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Die Kurras - Affäre
Sensation:
Stasi-Mitarbeiter ermordete
Benno Ohnesorg
(Mechthild Küppers, faz, 21.5.09). Aktenfunde in
der Stasi-Behörde belegen es.
SDS-Website-Administrator: Nach Meinung der Westberliner
Gerichte kein Mord, sondern "putative Notwehr". Die gesamte Berliner
Polit-Klasse (West und Ost) deckte einen kaltblütigen Mörder. Das gilt
bis heute. Oskar Negt sprach seinerzeit von einem
"staatlich organisierten Mordanschlag". Es wird Zeit, dass dieser
staatliche Komplex des Gesamtberliner Sumpfes der 60iger Jahre endlich
aufgeklärt wird.
Wir brauchen eine Wahrheitskommission.
Mord ohne Mörder. "Wenn eine Pistole der Polizei
losgeht", war daraufhin in der WELT zu lesen, "dann schießt der Staat
und nicht der Polizeibeamte." (Spiegel, 2.6.97).
Das Attentat auf den Studenten-Wortführer Rudi Dutschke
am 11. April 1968 sollte nach Ansicht seines Sohnes Marek
neu untersucht werden. Das gelte auch mit Blick auf mögliche
Geheimdienst-Verwicklungen oder Stasi-Verstrickungen, sagte
Marek Dutschke in einem Gespräch mit der dpa.
(Berl. Zeitung, 30.5.09).
Wikipedia: Am 8. und 9. Juni 1967 prüfte das MfS, ob
Karl-Heinz Kurras, IM Otto Bohl; ein Doppelagent sei,
da man sich den Schuss auf Ohnesorg offenbar nicht anders erklären
konnte. Daraus folgert
Helmut Müller-Enbergs (Welt, 24.5.09), der Ermittler der
Birthler-Behörde, es habe eindeutig keinen Mordauftrag gegeben.[12]
Peter Schneider:
In die Revolte hineingeprügelt. Ich erinnere mich an ein
Plakat, das bei der Trauerfeier für Ohnesorg am 3. Juni
hochgehalten wurde, zu der sich die Studenten damals versammelten. Da
stand drauf: "Albertz zurücktreten", "Duensing
zurücktreten", "Büsch zurücktreten". Diese
drei Forderungen waren bereits im Herbst erfüllt. Seltsamerweise hat
dann niemand von uns den naheliegenden Schluss gezogen und gesagt:
Dieser Staat hat ein Versagen zugegeben, jetzt müssen wir unsererseits
zugeben, dass diese Demokratie funktioniert und reagiert hat....Es steht
aber fest, dass sich Rudi Dutschke über die Natur des
Staates DDR keine Illusionen machte und sogar - wie ich jetzt von
Dutschkes Sohn las - gegen Ende seines Lebens
vermutete, dass der Attentäter Josef Bachmann, der ihn
so schwer verletzte, ebenfalls von der Stasi gewesen sei. Dazu kann ich
nichts sagen, aber was ich bestätigen kann, ist, dass sich
Dutschke in den Jahren nach dem Attentat am meisten vor einem
Anschlag der Stasi fürchtete. Nicht vor Verfolgung durch den CIA,
sondern durch die Stasi. (Welt, 30.5.09).
PETER SCHNEIDER:
EIN ARMER, AGGRESSIVER TROPF (Spiegel, 25.05.2009). Die
Frage stellt sich, ob die Geschichte der Bundesrepublik nach dem 2. Juni
anders verlaufen wäre, wenn die Stasi-Identität von Kurras damals aus
irgendeiner Quelle bekannt geworden wäre. Ich bejahe diese Frage, aber
kann sie nur durch Spekulationen stützen. Die DDR-Führung hätte ebenso
am Pranger gestanden wie der West-Berliner Senat. Die Führer der
Studenten hätten ihre Argumente gegen den "faschistoiden Staat" breiter
anlegen müssen und hätten sich vielleicht nie in ihre Träumereien von
der DDR als dem "besseren Deutschland" verirrt. Und die Berliner selber?
Hätten sie die "Radaubrüder und Maojünger" mit mehr Respekt angesehen,
vielleicht sogar umarmt - diese anfangs doch witzigen Chaoten, die mit
ihren Plakaten und Erfindungen die Bürger zur Weißglut reizten. Alles
Spekulation. Aber die Chaos-Theorie lässt uns vermuten, dass es die von
Marx verkündeten ehernen Gesetze der Geschichte gar nicht gibt. Der
Flügelschlag einer rechtzeitigen Enthüllung über die
Stasi-Mitgliedschaft eines armen Tropfs namens Karl-Heinz Kurras hätte
womöglich ganz andere Gewitter erzeugt.
Klaus Wagenbach: In Berlin war
die Elite der Nation versammelt: die Wehrdienstverweigerer. Die alten
Nazis gegen die Wehrdienstverweigerer, das war Westberlin. Die
Zwischengeneration fehlte, die war im Westen und machte Karriere.
Deswegen war der Zusammenstoß in Berlin besonders heftig, deshalb wurde
hier auch am meisten geschossen.....Ich habe doch als Kind meine
Landsleute erlebt, wie sie bis zum Kriegsende vom Endsieg faselten und
schon am nächsten Tag behaupteten, sie hätten von nichts gewusst. Die
Täter verwandelten sich von einem Tag auf den anderen in Opfer. Noch
lange nach dem Krieg hat man so geguckt, ob da nicht ein SS-Strolch auf
einen zukommt. Wenn einer mal Gitarre spielte, kam sofort der
Polizeiknüppel. Das waren die Schwabinger Krawalle. Sie machten sich
doch damals praktisch schon strafbar, wenn Sie Geschlechtsverkehr
hatten, ohne verheiratet zu sein. Wenn Hildegard Knef
eine halbe Brust heraushängen ließ, wurde die Aktion "Saubere Leinwand"
aktiv. Mit Ohnesorg hatte das überhaupt nichts zu
tun....Niemand
ist je für den Mord an den Studenten Ohnesorg und
Georg von Rauch verurteilt worden, niemand außer
mir. Es durfte kein Mord sein! Der Polizeipräsident Klaus Hübner
verklagte mich, weil ich mich an der Ehre der Berliner Polizei vergangen
hätte. Dabei wollten sie nur den Verlag ausschalten....Thomas
Schmid (ehemals Lektor bei Wagenbach, jetzt Die Welt)
bezeichnet die Ereignisse vom 2. Juni 1967 als "heftige Demonstration".
Diese Demonstration war nicht heftig. Die Studenten waren bereits am
Vormittag von den "Jubelpersern" verprügelt worden und die Polizei hat
zugesehen. Abends wurde den Studenten dann dieser Schlauch zugebilligt:
hinten das Baugerüst, vorn das "Hamburger Gitter". Dann erging der
Befehl "Räumen!", und der damalige Polizeipräsident Duensing übte sich
in seiner berüchtigten Leberwursttaktik. Dazwischen wurde die
Fehlmeldung durchgegeben, es sei ein Polizist erstochen worden. Nein,
nein, das war keine "heftige Demonstration", das war richtig gesteuert.
Die Polizei war vom Sender Freies Berlin und den Springer-Zeitungen
aufgefordert, jetzt mal ordentlich durchzugreifen. Und so geschah es,
und da kann auch mal ein Schuss losgehen. (SZ, 29.5.09).
