SDS-Website |
||
Leserbriefe im Tagesspiegel vom 28.1.2001 CDU hat Dialog mit der Jugend abgebrochen Betrifft: "Japanische Verhältnisse" im
Tagesspiegel vom 23. Januar 2001 Mir kam es schon seit Angela Merkels Pressekonferenz nach
der CDU-Klausurtagung so vor, als wollte die CDU den Kampf um die
Positionen von 1968 da wieder aufnehmen, wo sie 1968 den Faden oder
den Überblick verloren hat - dabei auch die jahrelange Debatte um
Gewalt, ihre verschiedenen Formen, ihre möglichen Rechtfertigungen
nicht zur Kenntnis nehmend. Bei der CDU ist damals der Motivationsfaden gerissen, sich
überhaupt noch mit den Positionen einer kritischen Jugend auseinander
zu setzen. Sie beschränkte sich in ihrer Erklärungsnot auf
formaljuristische Argumente und steigt an derselben Stelle heute
wieder in die aufgegebene Diskussion ein. Sie hat aber nichts
dazugelernt, sofern es ihr überhaupt um ernsthafte Aufarbeitung der
Geschichte geht (was ich bezweifele). Was Merkel in einleuchtend klingender Logik von den Grünen
fordert, nämlich ihr Verhältnis zur Gewalt prinzipiell zu klären,
das darf man dann auch getrost von. der CDU fordern, nämlich: öffentliche
Distanzierung von allen Gesetzesbrüchen und öffentlichen Lügen
sowie Entfernung aller Gesetzesverletzer in ihren Partei‑Reihen
aus öffentlichen Ämtern! Und ebenso, bitte schön, darf auch die FDP
in sich gehen! Ich träume schon von den nächsten Meldungen in den
Medien: Dutzendweise distanzieren sich Politiker von der Gewalt der
Polizei in Berlin bei der Anti-Schah-Demonstration von 1967 und
entschuldigen sich öffentlich dafür, dass sie den tödlichen Schuss
von Kurras auf Ohnesorg damals nicht verurteilt, dass sie nicht den
Freispruch dieses Polizisten vor Gericht mißbilligt haben. Das würde
ich als Anzeichen dafür werten, dass einige Leute wirklich über jene
Zeit nachdenken. Die Wut der CDU‑ und FDP‑Führung speist sich
aus zwei Quellen: 1. stellt es ihr Weltbild auf den Kopf, dass sie in
der Opposition sitzen und ehemalige radikale Oppositionelle auf der
Regierungsbank, und 2. können sie noch heute nicht verwinden, dass
sie damals keine Antwort auf die antiautoritäre Bewegung und die
Jugendrevolte fanden und sogar ganz aus dem Dialog mit der kritischen
Jugend ausstiegen. Damals ist Adenauers Nachfolgern die Situation
entglitten, und mit dem kritischen Teil der heranwachsenden Bevölkerung,
darunter vielen der hellsten Köpfe der Republik. Wolfgang Reinert, Frechen Ich
distanziere mich von allem Da wir in einer Demokratie leben, ist es nicht
unvorstellbar, dass mir irgendwann ein Amt angetragen wird. Zur
Vermeidung zeitraubender Diskussionen und bedingt durch die aktuelle
Berichterstattung über die erwartete Distanzierung des Herrn Trittin
zu Äußerungen im Zusammenhang mit der Ermordung des Herrn Buback
erkläre ich wie folgt: Ich distanziere mich von allen Äußerungen, die jemals
von rechter oder linker oder von welcher Seite auch immer gemacht
wurden, sowie von allen Äußerungen, die während der mir noch
verbleibenden Lebenszeit von jedweder Organisation jemals gemacht
werden oder gemacht werden können oder auch nur angedacht werden oder
werden könnten. Weiterhin distanziere ich mich von alten Äußerungen,
die ich jemals selbst gemacht habe oder in der Zukunft noch machen
werde oder auch nur angedacht habe oder haben werde. Weiterhin
distanziere ich mich von Äußerungen, die Personen über mich machen,
unabhängig davon, ob mir diese Personen und ihre Äußerungen - oder
die beabsichtigten Äußerungen - bekannt sind oder nicht. Um eine absolute Sicherheit zu erhalten, distanziere ich
mich von allem, was vorstellbar oder auch zur Zeit nicht vorstellbar
ist. Meinolf Nüthen, Berlin Siemensstadt Parallelen Betrifft: Die Befragung von Fischer und Trittin im
Bundestag Es war einmal eine Zeit, da sollte Willy Brandt in seiner
Vergangenheit zum Vaterlandsverräter übelster Sorte gemacht werden.
Herbert Wehner zum kommunistischen Verbrecher von Moskaus Gnaden. Wer
wollte uns damals mit allen Mitteln davon überzeugen?‑ Die
Konservativen. Und wo saßen diese seinerzeit? In der Opposition.
Komisch, nicht? Helmut W. Wilhelm, Berlin Siemensstadt Merkels
Vergangenheit Betrifft: Den Artikel „Dabeisein ist alles" in
der Tagesspiegelausgabe vom 23.Januar 2001 Angela Merkel forderte in ihrem peinlichen Redebeitrag im
Bundestag, dass Außenminister Fischer wegen seiner Vergangenheit Buße
tun soll. Merkel, meine ehemalige DDR-Mitbürgerin Vergangenheit
weniger Probleme. Im Gegensatz zu vielen DDR-Staatskritikern, die
weder Abitur machen noch studieren durften, oder gar bei der Stasi
landeten, beherzigte Angela Merkel, dass in der DDR persönliches
Fortkommen eben nur bei ideologischer Unterwerfung möglich war, wie
sie in einem "Spiegel"-Interview offenherzig gesteht. Bernd Heller, Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf Der
Zwang des Amtes Nun geht es Jürgen
Trittin wie Joschka Fischer. Beide mit zwei Seelen in der Brust. Beide
haben viel Spaß, politische Macht auszuüben. Sie sind aber
wahrscheinlich innerlich noch nicht bereit, sich von der Idee zu
verabschieden, dass der Staat der Gegner sei, den es zu bekämpfen
gilt. Nur die hohen staatlichen Ämter, die es zu halten gilt, zwingen
sie, sich öffentlich zu distanzieren.
Dieter Ohm, Berlin
Steglitz-Zehlendorf Verfälschte
Geschichte Betrifft. Die Debatte über Joschka Fischer und Jürgen Trittin Zweck dieser Kampagne ist es,
von dem eigentlichen Skandal der CDU-Finanzaffäre abzulenken. Die CDU
solle lieber schweigen: Aus ihren Reihen gab es mehrere Minister (Globke/Oberländer)
und einen kurzzeitigen Bundeskanzler (Kiesinger), die als Funktionäre
und Mitläufer im Dritten Reich Karriere gemacht haben. Oder es sei an
F. J. Strauß erinnert, der sich in der „Spiegel"-Affäre über
Verfassung, Recht und Gesetze hinwegsetzte. Hier sollte gerade Frau
Merkel, mit ihrem antrainierten Pathos und ihrer groben Unkenntnis über
bundesrepublikanische Geschichte, lieber schweigen, denn entweder
kennt „das Mädchen" (H. Kohl) die Geschichte der
Bundesrepublik nicht, oder sie verfälscht diese Geschichte für ihre
tagespolitischen Ziele. Friedrich W. Busekrus, Berlin
Steglitz-Zehlendorf |