SDS-Website |
||
|
Peter Mosler Internationalismus der frühen sechziger: Algerien .... Zurück in die fünfziger Jahre. Eine wenig beachtete Aktion jener Zeit war der Kampf gegen den Algerien-Krieg, obwohl uns die Parolen jener Jahre bekannt vorkommen: "Wenn Algerien fällt, ist das Abendland bedroht." Der Krieg der französischen Kolonialtruppen kam in den westdeutschen Medien, geschweige denn im westdeutschen Bewußtsein, kaum vor, und eine Gruppe Berliner Studenten, unter ihnen Reimar Lenz und Wolfgang Fritz Haug, wollten mit einer Dokumentarausstellung die Greuel des Kriegs in der BRD zum Thema machen. Das Motiv dieser Arbeit war keineswegs, dem Adenauerstaat die Loyalität aufzukündigen, sondern ein zugespitzter Menschenrechtsstandpunkt gegen die Folterverbrechen im Algerienkrieg. Die Ausstellung nannte Zahlen und Fakten, die die Presse verschwiegen hatte: 3 Millionen Verschwundene (Getötete, Flüchtlinge und Verschleppte), systematische Folterung durch die Kolonialtruppen. Auch die Methoden der Partisanen sollten nicht unkritisch dargestellt werden. Die kleine Gruppe Berliner Studenten fühlte sich nicht als Verbündete der FLN. Reimar Lenz dachte bei der Algerienausstellung an mehr als nur Politik, was ihm schon 1959, als er zu den Organisatoren des "Ersten Studentenkongresses gegen Atomrüstung" in Berlin zählte, den Vorwurf eintrug, unpolitisch zu sein. Auf diesem Forum war nicht nur der Wehrexperte der SPD, Helmut Schmidt, präsent, sondern auch Ulrike Meinhof und Klaus-Rainer Röhl. Lenz saß eine Nacht mit anderen Aktivisten der Anti-Atomtod-Bewegung zusammen. Ulrike Meinhof bestand bis in den frühen Morgen darauf, daß von den sowjetischen Atomwaffen in der Schlußerklärung nicht die Rede war. Röhl setzte in der Resolution die Forderung nach der Anerkennung der DDR durch. 1961 entstanden in der BRD an den Universitäten "Algerienausschüsse", die die Wander-Ausstellung über den Krieg weitertrugen. Sie kam von Westberlin nach Göttingen, Heidelberg, Frankfurt, München, Braunschweig, Kiel und Villingen. Der Algerienkrieg war damals ein Fokus der Linksintellektuellen. Enzensberger hielt bei der Eröffnung der Ausstellung in Frankfurt eine Rede: "Wer wird uns glauben, wenn wir von 800000 getöteten Algeriern nichts wissen wollen? Schon einmal haben wir alle miteinander nichts wissen wollen." Lenz verstand den Krieg in Algerien in einer antitotalitären Tradition als Fortsetzung der Aufstände in Berlin, Budapest und Posen und wollte vor allem die Greueltaten der Kolonialtruppen anprangern. Seine Haltung war ein moralischer Rigorismus Camusscher Prägung, und dieser parteilose Internationalismus hätte den linken Aktivisten vielleicht auch besser zu Gesicht gestanden als jener parteigebundene Internationalismus, in dem sie ihre Solidarität vorzugsweise an Parteien gleicher Couleur vergeben. .... Auszug aus: Wird es eine europäische Identität geben? (Kommune 2-99)Zur Erinnerung: 5.11.1960 5. 4. 1961 aus: Wolfgang Kraushaar, Notizen zu einer Chronologie der Studentenbewegung Weitere Literatur zum Thema: Fritz Bilz, Die Algeriensolidarität der Kölner Jusos und des SDS Leggewie, Claus. Kofferträger: Das Algerien-Projekt
der Linken im Adenauer-Deutschland. Berlin: Rotbuch-Verlag, 1984. Gefangen
in Algier, Am 19. März 1962 ging der
Algerienkrieg zu Ende - die Erinnerung an dessen Schrecken bewegt
Frankreich bis heute
|