Claudius Seidl: Das kleine Einmaleins des Zynismus-Leninismus:
War es nicht, von der Russischen Revolution über den Spanischen
Bürgerkrieg bis zum Aufstand in Ungarn die liebste Übung der
Kommunisten, andere Linke zu liquidieren? .Fest steht: Das
historische Bündnis zwischen Kurras und „Bild“
ist jedenfalls nicht dadurch zum Irrtum geworden, dass Kurras als
Kommunist entlarvt ist. Alle wissen jetzt, dass die Kurras-Nachricht das
Falsche noch falscher mache. Wenn Benno Ohnesorgs Mörder
nicht die postfaschistische Charaktermaske war, sondern ein Linker, ein
Kommunist: Dann sei allem, was daraus folgte, die Grundlage entzogen.
Die Erschütterung über Kurras' Freispruch war jedenfalls so groß, dass
Peter Handke, in seiner Dankesrede für den
Gerhart-Hauptmann-Preis (die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
abgedruckt wurde im Dezember 1967), nur noch fordern konnte:
Wenn Kurras freigesprochen wird, dann müssen künftig alle
Angeklagten freigesprochen werden! (FAZ, 1.6.09).
Reinhard Mohr:
Ein Schuss, der Deutschland verändert.
(et, 22.5.09) Es war der Zündfunke für die Radikalisierung: Am 2. Juni
1967 wurde Benno Ohnesorg vom Berliner Polizisten Karl-Heinz
Kurras erschossen. Der, so stellte sich jetzt heraus, arbeitete
vermutlich als IM für die Stasi. Muss die Geschichte der deutschen 68er
jetzt umgeschrieben werden?
"Es ist etwa 20.30 Uhr, also noch hell. Plötzlich fällt ein Schuss. Eine
Kugel Kaliber 7,65 aus der Walther PKK des Kriminalobermeisters in
Zivil, Karl-Heinz Kurras, 39, trifft Benno
Ohnesorg aus etwa eineinhalb Metern Entfernung. Wenig später
stirbt er. Todesursache: "Gehirnsteckschuss"."
Politiker fordern Aufklärung im Fall Kurras. (Spiegel,
24.5.09). Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily
(SPD),
der damals Ohnesorgs Vater als Nebenkläger im Prozess gegen Kurras
vertreten hat, fordert eine eingehende Prüfung der Stasi-Akten. Der
Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele verlangte im
"Hamburger Abendblatt", es müsse geprüft werden, ob der DDR-Geheimdienst
Kurras' Verurteilung verhindert habe. Berlins
ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Schütz (SPD)
drängte darauf, Kurras' Pensionsansprüche zu überprüfen. Schütz
sagte der "Welt am Sonntag": "Ich halte es für einen Skandal, dass
jemand wie Kurras offenbar seine Pensionsbezüge ohne
eine Dienstaufsichtsbeschwerde weiter bezieht." Stefan Aust
sagte, es gebe "erheblichen Aufklärungsbedarf". Der Verdacht sei "nicht
ohne Weiteres von der Hand zu weisen", dass der Tod Ohnesorgs
eine "geplante Aktion" gewesen sei.
Im Jahr 2007 hatte Kurras in einem Interview mit dem
"Stern" gesagt, er hätte auf Ohnesorg so oft schießen
sollen, "dass die Fetzen geflogen wären, nicht nur ein Mal". Die
Äußerungen, so Schily im SPIEGEL, seien "eigentlich ein
Grund, das Verfahren noch mal aufzurollen. Bisher ging es vor Gericht
immer um fahrlässige Tötung.
Bei solchen Sätzen muss man davon ausgehen, dass er das bewusst getan
hat und seine Aussage, es habe sich um ein Versehen und Notwehr
gehandelt, nicht stimmt". Der Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni
und stellvertretende Bundesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des
Stalinismus fordert, die Ermittlungen gegen Kurras müssten so schnell
wie möglich wieder aufgenommen werden. Carl-Wolfgang Holzapfel,
hat den Todesschützen (folgerichtig) am Freitag
wegen Mordes angezeigt.(Spiegel, 24.5.09). „Mord
verjährt nicht,“ erklärte Holzapfel, der auch
stellvertretender Bundesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des
Stalinismus ist, am Freitag. Die Ermittlungen gegen Kurras müssten so
schnell wie möglich wieder aufgenommen werden.
(Focus, 22.5.09).
Otto Schily:
Die DDR
genoss keinen Heldenstatus (spiegel, 25.05.2009). Ohnesorgs
Tod war eine Zäsur, da kulminierte ein brutaler Polizeieinsatz mit einem
Todesfall, das hat viele Menschen wie mich damals sehr aufgeschreckt.
Nach Ohnesorgs Tod verschwanden Beweismittel, das Magazin aus Kurras'
Pistole war unauffindbar, und Fernsehbilder waren plötzlich unbrauchbar.
Kurras ist für diese historische Phase sicher eine wichtige Figur
gewesen, aber man darf den Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen
verlieren. Wer jetzt meint, man müsste die gesamte Geschichte der
68er-Bewegung neu schreiben, der liegt falsch.
Natürlich hat die Stasi immer wieder versucht, Einfluss auf die
Studentenbewegung zu nehmen. Auf der anderen Seite war die 68er-Bewegung
eher kritisch zur DDR eingestellt. Ich selbst habe damals an einer Demo
vor der tschechischen Militärmission in Berlin teilgenommen, um gegen
den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag zu demonstrieren. Das
war ein Punkt, wo sich die 68er massiv gegen die DDR gestellt haben.
Insofern hätte eine solche Schlagzeile gar nicht unbedingt zur
Desillusionierung beigetragen. Die DDR genoss keinen Heldenstatus.
Stefan Aust: "Das
ist eine ungeheuerliche Enthüllung" (Hamb. A-Blatt,
23.5.09).
STEFAN REINECKE:
Der Untertan. (taz, 24.5.09). Kurras Schuss am 2. Juni 1967
war ein harter Rückschlag für das MfS. Denn es verlor damit seinen
besten Agenten. Der IM "Otto Bohl" hatte von 1965 bis
zum Mai 1967 erstklassige Informationen geliefert. 23 Berichte über im
Westen festgenommene IM und 10 Nachrichten über IM, die in den Westen
übergelaufen waren. Denn Kurras arbeitete bei einer
Sonderermittlungseinheit, die Stasi-Spitzel in den Reihen der
Westberliner Polizei aufspüren sollte. Das Bild, das die Akten von
Kurras zeichnen, ist das eines Untertans: anpassungsfähig und geschätzt
bei seinen Vorgesetzten in Ost und West. Sein Führungsoffizier
Eiserbeck kann sich schlicht keinen Reim auf dessen Tat machen:
"Es ist zur Zeit noch schwer zu verstehen, wie dieser GM eine solche
Handlung, auch wenn im Affekt oder durch Fahrlässigkeit hervorgerufen,
begehen konnte, da sie doch ein Verbrechen darstellt." Das MfS rätselt
vergeblich, wie ihm sein Topagent abhanden kam. Nichts spricht dafür,
dass Kurras mit Wissen oder Billigung des MfS auf Ohnesorg schoss. Im
Gegenteil: Die Stasi konnte sich die Tat nur erklären, indem sie die
Vermutung ventilierte, dass ihr Spitzenagent "im Auftrage einer
feindlichen Dienststelle als Agent Provocateur die Verbindung zum MfS
aufnahm". Es erscheint schlicht irre, dass die Stasi ihren besten Mann
opfert, um ihn als Agent Provocateur einzusetzen. Wer sich für die
Wahrheit über Agents Provocateurs und die Studentenbewegung
interessiert, für den ist immer noch der Verfassungsschutz die erste
Adresse: Dessen Mitarheiter Peter Urbach stattete die
Studentenbewegung mit Molotowcocktails und Üblerem aus - und bekam vom
bundesdeutschen Staat eine neue Identität. Wo er ist, weiß bis heute
niemand. Nicht nur die Stasi hat noch ungelüftete Geheimnisse. Das
Tremolo der Konservativen, dass die Geschichte umgeschrieben werden
muss, verrät den Traum, "68" doch noch auslöschen zu können. Und die
Versuchung, die Fratze der konservativen Biedermeier-Republik zu
überblenden und die Revolte als Inszenierung der Stasi zu denunzieren,
ist zu groß. Dabei ist dies ein Rückfall in die Propaganda-Stereotypen
des Kalten Krieges, in denen die Widersprüche der eigenen Gesellschaft
stets das böse Werk des Feindes sein mussten. So war es nicht. Und zur
historischen Wahrheit gehört: Es waren die 68er und deren Nachfolger,
die Alternativen, Feministinnen, Ökos und Spontis, die den
wildgewordenen Kleinbürgern à la Kurras diese Republik nicht länger
überließen.
