Bernd Rabehl:
„... die Universität muss in die Gesellschaft übergehen; d.h.
sie muss an den direkten Problemen dieser Berliner Gesellschaft
arbeiten ... sich Gedanken darüber machen ... wie die Rentner,
die alten Leute zu ihrem Alter, zu ihrem Menschsein zurückfinden
können, statt in den Hinterhöfen in ihren engen Wohnungen
herumzuhocken. ....
Christian Semler: Wir haben in Berlin den
irrsinnigen Zustand einer rasch anwachsenden Veralterung. Wie
kann man das Alter produktiv machen?
Bernd Rabehl: Die Voraussetzung dazu ist, dass
die Verkindlichung und die vollkommene Apathie des Alters
aufgelöst wird. Dazu müssen sie erst mal herauskommen aus ihren
Höhlen, aus dem ganzen Milieu, das auf sie derartig bedrückend
wirkt, dass sie nur dasitzen und auf den Tod warten. Wenn man
die Leute auf den Bänken sitzen sieht, dann bekommt man ein
Grausen, wenn man bedenkt, sie warten nur darauf, bis sie
irgendwann einmal sterben, sie haben keine Ideen mehr, gar keine
Vorstellungen, keine Hoffnungen, nichts mehr, für sie ist das
Leben vorbei, und sie sitzen schon als Leichen dort auf der
Bank. Die Alten müssen wieder hinein in die Zirkulationssphäre,
aber auch in die Produktionssphäre, und zwar in ihre ehemaligen
Werkstätten; wie viele alte Leute sehen wir, die morgens noch
den alten Gang gehen, den sie fünfzig Jahre lang gemacht haben,
dann aber vor dem Tor stehen bleiben und wieder zurückgehen.
Diese Fabrik ist ein Teil ihres Lebens, und dann dürfen sie
plötzlich nicht mehr hinein. Andererseits kennen sie ja am
besten den Betrieb, die Parks, die Speiseräume, sie können dort
essen, sie können dort diskutieren, sie sollen sogar an der
Werksdiskussionen teilnehmen, sie dürfen nicht herausgedrängt
werden. Es muss ihr Rat geholt werden.
Rudi Dutschke: Die Alten müssen mit dem
Lebensprozess der Fabrik Tag für Tag verbunden sein. ...
(Aus: Ein
Gespräch über die Zukunft mit Rudi Dutschke,
Bernd Rabehl und
Christian Semler, in: Kursbuch 14, August 1968, S. 163 f..)
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