokratisch denkenden Rebellen und einer bloß formal existierenden Demokratie ist eine höchst lebendige Demokratie hervorgegangen....Ich habe nie für den Irakkrieg gesprochen, obwohl ich den Tyrannenmord im Prinzip gutheiße. Aber nicht, wenn einer wie George W. Bush die Welt dazu aufruft. Seit den Gaunereien bei den US-Wahlen in Florida wusste ich, das ist eine finstere Truppe....Als es kürzlich in der „Bild“-Zeitung hieß, dass wir, die Vorbereiter des „Springer-Tribunals“, von Bucerius in Hamburg kleine hübsche Umschläge mit Tausenden von Mark bekommen hätten, rief ich meinen damaligen Kampfgefährten, den Politikwissenschaftler Bernhard Blanke an: Bin ich bei dem Treffen in Hamburg eigentlich dabei gewesen? Blanke erbat eine Pause, um das Bild von dem Treffen in seinem Gedächtnis aufzurufen. „Hier saß Bucerius“, sagte er dann, „weiter links der Bissinger, rechts von ihm Hans-Joachim Hameister – nein, du bist nicht dabei gewesen.“ Ganz nebenbei strich seine Erinnerung auch eine oder zwei Nullen in den Beträgen, die in den Zeitungen genannt wurden....In der Tat fürchte ich, dass wir in der Auseinandersetzung mit dem Islam die Errungenschaften der Aufklärung nicht energisch genug verteidigen. Wir können doch nicht zulassen, dass Beträume in öffentlichen Schulen eingerichtet oder Mädchen und Frauen unter unseren Augen zu Ehen gezwungen werden, die sie nicht wollen! Da bin ich absolut intolerant.
Spiegel (21.4.10): In Trento wurde er von den italienischen Genossen (und Genossinnen!) wie ein Heilsbringer der Revolution gefeiert: 1968/1969 war Berlin, man mag es heute nicht mehr glauben, das europäische Zentrum des Aufstands, und der Glanz dieser eigentümlichen Führungsrolle strahlte auf ihn ab. Wie von selbst lernte er dabei die späteren Anführer der "Brigate Rosse", der terroristischen "Roten Brigaden" kennen, und wieder war er mittendrin im Geschehen....Eine ausgesprochene Seltenheit in Deutschland: Er ist ein Renegat, ohne abzuschwören, ein Kritiker, ohne Verräter zu sein. Einer, der seine politischen Irrtümer bekennt und dennoch nicht die eigene Biografie desavouieren oder gar ungeschehen machen will. Er ist und bleibt ein 68er, aber eben nicht einer von jenen, die stolz darauf sind, immer noch genau dieselben Auffassungen zu vertreten wie in ihrer seligen Jugendzeit. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.
Peter Schneider: Es ist dieses damals militant und massenhaft vorgetragene Element des Zweifelns an den überkommenen Lebensformen, das das Erbe von 68 bis heute so skandalös macht.....
Zu Götz Alys "Kampf"-Buch: In einem Flugblatt der Reformsozialisten im Sommer 1971 lese ich: „Anfang dieser Woche wurde im OSI ein Steckbrief gegen Schwan und verschiedene Reformsozialisten verteilt, in dem die GSO (Grundsemester-Organisation) unverhüllt proklamierte: Jagd die Schweine raus!“….Sako-Oberaktionist Aly (Sako -Sozialistisches Arbeitskollektiv) forderte –unter weiteren Eierwürfen seiner „Genossen“ – dazu auf, gewaltsam in Schwans Büro einzudringen und sich die dortigen Gegenstände anzueignen.“Man würde gern einen Kommentar des geläuterten Götz Aly zu diesen  und anderen Verirrungen in seiner damaligen Kampfarena lesen. Mit Sicherheit hat auch er damals Artikel für die Rote Hilfe geschrieben, die anonym erschienen sind: "Es gilt, den Massen die Funktion der RAF-Jagd zu erklären und den Widerstand zu organisieren." Von den emanzipatorischen Impulsen der 68er, von ihrem Freiheitspathos, ihrer Glückssuche und ihrem Weltbeglückungswahn ist bei Aly kaum die Rede. Mit Tunnelblick bleibt er auf das Segment der Totalitären fixiert, zu dem er selbst gehörte, nimmt diesen Teil für das Ganze und versucht sich zu