Stephan Hebel (FR, 22.5.09):
Ein deutscher Polizist. Ein deutscher Polizist,
geprägt von den schlechtesten Traditionen, kann überall dort ganz gut
dienen, wo mit Unruhestiftern kurzer Prozess gemacht wird. In diesem
Sinne "ordentlich" waren sowohl die DDR als auch - trotz ungleich
freiheitlicherer Bedingungen - die damalige West-Berliner Polizei. Das
Schöne an der Bundesrepublik: Nach 1968 hat sich daran einiges geändert.
Das war es, was die meisten Antiautoritären wollten. Und nicht ein
anderes, diktatorisches System. Sie hätten sich deshalb über Kurras'
SED-Parteibuch vielleicht weniger gewundert, als wir es heute tun.
Wolfgang Kraushaar:
Vielleicht war es nicht die NS-Vergangenheit (FR,
24.5.09). Die Tatsache, dass der Todesschütze am 21. November 1967 vom
Landgericht Moabit vom Verdacht der fahrlässigen Tötung freigesprochen
und im Gegensatz dazu der Kommunarde Fritz Teufel wegen eines
angeblichen, nie nachgewiesenen Steinwurfs monatelang in
Untersuchungshaft gehalten worden war, hatte erheblich mit dazu
beigetragen, unter den Studenten den letzten Rest an Vertrauen gegenüber
der Justiz und den staatlichen Institutionen zu verspielen.
Klaus Schroeder:
Der Schuss, der die Bundesrepublik veränderte. (Welt,
23.5.09). Einer der Vordenker der linksradikalen Studentenbewegung,
Oskar Negt, sprach von einem "staatlich organisierten
Mordanschlag", und die Wortführer des SDS, die schon zuvor in internen
Papieren mit dem Einsatz von organisierter Gewalt liebäugelten, fühlten
sich in ihren strategischen Überlegungen bestätigt.
Oskar Negt:
Man muss
das Geschehene nicht zwangsweise uminterpretieren. Wir als
68er-Bewegung sind immer davon ausgegangen, dass autoritäre Systeme auf
kritische Öffentlichkeiten mit Gewalt reagieren. Unabhängig davon, ob es
sich um westdeutsche oder ostdeutsche Zustände handelte. Heute wird
gerne vergessen, dass sich die Studentenbewegung immer auch gegen die
Stasi und das Terrorsystem der DDR ausgesprochen hat. Letzten Endes -
muss man im Nachhinein sagen - waren Springer-Presse und Stasi in
gewisser Weise auf einer Linie. Beide verhinderten kritischen Austausch.
Jeder von ihnen auf ihre Art und Weise. Dass Kurras Spitzel war, zeigt,
dass autoritäre Systeme ortsunabhängig tätig sind.(SZ, 22.5.09).
Christian Semler (taz, 25.5.09):
Geschichte wird gemacht. Der
Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras, der Benno Ohnesorg erschoss, hatte in
seinen Prozessen wegen fahrlässiger Tötung Ende der Sechzigerjahre
Verbündete, allen voran Springers Bild-Zeitung. Sein
vorbildlicher Einsatz, hieß es, sei leider in einem von ihm nicht
verschuldeten Unglücksfall geendet. Wie
schnell aus aufrechten Verteidigern der Freiheit gedungene Mörder werden
- denn jetzt, nachdem Kurras Tätigkeit als IM der Staatssicherheit
aufgeflogen ist, wird er zum Auftragsmörder, der gehorsam den Befehlen
aus der Stasi-Zentrale folgte. In derselben Bild-Zeitung, die
damals eine furchterregende Kampagne gegen die revoltierende Studenten
führte, ist jetzt zu hören: "Unruhen und brennende Barrikaden, ja selbst
der Tod von Rudi Dutschke haben ihren Ursprung direkt im Auftragsbereich
von Erich Mielke, dem Stasi-Minister der SED (heute
Linkspartei)." Man kann den delirierenden Autor Hans-Hermann
Tiedje nicht unter der Rubrik "Berliner Absonderlichkeiten"
verbuchen. Vielmehr geht es hier um ein groß angelegtes Manöver der
historischen Mystifikation. Indem die Stasi - ohne jedes Indiz - zum
Täter gemacht wird, kann die Verantwortung der Westberliner Eliten für
den 2. Juni 1967 beiseitegedrückt werden.
Tatsache ist aber, dass in Westberlin seitens der Polizeiführung mit
offen rechtsstaatswidrigen Mitteln vorgegangen wurde. Man muss die
Westberliner Vorgeschichte von Kurras Tat ebenso in Anschlag bringen wie
die anschließenden Vertuschungsmanöver der Polizei und die skandalösen
Freisprüche, wenn man die Geschichte des 2. Juni begreifen will. Oder
war auch das alles das Werk der Stasi? Die damaligen radikalen Linken in
Berlin standen dem SED-Regime samt seiner Stasi fast durchwegs kritisch
gegenüber. Aktivisten von damals fordern deshalb jetzt eine genaue
Prüfung aller relevanten Unterlagen bei der Birthler-Behörde.
Ex-Militanter Bommi Baumann über Kurras
(taz, 25.5.09): Wenn nicht Kurras geschossen hätte, wäre es jemand
anderes gewesen. Denn es gab die Hetze der Springer-Presse, es herrschte
allgemein ein aggressives Klima, insbesondere im vom Kalten Krieg
bestimmten Westberlin. Wenn die Stasi-Verwicklung von Kurras gleich
bekannt geworden wäre, hätte sich höchstens der Anarchoflügel innerhalb
der radikalen Linken durchgesetzt. Wir waren ja die Neue Linke,
wir haben beide Systeme, den Westen wie den Osten, abgelehnt.
Was uns damals noch mehr verbittert hat als die Schüsse, war der
Freispruch, den der Mann gekriegt hat. Der deutsche Staat diese
Gerichtsfarce inszeniert, die Polizeigewerkschaft hat 60.000 D-Mark für
seine Verteidigung gesammelt, der Polizeiapparat stand voll hinter
Kurras. Darum schreien jetzt alle, dass er wieder vor Gericht soll, weil
sie sich hintergegangen fühlen. Denn den Freispruch hätte er
wahrscheinlich nicht gekriegt, wenn man gewusst hätte, dass er ein
Stasi-Mann war. Ich halte das für hinrissig, dass die Stasi die Schüsse
in Auftrag gegeben haben soll. Und ich glaube, dass manche Leute
nachträglich versuchen, alle Fehler der BRD an dieser einen Figur
festzumachen und alle Schuld auf die Stasi und die DDR abzuwälzen.
