SDS-Website | |
ZDF Das Attentat auf Rudi Dutschke Der Studenten- führer ist am 11. April 1968 mit drei Schüssen schwer verletzt worden Wenn das Jahr 1968 für eine ganze Bewegung und Generation steht, dann ist der Name Rudi Dutschke ihr Symbol. Die drei Schüsse auf den Studentenführer und SDS-Ideologen auf dem Berliner Kurfürstendamm vor 30 Jahren am 11. April 1968 lösten landesweit schwere Unruhen aus, Berlin erlebte die schwersten Straßenschlachten seit den Tagen der Weimarer Republik. Die schon seit den tödlichen Schüssen auf den Studenten Benno Ohnesorg vom Juni 1967 in Aufruhr befindliche Außerparlamentarische Opposition (APO), die außerdem seit Monaten gegen den Vietnamkrieg demonstrierte, wollte jetzt nicht mehr nur Hörsäle in Universitäten besetzen und Vorlesungen sprengen, um gegen den Muff von tausend Jahren unter den Talaren zu protestieren. Der Zorn richtet sich jetzt immer offener gegen alle Staatsgewalt und einen Teil der Presse, vor allem gegen den Axel-Springer-Verlag, dessen Auslieferungsfahrzeuge in Brand gesetzt werden. Vor dem Rathaus Schöneberg und dem
unter amerikanischer Kontrolle stehenden Sender Rias geht
die Polizei mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen
die Demonstranten vor. Das Schiller-Theater müssen die
Beamten vor den heranrückenden aufgebrachten
Demonstranten, die jetzt fast alle Einrichtungen des
bürgerlichen Establishments attackieren, mit
gezogenen Pistolen schützen. Die Masse der Bevölkerung
war verwirrt und aufgeschreckt über diese Welle von
Protestaktionen und diesem Ausmaß des Aufbegehrens der
Jugend in der Bundesrepublik. Bundespräsident Gustav
Heinemann mahnte zur Besonnenheit, stellte aber auch die
Frage, ob wir Älteren den Kontakt mit Teilen der
Jugend verloren haben oder ihr unglaubwürdig geworden
sind. In den Straßen hallten jetzt fast täglich die rhythmischen Sprechchöre, die den nordvietnamesischen KP-Führer als Schutzheiligen anriefen: Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh, aber auch das aggressive USA-SA-SS. Bis zum Attentat waren in den ersten Reihen neben Dutschke vor allem sein Freund und spätere Wolfgang-Neuss-Biograph und Dramatiker (Stalin), Gaston Salvatore, aber auch Fritz Teufel (wenn er nicht in Untersuchungshaft saß), Bernd Rabehl, Christian Semler, Wolfgang Lefevre und der Anwalt Horst Mahler, der den Weg in den bewaffneten Kampf der RAF wählen sollte, zu sehen. BACHMANN SCHIEßT AUS NÄCHSTER NÄHE Der Funke für die Lunte am
Pulverfaß dieses gereizten Klimas war in jenen
Apriltagen der 23jährige Gelegenheitsarbeiter und
gescheiterte Fremdenlegionär Josef Bachmann, der an
jenem Gründonnerstag mit dem Interzonenzug aus München
am Bahnhof Zoo in West-Berlin eintraf. Er trägt eine
Pistole in einem Schulterhalfter und fragt einen
Taxifahrer: Wissen Sie, wo Rudi Dutschke
wohnt? Er wird zur Zentrale des Sozialistischen
Deutschen Studentenbundes (SDS) am Kurfürstendamm 140
gefahren. Dort sieht Bachmann einen Mann mit einem
Damenfahrrad aus dem Hausflur kommen, den er sofort
anspricht: Sind Sie Rudi Dutschke?
Ja. Mit den Worten Du dreckiges
Kommunistenschwein! schießt Bachmann aus
eineinhalb Meter Entfernung mit einem
Neun-Millimeter-Trommelrevolver. Dutschke hatte noch elf Jahre zu
leben, bevor er am Heiligabend 1979 im dänischen Aarhus
bei einem epileptischen Anfall in der Badewanne ertrank.
Wie schwer für Dutschke dieser elfjährige
Überlebenskampf wurde, aber auch mit welch eisernem
Willen er um die Wiedergewinnung seines Gedächtnisses
und der Sprechfähigkeit kämpfte, schilderte seine Frau
Gretchen Dutschke in ihren 1996 erschienenen
Erinnerungen. Sie beschreibt die manchmal dramatischen
gesundheitlichen Rückfälle ihres Mannes, der seit dem
Attentat auch unter Verfolgungswahn litt. Wenn sie ins
Kinderzimmer kam, lag Dutschke manchmal verkrampft und
bewußtlos am Boden (Ich konnte mich an das immer
wiederkehrende Schreien nicht gewöhnen). Ein Jahr
vor seinem Tod im Alter von erst 39 Jahren notierte
Dutschke resigniert: Wenige, lumpige Jahre aktiv im
Leben politischer Arbeit gewesen zu sein und Kugeln in
den Kopf zu bekommen, welche Notwendigkeit war da? Die Jahre nach dem Attentat waren eine einzige Odyssee durch Europa über London und Irland nach Italien und schließlich Dänemark. Nicht überall war Dutschke willkommen. Wie ein Rufer in der Wüste hatte er ein Leben lang gefordert, Lenin auf die Füße zu stellen. Er wetterte gegen staatssozialistische Praktiken, eine Arbeiterklasse jahrzehntelang zu entmündigen und forderte einen Sozialismus unabhängig von Stalin, Mao und Ulbricht. Mit Material von: DPA |