reinigen, indem er die 68er insgesamt als Widergänger „der 33er“ denunziert. Selten ist eine knallige These mit so schwachen Beweismitteln vorgetragen worden. Aly löst die zitierten Texte aus ihrem historischen Zusammenhang und  gibt sich mit bloßen Wort- und Oberflächen-Ähnlichkeiten zufrieden. ...Hatte er als Anführer der „Schweinejagd“ im Osi nicht das gleiche getan? Das gleiche oder dasselbe? Und war auf dem vom „Widergänger“ Aly mitverfaßten Aufruf zur „Schweinejagd“ nicht eine Karikatur zu sehen, auf dem ein besonders großes Schwein namens Richard Löwenthal zu sehen war – eines jüdischen Professors, der in die USA geflohen und nach Deutschland zurückgekehrt war, um jungen Deutschen wie Aly die Demokratie beizubringen? Wäre Götz Aly in seiner Untersuchung länger bei sich und seiner Scham geblieben, hätte er vielleicht gefunden, daß er ein von Ehrgeiz und Selbstüberschätzung verblendeter junger Mann, aber kein Jungnazi war – und daß nicht alle 68er sich so verrannt hatten wie er selber.
Christopher Hitchins (ex-Trotzkist und 68er aus London) im Gespräch mit Peter Schneider: "Ich erinnere mich auch gut, mit welcher Selbstverständlichkeit mich Regierungsleute in die Gruppe um Abu Nidal einführten, die damals in Bagdad beherbergt und gefördert wurde.   Irak hat Scheich Achmed Jassin, einem der Urheber des ersten Attentats auf das World Trade Center im Jahre 1993, zehn Jahre lang Zuflucht gewährt.   Es ist eine Tatsache, dass Irak immer wieder Terroristen Unterschlupf gewährt hat, so auch dem palästinensischen Terroristen Abu Abbas, dem Drahtzieher der Entführung des Passagierschiffs Achille Lauro.... Was die Verbindungen zwischen dem Baath-Apparat und bin Laden betrifft da habe ich meine eigenen Quellen, und ich traue ihnen. Ich habe seit Langem festgestellt, dass zwischen beiden Seiten eine Art Hitler-Stalin-Kooperation bestand. Ich glaube, dass die amerikanische Administration das unterschätzt diese Leute sind auf ideologischem Gebiet ziemlich naiv. Wenn du den Hitler-Stalin-Pakt erwähnen würdest, dann wüssten sie nicht, wovon die Rede ist. Zweifellos war der Irak dabei, zu einem Dschihad-Staatssystem zu mutieren, in dem die Dschihadis Zugang zu all den Privilegien haben würden, die ein Staat zu vergeben hat: Pässe ausstellen, Zugang zu Flughäfen, Benutzung staatlicher Unterkünfte, Beschaffung falscher Papiere....Ich glaube generell nicht dies ist mein Streit mit der Linken , dass der islamistische Terrorismus und seine Aktionen davon abhängen, was wir tun und wo wir gerade sind.   Die Islamisten wollen und werden uns herausfordern in Berlin, in Birmingham, in Belgrad und in Brüssel.   Wir haben es zu lange mit einer Politik der Unterreaktion versucht. Unterreaktion, das war lange Zeit die gängige Praxis. Als Salmon Rushdie wegen eines Romans zum Tode verurteilt wurde, sagte Vater Bush, dies sei für die USA nicht von Belang. Vom ersten Attentat auf das World Trade Center bis hin zur Sprengung amerikanischer Botschaften in Afrika mit Hunderten von Toten niemand kann behaupten, dass die Politik der Unterreaktion nicht ausprobiert worden ist. Sie hat nichts bewirkt."
Peter Schneider: "
It is a perversion when, out of respect for the "otherness" of a different culture, Germans stand aside and accept the fact that Muslim women in Germany are being subjected to an archaic code of honor that flouts the fundamental human rights to dignity and individual freedom. This has nothing to do with Germany or the "guiding German culture" that German conservatives want to put through; it has simply to do with humanity, with the protection of basic human and civil rights for all citizens of all ethnic backgrounds." (WSJ).