Buchautor Uwe Soukup über den Tod Benno
Ohnesorgs, die Stasi-Tätigkeit des Schützen Kurras und Versuche der
Springer-Presse, die Geschichte umzuschreiben.: "Das, was die Studenten,
die sich damals radikalisierten, wahrnehmen konnten, war Folgendes: Der
West-Berliner Polizist Kurras hatte geschossen und einen der ihren
getötet.
Der Polizist wurde von der West-Berliner Polizei und Justiz geschützt,
auch die Politik und Teile der Presse ergriffen für ihn Partei. Und
schließlich wurde Kurras auch nicht verurteilt. Für die Studenten war
das ein erschreckendes und eindeutiges Bild." (FR, 26.5.09).
Wer Kurras sprechen will, der muss sich mehr Mühe geben,
als nur mal an der Haustür zu klingeln. Er muss es machen wie
Uwe Soukup: nachhaltig und ausdauernd. Der Autor ist einer der
wenigen, die sich mit Kurras und mit dem tödlichen
Schuss auf den Studenten Benno Ohnesorg wirklich
auskennen. Vor zwei Jahren hat er das Buch „Wie starb Benno
Ohnesorg?“ herausgebracht. Darin liest man von einem Studenten,
der genauso friedfertig eingestellt war wie in den ersten Monaten von
1967 noch fast alle seine Generations- und Protestgenossen. Uwe
Soukups Buch transportiert außer vielen Details und Fotos zwei
Thesen: Damals gab es in der Berliner SPD Bestrebungen, den Regierenden
Bürgermeister Heinrich Albertz aus politischen Motiven
zu entmachten. Als Regierender musste Albertz die
Verantwortung für den Polizeieinsatz am 2. Juni mit allen politischen
Weiterungen übernehmen. Und auch in der Polizei, davon ist Uwe
Soukup überzeugt, hatten manche Interesse daran, den 2. Juni
zum Fiasko des amtierenden Polizeipräsidenten werden zu lassen. (Tgsp.,
27.5.09).
Der Fall Kurras: Stille nach dem Schuss / Von
Gerd Koenen "Warum hat man damals nichts gewusst? Das
ist eine - keineswegs hypothetische - Frage. Und sie führt uns genau in
jenes ost-westliche Minenfeld, in dem der Student Ohnesorg umkam und in
dem entscheidende Radikalisierungen der Protestbewegung sich abgespielt
haben. Hier, in dieser düsteren Verwirbelungszone, warten auf die
zeitgeschichtliche Forschung wie auf die journalistische Recherche noch
wichtige Aufgaben. Und die Wege dahin führen vielleicht nicht nur in die
Birthler-Behörde und das Stasi-Archiv. Auch Archive auf der westlichen
Seite der Mauer wären womöglich erst noch zu öffnen und zu sichten -
falls sie nicht "aus Datenschutzgründen" bereinigt worden sind. Wieso
machte aber so einer von Mielkes Schrot und Korn, der
seine gesamte Freizeit auf dem Schießplatz verbrachte, wo er seine
Ostberliner Honorare in Form von scharfer Munition verballerte, in der
Westberliner Polizei Karriere? Wieso fiel niemandem etwas auf? Oder
passte das ganz gut zur Mentalität eines Polizeikorps, in dem nicht
wenige der höheren Chargen sich ihre Sporen bei der Partisanenjagd im
Weltkrieg verdient hatten? So wie der Einsatzleiter am 2. Juni, der
seine Leute in vertrauter Terminologie zur "Füchsejagd" auf die
Demonstranten hetzte. Die Studenten, so viel ist klar, brachten alle
diese komplementären, sich gegenseitig nährenden Freund-Feind-Ordnungen
im Nachkriegsberlin durcheinander. Im Hass auf die langhaarigen
Studenten und "Chaoten" wird sich der SED-Mann Kurras mit seinen
Westberliner Kollegen ganz einig gewesen sein. Andere, ungeklärte
Ereignisse von damals kommen einem in den Sinn. Da ist etwa der Fall des
Westberliner Verfassungsschutzagenten Peter Urbach, der
im Jahr 1967 noch als "S-Bahn-Peter" bei der
Ostberliner Reichsbahn angestellt war und der über mehr als drei Jahre
hinweg, bis in die Anfänge der RAF, den gewaltbereiten Underground der
Protestbewegung mit Pistolen und Sprengsätzen beliefert hat. Diejenigen,
die Kurras nach dem Todesschuss gedeckt und (laut Innensenator Körting)
seine Akte beim Verfassungsschutz später gelöscht haben, könnten doch in
etwa dieselben sein, die auch den notorischen Agent Provocateur Urbach
damals instruiert haben und ihn 1971 auf Kosten des Steuerzahlers außer
Landes schafften. Dieser Skandal der Republik bleibt dringend
aufzuklären, wohin die Spuren auch führen - und könnte ganz ähnlich
erschütternd wirken wie jetzt der Fall Kurras. Es geht um eine Serie von
fatalen Schüssen, von Kopfschüssen, die von 1967 bis 1977 flashartig
erhellt haben, welche Mördergruben sich hinter den Biedermannsfassaden
auftaten. Diese unheimliche Doppelbödigkeit der beiden äußerlich scharf
getrennten, untergründig vielfach miteinander verflochtenen deutschen
Nachkriegsstaaten bleibt aufzuklären - um sie endlich hinter sich zu
lassen. Die Selbstkritik, das darf ich sagen, ist eine einseitige
Angelegenheit von selbstreflexiven Ex-Linken geblieben. (SZ, 27.5.09).
Der Schriftsteller Uwe Timm über seinen Freund
Benno Ohnesorg, die Studentenbewegung und
Karl-Heinz Kurras. (FAZ, 25.5.09).
Bettina Röhl:
Tod von Benno Ohnesorg: Staatsmord aus Ostberlin? "Im Mai
/Juni 1967 hatte eine Reihe von West-Radikalen (deren Stasi-Verbindung
sicher noch der Erforschung harrt) den Besuch des Schahs von Persien im
Vorwege auserkoren, um ein bisschen Bürgerkrieg in der Bundesrepublik zu
entfachen."
(Admin-Kommentar: Bettina Röhl wird wohl nie ihrer
Mutter verzeihen können, sie verlassen zu haben. Erwiesenermaßen hatten
die Studenten zum 2. Juni 1967 eine durch und durch friedliche Demo
geplant. Die Gewalt ging eindeutig von den sog. Jubelpersern mit ihren
Holzlatten und von der westberliner Polizei aus. Der Waffennarr und
Stasi-Agent Kurras passte da nur zu gut hinein. In Flugblättern der
CISNU, Vereinigung der oppositionellen iranischen
Studierenden und Aufrufer zur Demo, wurde übrigens auch
Moskau, Kurras' ideologische Heimat, kritisiert, den
Schah hofiert zu haben.)
Wolfgang Röhl (Bettinas Onkel):
Warum mich der Casus Kurras nicht interessiert. Eine Rückblende.
(Achse des Guten, 3.6.09). Wichtiger,
finde ich, ist dies: schon lange, bevor Kurras abgedrückt hatte, musste
man nicht bei einem Geheimdienst gewesen sein, um zu wissen, dass so
genannte fortschrittliche Kreise des Westens im großen Stil von der
illegalen KPD (die 1968 zur DKP umgetopft wurde) und ihren diversen
Tarn- und Vorfeldorganisationen unterwandert waren und dass dadurch
politische Stimmungen des Westens in einem ganz erstaunlichem Ausmaß
beeinflusst wurden. Was sie, die fortschrittlichen Kreise, bis heute
nicht wahrhaben wollen…
PI
(Gastbeitrag von survivor):
Der Stasi-Mord, der Deutschland veränderte
Die Geschichtsklitterung der Konservativen in Sachen
Studentenbewegung ist massiv. VON
ALBRECHT VON LUCKE Der Fall Kurras/Ohnesorg wird
dabei gleichsam zum missing link für die endgültige
Delegitimierung der linken Geschichte der Bonner Republik: Ohne Stasi
kein 2. Juni, ohne 2. Juni kein "68" und keine erste Legislatur
Willy Brandts ("Mehr Demokratie wagen") und ohne Stasi auch
kein Scheitern des Misstrauensvotums gegen Brandt und damit keine zweite
Legislatur. Der Anteil der Linken am Gelingen der Bundesrepublik wird
auf diese Weise rückwirkend ausgelöscht.
Alles gemäß der alten Devise: Alle linken Wege führen nach Moskau.
Kurzum: "Geschichte wird gemacht", um eine alternative, gar linke
politische Zukunft des Landes zu verhindern. Die deutsche Linke wird
darüber zur letzten Geisel des Kalten Krieges. (taz,
2.5.09).
Hans-Dieter Schütt (ND, 25.5.09): Die Studenten- und
68er-Bewegung muss nicht neu aufgerollt werden, nur weil
Benno Ohnesorgs Mörder Stasi-Mann, Genosse war.
Denn dass nun, daraus folgend, die Befehlsgeber für jene kurzzeitige
westdeutsche Entladung von Anarchie, welche aber die Gesellschaft
grundlegend änderte, in Strategiebüros der SED gesessen haben sollen,
streift das denkerische Abenteuer.
Christian Schröder:
Aber vor allem war der 2. Juni die „Nacht der langen Knüppel“, wie
Sebastian Haffner 1967 schrieb. Derlei
Polizeistaatsmethoden gehören heute der Vergangenheit an: ein
Zivilisationsgewinn, den die Republik auch den 68ern verdankt. (Tgsp.,
29.5.09).
„Ich
glaube nicht, dass Herr Kurras ein Einzelfall war“, sagte
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.
Innensenator Ehrhart Körting setzt sich für eine
Erforschung der Stasi-Tätigkeit in West-Berlin ein. Er sagte in der
Fragestunde des Abgeordnetenhauses, der Landesbeauftragte für die
Stasi-Unterlagen, Martin Gutzeit, prüfe derzeit ein
Forschungsvorhaben zur Stasi-Tätigkeit im Westen. (Tgsp., 29.5.09).
Michael Naumann: "Nicht nur Le-Carré-Lesern bieten sich
folgende Forschungsrichtungen an:
War Kurras wirklich nur ein Stasispion? Gab es im Berlin
jener Jahre nicht den ehrenwerten Beruf des Doppelagenten? Waren seine
freundlichen Richter ausnahmslos unbescholtene Nachfolger der
NS-Judikatur? Aber sie (die BRD) war ein Land, in dem ein Kurras
gedeihen konnte, in dem führende SS-Mitglieder den
Bundesnachrichtendienst aufbauten – um dann, wie der SS-Obersturmführer
Heinz Felfe, als KGB-Agenten oder Stasiagenten enttarnt
zu werden.“" Hans Leyendecker: "Mit seinem Weltbild vom
Obrigkeitsstaat hätte Kleinbürger Kurras damals vermutlich ebenso wie
Erich Mielke auch jenem Adolf von Thadden
dienen können, der 1967 Chef der NPD wurde. Das Grundmuster war in
beiden Lagern dasselbe: Es gab Sündenböcke und Feindbilder; die
Ideologie war fanatisch oder borniert und die stimmige Welt im Kopf ließ
man sich nicht durch den Augenschein verwirren.“ (Tgsp., 29.5.09).
Rudi Dutschke schrieb über seine Angst vor der Stasi. 1975
schreibt er seiner Frau Gretchen von seiner
99,9-prozentigen Überzeugung, „dass, wenn es einen „Abgang“ von mir
gibt, dann ist das in der gegenwärtigen Phase eher durchgeführt durch
SU-DDR- Geheimdienst als durch westlichen.“ Zum Motiv eines möglichen
Anschlags östlicher Geheimdienste schrieb Dutschke: „Ganz einfach, und
ohne Überheblichkeit, ich bin für sie leider die einzige wirkliche
theoretische und politische Herausforderung. War das Buch (Dutschkes
1974 erschienene Dissertation „Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen“)
schon ein gefährlicher Schlag für sie, so wird meine Konkretisierung der
Kritik des „despotischen“ Kommunismus vom Standpunkt des
„demokratischen„ Kommunismus halt noch gefährlicher. Meine These wäre
falsch, wenn die demokratische Richtung sich durchsetzt. Dann wäre ich
keine Herausforderung, sondern ein Glied im einheitlichen
antikapitalistischen Kampf. Dem ist aber nicht so.“ Dutschkes jüngster
Sohn Marek hatte den
Brief so verstanden, dass sein Vater vermutete, die Stasi könnte
hinter dem Anschlag von 1968 gesteckt haben. Der Politikwissenschaftler
Wolfgang Kraushaar verwies nun jedoch darauf, dass es um Befürchtungen
für das Jahr 1975 ging. Dutschkes damaliger Hausarzt habe für
den Abschiedsbrief eine andere Erklärung,
schrieb Kraushaar in der „Berliner Zeitung“ und in der „Frankfurter
Rundschau“. „Die Angst sei am wahrscheinlichsten das Resultat einer
tendenziellen Paranoia gewesen. Dutschke habe fürchterlich unter
den Folgen des Attentats gelitten. Bachmann
hatte sich 1970 das Leben genommen. Nach
Angaben der Birthler-Behörde hatte er keine Stasi-Akte als Inoffizieller
Mitarbeiter (IM). Und doch soll es nach dem
Attentat 1968 eine Spur nach Ost-Berlin
gegeben haben, schrieb Kraushaar. Ob diese weiterverfolgt wurde, bleibe
unklar wie die Frage, ob das Dokument erhalten geblieben sei. Der
Wissenschaftler äußerte sich eher skeptisch zu den
Aussichten, dass das Attentat auf Dutschke noch einmal neu aufgerollt
werden könnte. „Geheimdienst-Experten meinen, es sei aussichtslos, im
Falle eines Auftragsmordes auf ein entsprechendes Dokument zu hoffen.
Sogenannte „nasse Sachen“, also Aktionen mit blutigen Folgen, seien
immer nur mündlich kommuniziert worden.“ (Welt, 28.5.09).
Wolfgang Kraushaar:
Die Schrille nach dem Schuss Die Empörung über die immer
noch ungeklärte Erschießung Benno Ohnesorgs ist damals zu Recht so
außerordentlich stark ausgefallen. Dass es zu dieser unseligen Tat hat
kommen können, lag gewiss nicht allein daran, dass ein
Kriminalobermeister des West-Berliner Staatsschutzes ein Doppelleben
führte. Der Versuch, Proteste gegen den Staatsbesuch eines Satrapen wie
des Schahs von Persien mit allen Mitteln, legalen wie illegalen, zu
unterdrücken, trug in der Tat, wie es in Enzensbergers „Kursbuch“ hieß,
Züge eines „nichterklärten Notstands“. Was sich am 2. Juni 1967
abgespielt hat, ist trotz aller Anstrengungen bis heute nicht
vollständig aufgeklärt - und deshalb ist auch das Echo dieses Schusses
noch nicht verhallt. Die Enttarnung stellt in
Oskar Negts Augen am Ende doch keine Überraschung dar. Als
Achtundsechziger habe man schließlich gewusst, dass West wie Ost
gleichermaßen abzulehnen gewesen seien. Für die These von der Äquivalenz
eines westlichen Pressekonzerns mit einem östlichen Geheimdienst muss
ein allgegenwärtiger Begriff des „Autoritarismus“ herhalten. Es kann nur
irritieren, wie gerade jener Sozialwissenschaftler, der zu Beginn der
siebziger Jahre zusammen mit Alexander Kluge eines der
einflussreichsten Bücher über den Begriff der Öffentlichkeit vorgelegt
hatte, auf jede qualitative Unterscheidung zwischen einem Rechtsstaat
und einer Diktatur, zwischen Boulevardpresse und Spitzelsystem meint
verzichten zu können.(FAZ, 28.5.09).
Was der Spitzel Kurras der Staatssicherheit verriet.
Von Sven Felix Kellerhoff, (Welt,
23.5.09). Auf dem S-Bahnsteig stellt Kurras („Geheimer
Mitarbeiter“ (GM) „Otto Bohl“) an diesem Freitag kurz nach 14 Uhr
„Sichtkontakt“ zu seinem MfS-Führungsoffizier Oberleutnant
Werner Eiserbeck („Werner Beck“) her,...
Lutz Rathenow: Kurras und
die Stasi:
West-Berlin war für das MfS "Operationsgebiet". Wie viele
Hinweise auf potenzielle Skandale haben Mitarbeiter der Behörde einfach
wegschwärzen müssen? Keiner kann oder soll jeden auftauchenden Namen
erst auf IM-Kontaminierung prüfen. Das systematische Archivieren der
Akten und Namen wäre der einzige Weg zur Aufklärung. Und der ist laut
Unterlagengesetz nicht möglich, er ist nicht gewollt. Reale und
vermeintliche Opfer erstritten einen immer vorsichtigeren Umgang mit den
Akten. Helmut Kohl erwies mit seiner gerichtlich durchgesetzten
Teilsperre seiner Akten der Aufklärung einen Bärendienst. Als es um die
aus den USA zugewanderten Rosenholz- Dateien ging, war gerade die
Befürchtung unter Politikern groß, ohne ihr Wissen abgeschöpfte
West-Politiker könnten als IMs registriert worden sein. Was tun? Das
Akteneinsichtsgesetz ändern und mit der Archivierung und systematischen
Erfassung der Akten beginnen. Also letztlich ihre Veröffentlichung für
die Forschung und interessierte Öffentlichkeit betreiben. Eine Aufgabe
für Jahrzehnte. (Tgsp, 28.35.09).
Peinliche Panne in der Birthler-Behörde:
Die Stasi-Akte des Ohnesorg-Todesschützen tauchte schon 2003
auf. Aber kein Mitarbeiter erkannte ihre Brisanz. Die
Behörde spricht von einer peinlichen Panne. Vom
Archiv gehen die Akten gewöhnlich in die Abteilung „AU“ der Behörde, die
externe Forschungsanträge bearbeitet. Dort werden die Akten
üblicherweise von weiteren Mitarbeitern durchgesehen und – wenn er oder
sie es für nötig hält – einzelne Namen oder private Informationen
geschwärzt. (Tgsp., 28.5.09).
Malte Lehming über Kurras und den Geist der Linken.
Der Muff von 40 Jahren. So wie es in Deutschland nach 1945
keine Antisemiten mehr gab, gibt es eben heute keine deutschen Linken
mehr, die etwas mit Sozialismus, Marx, Arbeiterklasse, Revolution und
DDR zu tun gehabt haben wollen. Gegen den Muff von tausend Jahren gingen
sie auf die Straßen, jetzt riechen sie den eigenen Muff der letzten 40
Jahre nicht. Ihre Vergötzung der "Selbstbestimmung", die im
Massenselbstmord von Jonestown/Guyana gipfelte, ihre Glorifizierung von
Kameradschaftsehe und Patchwork-Familien, ihre dauerspirituelle
Sinnsuche, die sie nach Poona und in die Astrologie trieb. Und um nicht
ganz verrostet zu wirken, kämpfen sie bis heute entschlossen weiter. Nur
in den Zielen sind sie bescheidener geworden. Statt über eine
klassenlose Gesellschaft freuen sie sich schon über eine, in der
Heidi Klum und Dieter Bohlen verboten sind und
das Copyright nicht durchs Internet entwertet wird. (Tgsp., 28.5.09).
Prof. Dr. Diethart Kerbs, Berlin:
Kurras war und ist kein Linker, sondern ein
geltungssüchtiger, schießwütiger Kleinbürger, dem sein Stasi-Job ein
heimliches Überlegenheitsgefühl über seine Vorgesetzten und Kollegen
verschaffte und ein zweites Gehalt. Eine tiefere Bedeutung ist da bei
diesem traurigen Tropf nicht zu finden. (Berl. Zeitung, 30.5.09).
Andreas Förster: Schon in den ersten Stunden nach der
Tat wird damit begonnen,
Spuren zu verwischen. Kurras' Chef Alfred
Eitner lässt sich zunächst nur einen mündlichen Bericht von dem
Todesschützen geben. Die Dienstwaffe darf der Täter mit nach Hause
nehmen, wo er das Magazin auffüllt. Die Folge ist, dass nicht mehr
geklärt werden kann, ob der Beamte gleich gezielt auf Ohnesorg
geschossen oder - wie er behauptet - erst Warnschüsse abgegeben hat....
Ein Kollege, der damals 45-jährige Horst Geier,
erinnert sich, nur anderthalb Meter von Kurras entfernt gestanden zu
haben, als der Schuss fiel. Er habe sich zu ihm umgewandt und gerufen:
"Bist Du wahnsinnig, hier zu schießen?" Kurras habe geistesabwesend und
stotternd geantwortet: "Die ist mir losgegangen."(Berl.Zeitung,
30.5.09).
Wolfgang Wieland: Ich habe vor der Deutschen Oper gegen
den Schah demonstriert und bin über denselben Garagenhof davongelaufen
wie Benno Ohnesorg. Ich habe immer unter dem Eindruck gelebt: das
hättest auch du sein können....Es gab noch eine Spontandemonstration zum
Kurfürstendamm, und dann bin ich ganz betröpfelt gegangen, weil die
Polizei über Lautsprecher verkündet hatte, Studenten hätten einen
Polizisten erstochen. Dass ein Polizist einen Studenten erschossen
hatte, wusste man da noch nicht. Obwohl ich sogar die Schüsse gehört
habe. Die Polizisten haben auf Leute eingeprügelt, die auf dem Boden
saßen. So etwas hatte es vorher noch nicht gegeben. Es war ein richtiger
Überfall. Wenn man sich heute die Fotos ansieht, erkennt man, dass das
manierlich gekleidete junge Leute waren, mit Scheitel, Krawatte und
Jackett. Das waren ja keine schwarzen Blöcke, wie man sie heute
kennt....
Ich würde gern vom Berliner Verfassungsschutz hören, ob Kurras
auch auf deren Gehaltsliste stand. Das muss jetzt schon
geklärt werden. Um zu klären, wie viel Einfluss die SED über die Stasi
auf die Machtapparate in West-Berlin und in Bonn ausgeübt hat, wie sie
die Studentenbewegung beeinflusst hat. Diese Fakten müssen jetzt
systematisch auf den Tisch gelegt und analysiert werden. Dafür muss der
Bundestag die Mittel zur Verfügung stellen, zumal wenn wir wollen, dass
unser Parlament auch untersucht wird. (Berl. Zeitung, 30.5.09).
Jochen Staadt: Der 2. Juni 1967, der Tag, an dem Benno
Ohnesorg erschossen wurde, war
eine Zäsur. Ein Polizist im Dienste des Staates hatte einen
friedlichen Demonstranten einfach getötet - das führte zu einer harten
Radikalisierung, zu zunehmender Gewalt. Gudrun Ensslin sagte danach:
,Wir müssen uns bewaffnen.' Wäre klar gewesen, dass ein Mann im Dienst
von SED und Stasi Ohnesorg erschossen hatte, wäre es zu so extremer
Gewalt gegen das "faschistische System" wohl nicht gekommen. (Berl.
Zeitung, 23.5.09).
Moritz Schuller: Die ungeschriebene Doppelvita der Stunde
ist die von
Karl-Heinz Kurras und Günter Grass. Die fast gleich alten
Männer verbindet, dass sie in erstaunlicher Weise mehr waren, als man
lange dachte. Der linke Schriftsteller war SS-Mann, der faschistische
Polizist war SED-Mitglied. Beide gehören biographisch in plötzlich
verwirrender Form in beide deutschen Lager. Ihr Leben überlagert die
Ideologie und so verkörpern sie beide das deutsche Doppelleben, das es
eigentlich nicht geben konnte. (Tgsp., 30.5.09).
Berlins Innensenator Körting hat angeordnet, dass die
Pensionsansprüche des früheren Polizisten Kurras überprüft
werden - wegen der Stasi-Vorwürfe. (Spiegel, 25.5.09)
.Körting
will Kurras' Waffe einziehen (SZ, 25.509).
Der Polizist und Waffennarr Karl-Heinz Kurras, der am
2. Juni 1967 in Berlin den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, hat seine
Waffe abgegeben. Er tat dies freiwillig, kam aber
wohl den Behörden zuvor. (Tgsp., 28.5.09).
Die Karlsruher Bundesanwaltschaft will die Stasi-
Unterlagen über den pensionierten Polizisten prüfen, sagte ein
Sprecher am Freitag. Unterdessen sprach sich Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) dafür aus, die Pension des als Stasi-Mitarbeiter enttarnten
Kurras zu kürzen. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte, der
Generalbundesanwalt könnte für den Fall zuständig sein, wenn ein durch
das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR angeordneter
Auftragsmord vorläge. „Im Moment gibt es aber keine Anhaltspunkte
dafür.“ (Tgsp., 30.5.09).
Ulrike Poppe, Ex-DDR-Bürgerrechtlerin und Mitglied der
Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, wies die
Kritik an der Birthler-Behörde indes scharf zurück.
Die Kritik insbesondere von Schroeder und Knabe sei "geradezu absurd".
Knabe habe 1999 im Auftrag der damaligen Gauck-Behörde über Westagenten
der Stasi geforscht, ohne auf die Kurras-Akte zu stoßen. Der
Forschungsverbund SED-Staat, den Klaus Schroeder leitet, habe, so Poppe,
ein Forschungsprojekt speziell zu den Jahren 1967/68 durchgeführt,
ebenfalls ohne die Kurras-Akte zu finden. Dass sich nun gerade jene
beschweren, die die Akte selbst nicht fanden, sei "nicht
nachvollziehbar".(taz, 25.5.09).
Steuerte die Stasi den Linksterrorismus in der Bundesrepublik?
Von Tobias Wunschik. Der Linksterrorismus wurzelte
dennoch nicht in den Hinterzimmern deutscher Sicherheitsbehörden,
sondern in gesellschaftlichen (Fehl-)Entwicklungen der bundesdeutschen
Nachkriegsgesellschaft. In den späten Sechzigerjahre verspürte die
aufbegehrende junge Generation ein besonders starkes Bedürfnis nach
moralisch integrer Politik, das sich immer mehr radikalisierte und
romantisierte. Sie wollte den Vietnamkrieg beendet wissen und die
nationalsozialistische Vergangenheit aufgearbeitet. Viele gingen auf die
Straße, einige wenige nahmen später eine Waffe in die Hand und
wechselten in den Untergrund. Deren Motivation hätte kein Geheimdienst
durch seine Agenten "implantieren" können. Die weitere Entwicklung war
vor allem durch die bekannten Reaktionen von Staat und Gesellschaft
bestimmt, im Wechselspiel mit der öffentlichen und veröffentlichten
Meinung. (BerlinerZeitung, 30.5.09).
Reinhard Mohr: Man erinnert sich zum Beispiel an die
Art, wie der Westberliner Senat, die Polizei, nicht zu vergessen die in
Westberlin dominierende Springer-Presse auf die Tat reagierten.
In einem Satz: Sie stellten sich allesamt und hundertprozentig
hinter Kurras. Er war ihr Mann, so wie sie ihn kannten. Er hatte
offensichtlich im Sinne seiner Vorgesetzten gehandelt, wenn auch in
einer bedauerlichen Überreaktion beziehungsweise "Putativnotwehr". Kein
Wunder, dass sämtliche Unregelmäßigkeiten wie das Verschwinden seines
Magazins von der Westberliner Polizeiführung gedeckt wurden. Am Ende
sprachen zwei Instanzen Kurras frei.
Bis heute ist Ohnesorgs Tod ungesühnt. So zeigt sich: Es
war eben nicht allein der Schuss, der die Republik veränderte. Es war
die Polizeibrutalität dieses Tages insgesamt, die offizielle
Feinderklärung an die Protestgeneration. (Spiegel, 30.5.09).
Der Thriller seines Lebens.
Der Fall
Karl-Heinz Kurras ist ein deutsch-deutscher
Agentenkrimi. (Sven
Röbel, Michael Sontheimer und Peter Wensierski,
Spiegel, 1.6.09).
Neue Stasi-Akte von Todesschütze Kurras entdeckt.
Seine zweite Akte aber betrifft die Jahre 1987 und 1989 - und hat es in
sich: Agent Kurras, von dem bislang angenommen wurde, dass er nach der
Tötung Ohnesorgs vom MfS abgeschaltet worden war, hatte noch Jahre
später das Interesse der obersten Stasi-Führung erregt. Am 11. Dezember
1987 ordnete der Stellvertreter des DDR-Ministers für Staatssicherheit,
Generalleutnant Gerhard Neiber,
höchstpersönlich an, einen sogenannten "Sicherungsvorgang" zu Kurras
einzuleiten. Als Begründung vermerke Mielkes Vize: "Aus operativen
Gründen/Interesse". (Spiegel, 30.5.09)
Arnold Vaatz:
Ich weigere mich auch zu
glauben, dass es in Westdeutschland nur einen einzigen Polizisten
gegeben haben soll, der mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet hat.
Nämlich ausgerechnet zufällig Karl-Heinz
Kurras, den Todesschützen von Benno Ohnesorg.
Naheliegender ist die Vermutung, dass es um ihn herum auch weitere gab,
ganze Netzwerke.
(Spiegel, 30.5.09).
Verrat mit Todesfolge. Bloß ein seltsamer Zufall - oder
mehr? Vor seinem tödlichen Schuss auf den Studenten Benno
Ohnesorg hatte der Polizist und Stasi-Agent Karl-Heinz
Kurras einen Überläufer verraten, der später in bulgarischer
Haft starb. Sein Name: Bernd Ohnesorge.
Von Sven Röbel, Michael Sontheimer und
Peter Wensierski (et, 12.6.09).
Ein Versuch, sich den Schüssen auf Benno Ohnesorg über die aktuelle
Opel-Krise zu nähern. Von Harald Jähner. (Berl. Zeitung, 2.6.09).
Heute identifizieren sich die ehemaligen 68er und
ihre Erben in der SPD und den Grünen so sehr mit der Bundesrepublik wie
keine andere gesellschaftliche Gruppierung. Sie haben das Land verändert
und geprägt. Wer nun bewahren möchte, was er errungen hat, dem ist die
Wirklichkeit teuer und das empirische Argument das wertvollste. Jetzt
soll genau erforscht werden, was damals in der eigenen Verve nicht
beachtet wurde.
Der Fall Kurras kratzt am Mythos von 1968.
Von Thomas Schmid (Welt,
26. Mai 2009).
Die Akten der Sowjets über Karl-Heinz Kurras.
Von Sven Felix Kellerhoff (Welt, 26. Mai
2009).
Ein Schuss, der Deutschland verändert.
Von Reinhard Mohr
(et).
Es war der Zündfunke für die Radikalisierung: Am 2.
Juni 1967 wurde Benno Ohnesorg vom Berliner
Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen.
Der, so stellte sich jetzt heraus, arbeitete vermutlich als IM für die
Stasi. Muss die Geschichte der deutschen 68er jetzt umgeschrieben
werden?
Buchautor Uwe
Soukop im Interview:
Warum schoss Kurras? Autor Uwe Soukup über den Tod Benno Ohnesorgs,
die Stasi-Tätigkeit des Schützen Kurras und Versuche der
Springer-Presse, die Geschichte umzuschreiben. (FR
26.05.2009).
Die Enttarnung des Westberliner Polizisten
Kurras als Stasispitzel führt zu wilden Behauptungen -
eine Erwiderung auf den DDR-Forscher Hubertus Knabe.
VON URS MÜLLER-PLANTENBERG (taz, 18.7.09).
Knabe hat er in der Frankfurter Allgemeinen am 24. Juni eine
ganze Seite eingeräumt bekommen, um den "lieb gewordenen Mythos vom 2.
Juni" zu bekämpfen und nachzuweisen, dass insbesondere der
Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) und der Republikanische Club
(RC) in Westberlin unterwandert waren und ihre Aktivitäten und Absichten
nur zu erklären sind, wenn man weiß, dass diese vorher von der Stasi
erdacht und geplant worden sind.
...
Historiker, die sich der Geschichte des SDS und der
Außerparlamentarischen Opposition widmen wollen, sollten gründlicher
recherchieren, um Leuten wie Hubertus Knabe, deren
"Geschichtsschreibung" oft an Verleumdungsjournalismus grenzt, nicht
noch Material zu liefern.
Der 2. Juni 1967:
Wie der Tagesspiegel damals berichtete
 |
 |
Der Leichenwagen mit dem Sarg von Benno Ohnesorg an der
deutsch-deutschen Grenze am 8. Juni 1967 in Helmstedt auf dem
Weg nach Hannover |
Tausende Studenten
versammelten sich vor Ohnesorgs Begräbnis am 9. Juni 1967 in
Hannover |
Tristana Moore:
The case of Karl-Heinz Kurras has all the ingredients of a Cold War spy
thriller. (bbc, 6.6.09): The writer Guenter Grass
described the killing as the “first political murder in
the Federal Republic”.
Jochen Staadt:
Der Stasi-Faktor (FAZ, 24.5.09)
Angesichts dieser ungeheuerlichen Wendung lohnt es sich, noch einmal an
die vielen Verschwörungstheorien zu erinnern, die sich um die Ereignisse
des 2. Juni 1967 rankten. Der linke Journalist Uwe Soukup
fasste die wichtigsten davon in seinem Buch „Wie starb Benno Ohnesorg?
Der 2. Juni 1967“ zusammen. Das Buch erschien kurz vor dem vierzigsten
Todestag Benno Ohnesorgs.
Hubertus Knabe:
Wie die Stasi die West-Berliner Polizei unterwanderte
(BMopo, 3.6.09)
Schöne Fotos dort zu sehen!
Gegen den früheren West-Berliner
Polizisten Karl-Heinz Kurras, der 1967 den Studenten
Benno Ohnesorg erschoss, ist
Anklage wegen illegalen Waffenbesitzes erhoben
worden. Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft werden andere
Anzeigen gegen den 81-Jährigen noch geprüft. Im Juni waren in der
Wohnung des pensionierten Polizisten, der als Waffennarr gilt, ein
Revolver und ein sogenannter Totschläger beschlagnahmt worden. (rbb,
27.8.09)
Stasi: Im April
1980 wurde angewiesen, das gesammelte Material über den „Mörder
des Benno Ohnesorg“, wie Kurras auf einer
der Karteikarten geführt wird, zu archivieren. (faz, 10.8.09).
Über den Ohnesorg-Schützen
Karl-Heinz Kurras kommen
immer mehr Details ans Licht.....
(Hamburger Abendblatt, 25.5.09) Mit schöner Bilderstrecke!
Mit Kurras auf dem Klo. "Ohne Mitleid und
Reue": So beschrieb sein Führungsoffizier den westdeutschen
Stasi-Spitzel Karl-Heinz Kurras. 1976 kam es in Ost-Berlin zum wohl
letzten Treffen der Männer. Dabei fotografierte die Stasi, ohne dass der
Spion es bemerkte - jetzt hat die Birthler-Behörde die historischen
Bilder freigegeben. (Spiegel, 19.6.09). Der Bericht von Major Werner
Eiserbeck ist ein Prachtbeispiel für jene Stasi-Prosa, die das Studium
von Dokumenten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für
Historiker und andere Interessierte immer wieder zum Vergnügen macht.
Mit Datum vom 26. März 1976 schilderte der langjährige Führungsoffizier
des West-Berliner Kripo-Mannes Karl-Heinz Kurras ein Treffen mit seinem
einstigen Schützling in Ost-Berlin.
Die Räuberpistolen des Ex-Polizisten.
Von Andreas Förster
(FR, 18.11.09).
In seiner knapp zweistündigen
Vernehmung am 21. Oktober in der Außenstelle des Bundeskriminalamtes
in Treptow bestätigte Kurras, er habe sich 1955 schriftlich zu einer
Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet. Der damalige Leiter der
West-Berliner Bereitschaftspolizei, Knief, habe ihn
damals nach Ost-Berlin begleitet. Tatsächlich war Knief ein Agent
des DDR-Geheimdienstes. Kurras
schilderte den Ermittlern, dass bei seiner Ankunft in einer
Stasi-Wohnung in Ost-Berlin neben Markus Wolf ein
weiterer MfS-Offizier, ein West-Berliner Journalist, dessen Namen er
nicht kenne, und eben Herbert Wehner anwesend
gewesen seien. Man habe Gespräche über Ost und West geführt. Wolf
und Wehner seien die Wortführer gewesen. Der SPD-Politiker habe ihn
schließlich dazu überredet, mit dem MfS zusammenzuarbeiten.
Zu der abenteuerlichen Wehner-Story heißt es in Karlsruhe, Kurras habe
damit entweder die Ermittler provozieren oder Senilität vortäuschen
wollen.
Bundeswanwaltschaft ermittelt Ohnesorg-Mord
Nach dem Bekanntwerden der Stasi-Mitgliedschaft des
inzwischen pensionierten Berliner Polizisten prüft die oberste deutsche
Anklagebehörde nun, ob der tödliche Schuss auf den Studenten Benno
Ohnesorg im Juni 1967 ein Stasi-Auftragsmord war. (Hamburger Abendblatt,
29.5.09)
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